MILCHSTRASSE
Neue
Satellitengalaxie entdeckt
von Stefan
Deiters
astronews.com
27. Mai 2003
Was lange
Zeit nach einer intergalaktischen Wolke aussah, entpuppte sich nach gründlichen
Beobachtungen mit dem Robert C. Byrd Green Bank-Radioteleskop als eine bislang
unentdeckte Satellitengalaxie unserer Milchstraße. Das System namens Komplex H
ist rund 100.000 Lichtjahre von uns entfernt und bewegt sich entgegen der
Drehrichtung der Milchstraße um das galaktische Zentrum.
Die Bahn von Komplex H um die Milchstraße. Zum Vergleich ist
zusätzlich der ungefähre Orbit der Sonne eingezeichnet. Weiß
dargestellt ist der sichtbare Bereich der Milchstraße, bläulich
der Halo aus Wasserstoff. Bild:
Lockman, Smiley, Saxton; NRAO/AUI [Großansicht] |
Der unerwartete Fund gelang Jay Lockman vom National Radio Astronomy
Observatory (NRAO) in Green Bank im US-Bundesstaat West Virginia. Der Forscher
entdeckte, dass "Komplex H" gerade die äußeren Bereiche unserer Milchstraße
durchläuft und sich entgegen der Eigendrehung unserer Heimatgalaxie um das
galaktische Zentrum bewegt. "Viele Astronomen dachten bislang, dass es sich bei
Komplex H um einen entfernten Nachbarn unserer Milchstraße handelt, der eine
recht ungewöhnliche Geschwindigkeit hat", erläutert Lockman. "Seine Bewegung
schien nämlich absolut in keinem Zusammenhang mit der Rotation unserer
Milchstraße zu stehen, so dass die meisten den Komplex einfach mit anderen
Hochgeschwindigkeits-Wolken in einen Topf warfen, die auch komische Bahnen
hatten."
Bei Hochgeschwindigkeitswolken handelt es sich um Gaswolken aus überwiegend
neutralem Wasserstoff, die sich in großer Entfernung von der galaktischen
Scheibe mit hoher Geschwindigkeit bewegen. Sie werden meist als Überbleibsel aus
der Entstehungszeit der Milchstraße und der anderen Galaxien der lokalen
Gruppe angesehen.
Frühere Beobachtungen von Komplex H wurden dadurch erschwert, dass sich die
Wolke zur Zeit exakt hinter der äußeren Scheibe unserer Milchstraße befindet, so
dass das Gas und der Staub in den Spiralarmen einen direkten Blick im optischen
Bereich des Lichtes unmöglich machen. Erst Beobachtungen mit dem
unlängst in Betrieb genommenen Robert C. Byrd Green Bank-Radioteleskop
konnten nun ein dichtes
Zentrum des Komplexes nachweisen, der sich in einem um 45 Grad zur galaktischen
Scheibe geneigten Orbit bewegt. Außerdem entdeckten die Forscher eine diffusere
Region um den zentralen Kern des Objektes.
"Mit Hilfe des Radioteleskops konnten wir nachweisen, dass das Objekt einen
diffusen Schweif hat, der sich in seinen Eigenschaften deutlich von dem Kern
unterscheidet", so Lockman. "Die Daten stimmen mit Modellen überein, die
für eine Satellitengalaxie die Milchstraße existieren, der sich in entgegengesetzter
Richtung um unsere Galaxie bewegt und dessen äußere Bereiche durch
Wechselwirkungen mit der Milchstraße gerade losgelöst werden, was zu dem
beobachteten Schweif führt."
Nach Ansicht der Forscher entstehen größere Galaxien wie die Milchstraße
dadurch, dass sie sich nach und nach kleinere Galaxien, Sternhaufen und
Gaswolken einverleiben. So ist es nicht ungewöhnlich, dass solche Objekte auf
einen recht ungewöhnlichen Orbit um die Milchstraße gezwungen werden. Komplex H
ist nach den neuen Daten rund 108.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum
entfernt, hat einen Durchmesser von 33.000 Lichtjahren und enthält etwa sechs
Millionen Sonnenmassen an Wasserstoff.
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NRAO, National Radio Astronomy Observatory |
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