GALAXIENHAUFEN
Mit Hubble
der dunklen Materie auf der Spur
Redaktion
astronews.com
21. Juli 2003
120 Stunden hat ein internationales Forscherteam einen Galaxienhaufen mit
Hilfe des Weltraumteleskops Hubble beobachtet. Ziel war es, hinter
die Verteilung der mysteriösen Dunklen Materie zu kommen, die den
Galaxienhaufen zusammenhält. Ganz ohne Tricks gelang das den Astronomen
allerdings nicht.
Hubble-Aufnahme eines Galaxienhaufens (hier:
Abell 2218). Gut zu erkennen ist der Gravitationslinsen-Effekt,
den sich auch die Forscher aus Bonn zu Nutze machten. Foto:
NASA, Andrew Fruchter und das ERO Team (Sylvia Baggett (STScI),
Richard Hook (ST-ECF), Zoltan Levay (STScI)) |
Einem internationalen Astronomenteam ist es mit Hilfe eines Tricks erstmalig
gelungen, die Verteilung der Dunklen Materie in einem Galaxienhaufen genau zu
bestimmen. Die Wissenschaftler benötigten zu ihrem Ergebnis über 120
Beobachtungsstunden am Hubble-Teleskop - mehr Zeit, als von den
Betreibern des Weltraum-Fernrohrs jemals zuvor für die Erforschung eines
Galaxienhaufens zur Verfügung gestellt worden war. Die Entdeckung, an der auch
ein Wissenschaftler der Universität Bonn beteiligt ist, verbessert das
Verständnis, wie sich derartige Ansammlungen Tausender Galaxien mit jeweils
mehreren Milliarden Sternen bilden konnten.
Galaxienhaufen sind die größten stabilen Systeme des Universums. Schon im
Jahr 1937 kam der gebürtige Schweizer Fritz Zwicky zu dem Schluss, dass die
sichtbaren Komponenten des Galaxienhaufens - die Tausenden von Galaxien mit
jeweils Milliarden von Sternen - nur einen kleinen Bruchteil seiner Gesamtmasse
ausmachen. Etwa 80 bis 85 Prozent ihrer Materie leuchtet nicht und bleibt daher
im Teleskop unsichtbar - die so genannte "Dunkle Materie". Sie hält mit ihren
Gravitationskräften den Galaxienhaufen zusammen und fungiert so als eine Art
Kitt. "Worum es sich dabei genau handelt, wissen wir nicht", sagt Dr. Oliver
Czoske vom Bonner Institut für Astrophysik und Extraterrestrische Forschung. "Es
gibt aber Hinweise, dass es sich um eine bislang noch unbekannte Form von
Materie handelt."
Um den rätselhaften Kitt sichtbar zu machen, greifen Astronomen zu einem
Trick: Materie kann aufgrund der Masseanziehung Lichtstrahlen ablenken - ähnlich
wie eine optische Linse. Die Forscher beobachteten daher Galaxien hinter dem
Haufen und untersuchten, wie sich ihre Form durch diesen so genannten
"Gravitationslinsen-Effekt" änderte. Ihr Kalkül: Je stärker das Bild einer
dahinterliegenden Galaxie verzerrt wird, desto größer ist die Masse, die das von
ihr ausgehende Licht auf dem Weg zum Teleskop passieren muss.
Die Idee ist an sich nicht neu, steht und fällt aber mit der Qualität der
Bilder. Selbst Teleskope auf den höchsten Berggipfeln kämpfen aber mit dem
störenden Einfluss der Erdatmosphäre. Das satellitengestützte Hubble-Teleskop
- betrieben von NASA und ESA - kennt diese Probleme nicht; es liefert daher
deutlich schärfere Aufnahmen. Die Forscher konnten so erstmals Ergebnisse einer
Computersimulation stützen, nach der die Dunkle Materie vor allem im Zentrum des
Galaxienhaufens lokalisiert ist. Manche Wissenschaftler waren bislang davon
ausgegangen, dass sich auch in den Randbezirken große "Reservoirs" unsichtbarer
Materie befinden. Außerdem scheint die Dunkle Materie gehäuft in der Nähe von
Galaxien vorzukommen, die gerade von dem Galaxienhaufen "geschluckt" werden.
"Auch Galaxien enthalten bereits Dunkle Materie", so Dr. Czoske, "sonst wäre
ihre Masse zu klein, als dass sie Sterne zusammenhalten könnte." Wird eine
Galaxie von einem Galaxienhaufen geschluckt, streift sie einen Teil der von ihr
mitgebrachten Dunklen Materie ab, der dann in den "Besitz" des Haufens übergeht.
"Wie das im Detail funktioniert, wissen wir noch nicht", gibt Dr. Czoske zu.
Weitere Beobachtungen sind aber geplant.
An den Untersuchungen waren neben dem Bonner Astrophysiker auch Forscher aus
den USA, England und Frankreich beteiligt. Die Gruppe möchte nun noch in diesem
Jahr einen zweiten Galaxienhaufen unter die Lupe zu nehmen. Dabei soll dann eine
neue Kamera des Hubble-Teleskops zum Einsatz kommen, die um den Faktor zehn
effizienter arbeitet und mit der sich die Masseverteilung noch genauer räumlich
auflösen lässt.
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