ESA setzt
auf russische Weltraumerfahrung
Redaktion
astronews.com
5. November 2003
Die europäische Weltraumorganisation ESA
vertraut weiterhin auf die "alte" russische Weltraumtechnik. In Moskau wurde
unlängst eine Vereinbarung für den Start zweier unbemannter Foton-Raumkapseln
unterzeichnet, die auf den Vostok-Raumschiffen der 60er Jahre beruhen.
Mit ihnen sollen 2005 und 2006 Experimente ins All befördert werden, die
teilweise der Columbia-Tragödie zum Opfer fielen.
Die Foton-Kapsel (rot) kehrt an einem Fallschirm zur Erde
zurück. Der übrige Teil des Raumschiffs verglüht beim
Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Bild: ESA |
Im Oktober haben der ESA-Direktor für Bemannte Raumfahrt, Jörg Feustel-Büechl,
und der Leiter der Rosaviakosmos-Abteilung Automatische Fahrzeuge und
Bodenkontrolle, V. I. Kozlov, nach einjährigen Verhandlungen im ESA-Büro in
Moskau eine Vereinbarung über den Start zweier unbemannter Foton-Kapseln
unterzeichnet. Sie bildet den Rahmen für die Flüge der Kapseln Foton-M2
und Foton-M3, die wissenschaftliche Nutzlast der ESA im Gesamtgewicht von
660 kg ins All befördern sollen. Die Übereinkunft bindet die ESA, Rosaviakosmos
und zwei weitere russische Partner, die Unternehmen KBOM in Moskau und
TsSKB-Progress in Samara, für mindestens drei Jahre. Der Start der Foton-M2 soll
im Mai 2005, der der Foton-M3 im Herbst 2006 erfolgen.
Die Unterzeichnung der Vereinbarung ermöglicht den Neustart fast aller
Bestandteile des Versuchsprogramms der Foton-M1, deren Start am 15.
Oktober 2002 fehlgeschlagen war. Auch ein großer Teil der wissenschaftlichen
Ziele der ESA im Rahmen der Mission STS-107, die aufgrund des Columbia-Unglücks
im Februar 2003, bei dem die Mannschaft ums Leben kam und auch Versuchsproben
sowie wissenschaftliche und technische Experimente verloren gingen, nicht
erreicht werden konnten, kann nun doch noch weiterverfolgt werden.
Die unbemannten Foton-Kapseln, von denen die erste 1985 flog, beruhen auf
der russischen Vostok-Kapsel, in der im Jahr 1961 Juri Gagarin ins All
geschickt worden war. Während das Konzept der Vostok für die bemannte
Raumfahrt erheblich weiterentwickelt wurde - das Ergebnis ist die heutige
Sojus -, wurden die Foton-Kapseln, die vorrangig für biologische,
physikalische und materialwissenschaftliche Experimente eingesetzt werden,
gegenüber ihrem Vorläufer kaum verändert. Foton-Missionen dauern in der
Regel zwei Wochen. Die Kapseln werden mit einem Sojus-U-Träger gestartet
und kehren nach Abschluss der Experimente mit Hilfe eines Fallschirmsystems zur
Erde zurück.
Zur Nutzlast der Foton-M2 gehören Experimente in den Bereichen
Fluidphysik (FluidPac, SCCO) und Exobiologie (Biopan), fünf
materialwissenschaftliche Experimente, die in Russlands automatischem Ofen
Polizon durchgeführt werden sollen, weitere materialwissenschaftliche
Experimente für den vom DLR beigestellten AGAT-Ofen, ein Technologieexperiment (Favorite)
und zwei autonome Experimente (Photo-Ii und Biofilter). Zwei weitere Experimente
sollen in den Hitzeschild der Foton-M2 eingebaut werden: das
Wiedereintrittstechnologieexperiment Keramik und das
Meteoritensimulationsexperiment Stone.
Das Büro der ESA für Bildungsmaßnahmen wird die betrieblichen Aspekte einer
Reihe zusätzlicher Experimente koordinieren, die im Rahmen der Mission
Foton-M2 durchgeführt werden sollen. Diese Experimente sind das Ergebnis der
Zusammenarbeit zwischen der staatlichen Luft- und Raumfahrtuniversität Samara
und zahlreichen westeuropäischen Hochschuleinrichtungen. Die Universität Samara
wird außerdem allen wissenschaftlichen und technischen Teams die Möglichkeit
bieten, quasi in Echtzeit Informationen über die Fluglage der Foton-M2 in der
Umlaufbahn und die Restbeschleunigung zu erhalten.
Die Nutzlast der Foton-M3 soll nach derzeitiger Planung drei biologische
Experimente (Biobox, Kubik, Eristo/Osteo), Exobiologieexperimente (Biopan), zwei
fluidphysikalische Experimente (SCCO, Gradflex),
Proteinkristallisierungsexperimente, materialwissenschaftliche Experimente (Polizon),
ein neues Wiedereintrittstechnologieexperiment (YES-2) sowie weitere autonome
Experimente umfassen.
Nach der Unterzeichnung der Vereinbarung werden die Foton-Missionen vor
ihrem Start mehrere Überprüfungsphasen durchlaufen, an denen auch die ESA
beteiligt sein wird. Diese Überprüfungen wurden ausgeweitet, um den Schutz vor
einem Fehlstart, wie er bei der Mission Foton-M1 zu beklagen war, zu verbessern.
Sie werden die Bereiche Betrieb und Sicherheit umfassen und sich darüber hinaus
auf den dreistufigen Sojus-U-Träger erstrecken.
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