ISO
Infrarot-Satellit feiert seltenes Jubiläum
Redaktion
astronews.com
23. Juli 2003
Artikel in Fachzeitschriften sind die "Währung" der Wissenschaft. Als
guter Wissenschaftler gilt, wer über eine möglichst lange
Publikationsliste verfügt. Ähnliches trifft auch für den Erfolg von
Weltraummissionen zu. Das europäische Infrarot-Observatorium ISO liegt so
gesehen ganz vorn: Jetzt feierten Astronomen die 1000. Veröffentlichung,
die auf ISO zurückzuführen ist - und das obwohl der Satellit schon 1998
abgeschaltet wurde.
ISO. Bild:
ESA |
ISO war das erste Weltraumobservatorium, das in der Lage war, den Himmel im
Infrarotbereich zu beobachten. Seine "Augen" haben die Entdeckung zahlreicher
neuer Phänomene ermöglicht und die Sicht des Universums nachhaltig verändert
haben. Dass ein Gegenstand glüht, wenn er erhitzt wird, ist allgemein bekannt.
Jedoch glüht jedes Objekt auch bei Zimmertemperatur, allerdings in einem für das
menschliche Auge unsichtbaren Licht, dem Infrarotlicht. Hier kommen
Infrarotteleskope wie ISO ins Spiel.
Auf der Erde funktionieren diese Teleskope nicht besonders gut, weil das
Infrarotlicht starken Wechselwirkungen mit der Atmosphäre ausgesetzt ist. Im
Weltraum hingegen können sie ihre Wirkung voll entfalten. ISO hat die "kühlen
und staubigen" Bereiche des Universums unter die Lupe genommen. Es ist in Staub-
und Gaswolken vorgestoßen, den Geburtsort von Sternen, und konnte erstmals die
Anfangsstadien der Sternentstehung beobachten. So entdeckte das Observatorium
beispielsweise, dass die Entstehung von Sternen bereits bei Temperaturen um
–250°C beginnt.
Die Wissenschaftler konnten die Bewegungen von Staub von den
Regionen, in denen er entsteht (das heißt alte Sterne, die riesige
"Staubfabriken" darstellen), bis in die Regionen verfolgen, in denen aus ihm
neue Planetensysteme entstehen. Weiter entdeckte ISO, dass die meisten jungen
Sterne von Staubringen umgeben sind, die Planeten beherbergen könnten. Außerdem
gelang mit ihm die chemische Analyse der Zusammensetzung von kosmischem Staub,
wodurch ein neues Forschungsgebiet entstand, die Astromineralogie.
Die starke Wechselwirkung zwischen Wasser und Infrarotlicht hat es den
Wissenschaftlern ermöglicht, mit Hilfe von ISO das Vorhandensein von Wasser in
zahlreichen unterschiedlichen Regionen des Weltraums nachzuweisen. Eine weitere
neue Forschungsdisziplin, die Astrochemie, bekam gewaltigen Auftrieb, als ISO
entdeckte, dass Wassermoleküle im gesamten Universum, selbst in entfernten
Galaxien, vorhanden sind und sich im Umfeld mancher Sterne leicht komplexe
organische Verbindungen wie Benzol bilden.
"Die mit ISO erzielten Ergebnisse haben Auswirkungen auf fast alle Bereiche
der Astronomie von der Kometenforschung bis zur Kosmologie", erläutert der
ISO-Projektwissenschaftler, Alberto Salama. "Manche dieser Ergebnisse liefern
Antworten auf offene Fragen, andere werfen neue Fragen auf. Einigen dieser neuen
Fragen wird bereits mit vorhandenen Teleskopen auf den Grund gegangen; bei
anderen hingegen heißt es abwarten, bis künftige Einrichtungen einsatzbereit
sind."
Nach dem Ende der Betriebsdauer des Observatoriums im Jahr 1998 wurden seine
Beobachtungen über das ISO-Datenarchiv Wissenschaftlern in aller Welt frei
zugänglich gemacht. Im Mai 2003 wurde die Marke der tausendsten
wissenschaftlichen Veröffentlichung erreicht. Das ISO-Datenarchiv ist nach wie
vor eine wertvolle Quelle neuer Erkenntnisse; in den jüngsten Publikationen wird
beispielsweise über die Entdeckung von Wasser in "Protosternen", also Sternen in
der Geburtsphase, und über die Erkundung zahlreicher naher Galaxien berichtet.
"Natürlich waren wir zuversichtlich, dass ISO gute Dienste leisten würde, aber
seine tatsächliche Produktivität geht weit über unsere Erwartungen hinaus. Die
Publikationsrate scheint noch nicht einmal ihren Höhepunkt erreicht zu haben!
Wir rechnen noch mit einer Vielzahl von Ergebnissen", so Salama.
Das Infrarot-Weltraumobservatorium (ISO) wurde 1995 gestartet und war von
November 1995 bis Mai 1998, als das für den Betrieb seiner Detektoren benötigte
Kühlmittel zur Neige ging, im Einsatz. Das damals empfindlichste Observatorium
seiner Gattung hat besonders in den staubigen Regionen des Universums, wo die im
Bereich des sichtbaren Lichts arbeitenden Teleskope nichts "sehen" können,
bedeutende Beobachtungen ermöglicht. Mit dem Start von Herschel im Jahr 2007
wird die ESA ihre Infrarot-Erkundung des Universums wiederaufnehmen.
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