VERY LARGE TELESCOPE
Wirklich
heiße Sterne
von
Hans Zekl
für
astronews.com
16. April 2003
Obwohl die meisten kosmischen Nebel aus Gas und Staub recht gut verstanden sind,
gibt es dennoch immer wieder einige, die nicht in das bekannte Bild passen
wollen. Neue Beobachtungen solcher Nebel mit dem Very Large Telescope der
ESO enthüllten jetzt wahre Rekordhalter: Sterne mit Temperaturen von teils über
100.000 Grad an der Oberfläche.
Der Nebel um den heißen Doppelstern AB7 in der Kleinen
Magellanschen Wolke. AB7 muss nach Berechnungen der Astronomen
eine Temperatur von bis zu 120.000 Grad an seiner Oberfläche
haben. Foto: ESO [Großansicht] |
Sterne entstehen in dunklen und kalten interstellaren Wolken, die vorwiegend aus
Wasserstoff, Staub und verschiedenen Molekülen bestehen. In ihrer Jugendphase
bringt ihre Strahlung das umgebende Gas schließlich zum Leuchten. Das
bekannteste Objekt einer solchen Sternenkinderstube ist der Orion-Nebel im
gleichnamigen Sternbild. Später am Ende ihres Daseins stoßen Sterne einen Teil
ihrer Hülle ab, die dann mit dem umgebenden Material kollidiert und es dabei
erneut zum Leuchten anregt. Die dabei ablaufenden Prozesse glaubt man inzwischen
recht gut verstanden zu haben.
Aber eine kleine Gruppe ungewöhnlich heißer Nebel gibt den Astronomen bislang
Rätsel auf. Keiner der bekannten Prozesse konnte die extremen Verhältnisse
erklären. Werden diese Nebel durch äußerst energiereiche Sterne oder
irgendwelche exotischen Objekte erzeugt?
Nun gelang es Astronomen vom Astrophysikalischen Institut in Lüttich (Belgien)
und der Universität Illinois (USA) durch Beobachtungen mit dem Very Large
Telescope der europäischen
Südsternwarte auf dem Gipfel des Paranal in den chilenischen Anden einen Teil des
Geheimnisses zu lüften. Sie untersuchten vier dieser exotischen Nebel in den
Magellanschen Wolken, zwei Zwerggalaxien in der Nachbarschaft der Milchstraße,
die etwa 200.000 Lichtjahre entfernt sind.
In drei Nebeln fanden sie in deren Zentren extrem heiße Sterne mit
Oberflächentemperaturen zwischen 90.000 und 120.000 Grad. Damit führen sie die
Hitliste heißer Sterne an. Zum Vergleich: die Sonne hat nur eine Temperatur von
etwa 5500 Grad auf ihrer Oberfläche. Neueste theoretische Sternmodelle zeigen, dass es sich bei den
jetzt entdeckten Objekten um so genannte Wolf-Rayet-Sterne handelt.
Sterne mit mehr als der zwanzigfachen Masse entwickeln danach gegen Ende ihrer
Existenz einen gewaltigen Sternwind. Ähnlich wie beim Sonnenwind werden dabei
geladene Teilchen in das Weltall geblasen. Nur sind die Sternwinde der WR-Sterne zehn
bis Tausend Millionen mal intensiver als der Sonnenwind. In
astronomisch kurzer Zeit verliert dabei ein Stern so viel Masse, dass tiefere
und heiße Schichten der Sonne freigelegt werden.
Der vierte untersuchte Nebel bleibt allerdings weiterhin rätselhaft. In seinem Zentrum befindet sich
auch kein Wolf-Rayet-Stern, sondern ein heißer junger Stern, der mit einem
kleineren und kühleren Stern ein Doppelsternsystem bildet. Um diese beiden fand
das Astronomenteam einen kleinen heißen Nebel, der aber nicht durch den heißen
Hauptstern entstanden sein kann. Möglicherweise besitzt dieser einen kleinen,
kompakten Begleiter, der zeitweise Material von den größeren absaugt. Dabei
bildet sich eine Akkretionsscheibe, die im Röntgenlicht strahlt und den inneren
Nebel zum Leuchten bringen könnte. Überraschend fanden die Forscher aber keine
Helligkeitsschwankungen in den zentralen Bereichen des Nebels, wie sie
eigentlich zu erwarten wären. Weitere Untersuchungen sind also notwendig, um dem Geheimnis auf
die Spur zu kommen.
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