Superlative
im jungen Universum
von
Hans Zekl
für
astronews.com
26. November 2003
Durch eine
Kombination der leistungsstärksten Teleskope gelang einem internationalen
Astronomenteam eine einmalige Entdeckung:
Ein geheimnisvoller Lichtbogen hinter einem entfernten Galaxienhaufen entpuppte
sich als das größte, hellste und heißeste Sternentstehungsgebiet, das bislang
entdeckt wurde.
So stellt sich ein Künstler das Sternentstehungsgebiet im jungen
Universum vor. Bild: European Space Agency,
NASA und Robert A. E. Fosbury (European Space Agency/Space
Telescope-European Coordinating Facility) |
Seit Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie weiß man, dass große
Massenansammlungen den Raum krümmen. Weil das Licht diesen Krümmungen folgt,
können Galaxienhaufen unter Umständen wie eine riesige kosmische Linse wirken, die das Bild
dahinter liegender Objekte verändert. In vielen Fällen erscheinen dann schwache
im Hintergrund des Haufens liegende Galaxien als helle Bögen. Dieser
Gravitationslinseneffekt ermöglicht es, diese extrem weit entfernten Objekte zu
untersuchen.
Einer dieser Bögen, der Lynx-Bogen, ist tausendmal heller als der bekannte
Orion-Nebel, einem in unserer Galaxis gelegenen Sternentstehungsgebiet, dass
schon im Fernglas zu sehen ist. Er ist als rot leuchtender Bogen hinter einem
5,4 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxienhaufen im Sternbild Lynx, zu
deutsch Luchs, zu sehen. Der Bogen ist das verzerrte und verstärkte Bild eines
mysteriösen Himmelsobjekts, das selbst 12 Milliarden Lichtjahre entfernt ist.
Das neu entdeckte Gebiet enthält etwa eine Million blau-weißer Sterne, die
doppelt so heiß sind wie ähnliche Sterne in der Milchstraße. In ihm können wir
heute Vorgänge studieren, die stattfanden, als das Universum noch nicht einmal 2 Milliarden Jahre
alt war. Damals müssen wesentlich mehr Sterne entstanden sein, als im gleichen
Zeitraum heute. In riesigen Sternentstehungsgebieten entstanden in kurzer Zeit
unzählige Sterne.
Die Entdeckung dieses einzigartigen Objekts gelang einem internationalen Team
von Astronomen durch den Einsatz
verschiedener Teleskope im Röntgen-, optischen und Infrarotbereich, darunter das
Hubble Space Telescope, das Röntgenteleskop ROSAT und die Keck-Teleskope auf
Hawaii unter der Leitung von Bob Fosbury von der Space Telescope-European
Coordinating Facility der ESA in Garching bei München.
Anfangs war es den Forschern nicht möglich, dass Objekt einem der bekannten
astronomischen Objekttypen zuzuordnen. Doch dann bemerkte Fosbury, dass das
Licht Ähnlichkeiten mit dem des Orion-Nebels besitzt. Aber während dieser von
nur vier heißen Sternen angeregt wird, müssen es beim Lynx-Bogen etwa eine
Million sein.
Außerdem müssen die Sterne in diesem Objekt eine Oberflächentemperatur von bis
zu 80.000° Celsius besitzen. Obwohl es in unserer Galaxis, der Milchstraße, größere und
hellere Sternentstehungsgebiete gibt als den Orion-Nebel, kann es doch keines mit dem Lynx-Bogen auch nur im Entferntesten aufnehmen.
Die massereichsten und hellsten jungen Sterne in unserer Nachbarschaft sind
maximal etwa 40.000° Celsius heiß. Aber die ersten Sterne im Universum könnten
massereicher und viel heißer gewesen sein – möglicherweise bis zu 120.000°
Celsius. Im
frühen Universum gab es keine schweren Elemente, fast nur Wasserstoff und
Helium. Die damit verbundenen physikalischen Bedingungen erlaubten wesentlich
größere Sterne, die in extrem kurzer Zeit ihren Brennvorrat verbrauchten und
schließlich in gewaltigen Supernovaexplosionen die in ihrem Innern erzeugten
schweren Elemente in das All schleuderten. Aus der Asche unzähliger Supernovae
entstanden dann später die heutigen Sterne und Planeten. Gleichzeitig verhindern
die physikalischen Eigenschaften der schweren Atome, dass sich heutzutage noch
Sterne mit mehr als 100 Sonnenmassen bilden können.
Selbst die Sterne im Lynx-Bogen gehören nicht mehr zur allerersten
Sterngeneration. Diese existierten vermutlich schon mehr als eineinhalb
Milliarden Jahre vor ihnen. "Das bemerkenswerte Objekt kommt demjenigen mit den
Ursternen am nächsten. Daran können wir sehen, wie diese ursprünglichen Objekte
aussehen könnten, wenn unsere Teleskope leistungsfähig genug sind, um sie zu
entdecken," erklärt Fosbury. Diese Aufgabe soll der Nachfolger von Hubble,
das James Webb Space Telescope erfüllen, dessen Start für das Jahr 2011 geplant ist.
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