Die
Röntgenschweife von Geminga
von Stefan
Deiters
astronews.com
4. August 2003
In nur rund 500 Lichtjahren Entfernung befindet sich Geminga - ein 350.000 Jahre
alter Neutronenstern, der mit einer Geschwindigkeit von 120 Kilometern pro
Sekunde durchs All rast. Astronomen entdeckten nun mit Hilfe des europäischen
Röntgenteleskops XMM-Newton, dass der Stern zwei Röntgenschweife hinter
sich herzieht. Die Forscher hoffen auf neue Erkenntnisse über diese exotischen
Objekte.
XMM-Newton-Aufnahme von Geminga mit den beiden Röntgenschweifen. Foto:
ESA |
Neutronensterne sind die dichten Überreste eines explodierten Sterns. Sie
haben nur einen Durchmesser von vielleicht 20 bis 30 Kilometern und mehr Masse
als unsere Sonne. Der Neutronenstern namens Geminga ist der Erde mit nur 500
Lichtjahren Entfernung am nächsten. Normalerweise verraten sich
Neutronensterne als pulsierende, Leuchtturm-artige Quellen im Radiobereich, doch Geminga ist "radioleise". Allerdings sendet der Stern periodisch starke
Gammastrahlen aus, was ihn zu einer der stärksten Gammastrahlenquellen am Himmel
macht. Geminga ist ein seltenes Beispiel für eine Gammastrahlenquelle, bei der
man sich sicher ist, was für ein astronomisches Objekt sich dahinter verbirgt.
Der Neutronenstern dürfte vor 350.000 Jahren entstanden sein und bewegt sich
mit einer Geschwindigkeit von 120 Kilometern pro Sekunde durchs All. Dadurch
erzeugt er eine gewaltige Schockwelle, die das interstellare Medium, das Gas der
Umgebung sowie das starke Magnetfeld des Sterns komprimiert. Die von einer
Gruppe europäischer Astronomen mit dem ESA-Röntgenteleskop XMM-Newton
beobachteten Röntgenschweife entstehen - so aktuelle Modellrechnungen der
Forscher - durch hochenergetische Elektronen, die in dem ausgedehnten Magnetfeld
gefangen sind, in ihm herumspiralen und dabei Röntgenstrahlung aussenden.
Die Elektronen selbst dürften in der dichten Umgebung des Neutronensterns
entstehen: Geminga dreht sich einmal in einer Viertelsekunde um die eigene Achse
und erzeugt damit eine äußerst exotische Umgebung: Elektronen und Positronen
werden hier zu extremen Geschwindigkeiten beschleunigt. So energiereich werden
sie zur Quelle von hochenergetischer Gammastrahlung. Ursprünglich waren die
Forscher davon ausgegangen, dass alle Elektronen in Gammastrahlen umgewandelt
werden, doch scheint es einigen zu gelingen, aus dieser extremen Region zu
entkommen, um den beobachteten Röntgenschweif zu bilden.
"Es ist schon erstaunlich, dass es solchen energiereichen Elektronen
tatsächlich gelingt, zu entkommen und die Röntgenschweife zu bilden", so
Patrizia Caraveo vom Institutio di Astrofisica Spaziale e Fisica Cosmica
in Milan. "Die Elektronen im Schweif haben eine Energie, die in etwa der Energie
entsprechen sollte, die maximal in der Umgebung von Geminga erreichbar ist." Die
beobachteten Schweife sind die hellen Ränder einer dreidimensionalen
Schockwelle, die man sich ähnlich vorstellen kann, wie die Bugwelle eines
Schiffes. Sie erstrecken sich über rund drei Millionen Kilometer.
Die Erforschung von Geminga ist für die Astronomen ein wichtiger Schritt
zur Enthüllung des wahren Charakters weiterer Gammastrahlenquellen, bei denen es
sich auch um radioleise Neutronensterne handeln könnte. Geminga wurde 1973 mit
einem NASA-Satelliten im Sternbild Zwilling (Gemini) entdeckt und erhielt von
seinem Entdecker den Namen Geminga, was für "Gemini gamma ray source" steht.
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