Die Materie in unserem Universum ist nicht etwa gleichmäßig im Raum verteilt,
sondern in Galaxien, Galaxienhaufen und Superhaufen konzentriert. Diese
großräumigen Strukturen scheinen im Weltall in einer Art netz- oder
wabenförmigen Struktur angeordnet zu sein. Unsere Milchstraße beispielsweise
gehört zusammen mit dem Andromeda-Nebel und rund 30 weiteren Galaxien zur so
genannten "Lokalen Gruppe", die einen Durchmesser von einigen Millionen
Lichtjahren hat. Andere Galaxienhaufen, wie beispielsweise der Coma-Haufen,
enthalten Tausende von Galaxien und erstrecken sich über mehr als 20 Millionen
Lichtjahre.
Für Astronomen sind Galaxienhaufen interessant, weil sie die massereichsten
gebundenen Strukturen im Universum darstellen. Ihre Zusammensetzung und
Verteilung im Laufe der Zeit verrät den Forschern daher einiges über die
wichtigsten kosmologischen Parameter. Ein Fünftel der im optischen Bereich nicht
sichtbaren Materie eines Galaxienhaufen liegt in Form von diffusem, heißen Gas
zwischen den Galaxien vor. Wegen seiner hohen Temperatur von einigen zehn
Millionen Grad sendet es intensive Röntgenstrahlung aus, die beispielsweise mit
dem europäischen Röntgenteleskop XMM-Newton beobachtet werden kann. Erst
im Röntgenlicht kann man die gesamten Ausmaße eines Galaxienhaufen erfassen und
die Strukturen somit auch deutlich besser entdecken.
Mit Hilfe von XMM-Newton hat nun ein europäisch-chilenisches Team von
Astronomen erstmals eine großräumige Durchmusterung des Röntgenhimmels
vorgenommen, um so die Verteilung von Galaxienhaufen im Weltall zu ermitteln.
Dank der Leistungsfähigkeit von XMM gelang es ihnen, tief ins All zu
blicken und so das Weltall zu einer Zeit zu beobachten, als es nur etwa die
Hälfte seines heutigen Alters hatte und auch deutlich kleiner war.
Um auf den Aufnahmen des Röntgenteleskops aber die Galaxienhaufen eindeutig
zu identifizieren, braucht XMM die Hilfe von bodengestützten Teleskopen:
Als einige Dutzend Kandidaten als Regionen mit erhöhter Röntgenabstrahlung
identifiziert wurden, wurden die Objekte zunächst mit dem 4-Meter
Canada-France-Hawaii Telescope auch im Optischen beobachtet. Eine
Kombination der Aufnahmen ermöglichte nun, die Haufen eindeutig zu bestimmen. Es
stellte sich heraus, dass es sich nur bei rund zehn Prozent der Kandidaten
wirklich um Galaxienhaufen handelte. Die anderen Quellen sind vermutlich
entfernte aktive Galaxien.
Ist ein Galaxienhaufen erst einmal gefunden, kommt ein anderes bodengestütztes
Teleskop zum Zug: das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte
in Chile. Mit Hilfe des Instrumentes FORS werden die einzelnen Galaxien des
Haufens analysiert und beispielsweise durch die Aufnahme detaillierter Spektren
die Entfernung der Galaxie ermittelt. Galaxien, die zum gleichen Galaxienhaufen
gehören, sollten dabei ähnliche Charakteristika haben. FORS ist für diese
Aufgabe besonders geeignet, da das Instrument Einzelspektren von im Schnitt 30
Galaxien zur gleichen Zeit aufnehmen kann. Im Herbst 2002 wurde FORS erstmals zu
diesem Zweck eingesetzt.
"Das Wetter und die Beobachtungsbedingungen waren damals einfach
ausgezeichnet", erinnert sich die französische Astronomin Marguerite Pierre. "In
nur drei Nächten konnten wir zwölf verschiedene Haufen untersuchen und erhielten
so nicht weniger als 700 Einzelspektren. Unser Plan ist voll aufgegangen: In
einer vergleichsweise kurzen Beobachtungszeit können wir sehr effizient eine
große Anzahl entfernter Galaxienhaufen nachbeobachten - ein großer Vorteil im
Vergleich zu früheren Suchen."
Mit den ersten Ergebnissen fühlen sich die Astronomen bestätigt: Ihr Plan,
schnell und effizient Galaxienhaufen aufzuspüren, ist machbar. Und auch erste
wissenschaftliche Erkenntnisse liegen vor. So scheint die Verteilung der
Galaxienhaufen vor sieben Milliarden Jahren sich nur wenig von der heutigen
Verteilung zu unterscheiden - ein Befund, der von kosmologischen Modellen
durchaus vorhergesagt wird.