Die Summen eines Schwarzen Lochs
von Stefan
Deiters
astronews.com
10. September 2003
Mit Hilfe des NASA-Röntgenteleskops Chandra gelang es Astronomen
erstmals Schallwellen eines Schwarzen Loches aufzuspüren. Die ungeheure
Energie, die durch die Schallwellen transportiert wird, könnte helfen, ein
langjähriges Rätsel über Galaxienhaufen zu lösen. Das Schwarze Loch
scheint seinen Ton in den letzten 2,5 Milliarden Jahren konstant gehalten
zu haben.
Chandra-Aufnahme des Perseus-Galaxienhaufens (im Röngtenbereich,
oben) und die Schallwellen im Perseus-Haufen.
Fotos:
NASA/CXC/IoA/A.Fabian et al.
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Das von Chandra anvisierte Schwarze Loch befindet sich im
Perseus-Galaxienhaufen in rund 250 Millionen Lichtjahren Entfernung von
der Erde. Im letzten Jahr machten Astronomen mit Hilfe des
Röntgenteleskops kleine wellenförmige Strukturen im Gas des Haufens aus -
für die Forscher ein Beweis für die Existenz von Schallwellen, die viele
100.000 Lichtjahre durch den Haufen gewandert sind und die vom Schwarzen
Loch der gewaltigen Galaxie Perseus A im Zentrum des Haufens ausgehen.
"Wir haben gewaltige Mengen an Licht und Hitze beobachtet, die auf
die Existenz eines Schwarzen Lochs zurückzuführen sind, jetzt haben wir
auch die Töne des Schwarzen Lochs aufgespürt", erläutert Andrew Fabian vom
Institute of Astronomy in Cambridge, England. Die Musik des Schwarzen
Loches wäre allerdings für das menschliche Ohr nicht zu hören: Zwar
konnten die Forscher die Wellen als den Ton "H" identifizieren, jedoch
liegt er 57 Oktaven unter dem mittleren C. Der Ton ist damit der tiefste
Ton, der je von einem Objekt im Universum gemessen wurde.
"Die Schallwellen von Perseus sind aber deutlich mehr als nur eine
kuriose Form von Schwarz-Loch-Akkustik", erläutert Steve Allen, auch vom
Institute of Astronomy in Cambridge. "Diese Schallwellen könnten
uns einen wichtigen Fingerzeig geben, wie Galaxienhaufen, die größten
Strukturen im Universum wachsen." Seit Jahren versuchen die Forscher
nämlich zu verstehen, warum man in Galaxienhaufen so viel heißes Gas,
jedoch nur sehr wenig kühles Gas findet. Heißes - Röntgenstrahlung
aussendendes - Gas sollte sich nämlich im Laufe der Zeit abkühlen,
insbesondere das sehr dichte Gas im Zentrum. Es sollte dadurch kühlerem
Gas aus den äußeren Bereichen das Vordringen in zentralere Bereiche
ermögliche und so Sternentstehungsprozesse in Gang setzen.
Soweit die Theorie. Doch bislang wurden für diese Vorgänge nur sehr
dürftige Beweise entdeckt, was zu verschiedenen Erklärungsmodellen führte,
warum das Gas in Wirklichkeit heiß bleibt. Keines davon war bislang
wirklich überzeugend. Aufheizung durch ein zentrales Schwarzes Loch war
immer eines der Erklärungsmodelle, doch fehlte bislang das
Auflösungsvermögen von Röntgenteleskopen um diese These auch zu belegen
und detaillierte Strukturen aufzuspüren. Das wurde erst mit Chandra
möglich.
Frühere Chandra-Beobachtungen zeigten zwei große
blasenförmige Aushöhlungen im Gas des Haufens die sich vom Haufenzentrum
aus ausdehnten. Sie entstehen durch gewaltige Jets, also gebündelte
Materiestrahlen, die das Haufengas zur Seite gefegt haben. Die
Aushöhlungen im Röntgenbereich, gleichzeitig Quellen intensiver
Radiostrahlung, standen schon lange im Verdacht etwas mit der Aufheizung
des Gases zu tun gehabt zu haben - nur der genaue Mechanismus war bislang
unklar. Die beobachteten Schallwellen, die von dieses Aushöhlungen
ausgehen, könnten nun die gesuchte Erklärung liefern.
Zur Entstehung dieser Aushöhlungen ist eine gewaltige Energie nötig -
vergleichbar etwa mit 100 Millionen Supernova-Explosionen. Ein großer Teil
dieser Energie wird von den Schallwellen transportiert und von dem Gas des
Haufens nach und nach aufgenommen. Es wird somit erhitzt und kann nicht
abkühlen. Wenn das tatsächlich so ist, rechneten die Forscher nach, muss
das Schwarze Loch in den letzten 2,5 Milliarden Jahren ziemlich exakt den
Ton gehalten haben und immer in "H" 57 Oktaven unter dem mittleren C
gesummt haben.
Der Perseus-Galaxienhaufen ist der hellste Galaxienhaufen im
Röntgenbereich und war daher ein perfektes Ziel für die Chandra-Beobachtungen.
Doch auch andere Galaxienhaufen haben die beobachteten Aushöhlungen im
Röntgenbereich - zukünftige Beobachtungen könnten also auch hier
Schallwellen aufspüren.
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