In den letzten Jahren zeigte der Sternschnuppenstrom der Leoniden immer
wieder spektakuläre Schauer. Seit 1998 traten um den 17. November jedes Jahr
sehr starke Maxima auf, die 1999 und 2001 Sturmstärke mit mehreren tausend
Meteoren in der Stunde erreichten. Auch für 2002 wurden wieder zwei Meteorstürme
vorhergesagt. Erste Auswertungen bestätigen dies: das erste Maximum lieferte
Maximalraten von knapp unter 2400 und das zweite etwa 2700 pro Stunde.
Nach einer ersten Analyse von Rainer Art, V. Krumov und M. Gyssens von der
International Meteor Organization (IMO) von 86 Beobachterberichten erreichte
die Aktivität der Leoniden am 19. November 2002 gegen 5:10 Uhr MEZ bzw. um 11:50
Uhr MEZ ihren Höhepunkt. Zu ähnlichen Ergebnissen kam das Team der Leonid
Mac-Mission, das beide Maxima von einem Flugzeug aus beobachtete. Damit
traten beide Aktivitätsspitzen etwas später auf, als von vier Teams vorhergesagt
worden war (astronews.com berichtete), wobei die zeitliche Verschiebung in
beiden Fällen etwa gleich groß ist. Die genaueste Prognose gelang Jérémie
Vaubaillon und Francois Colas, deren Abweichung nur sechs bzw. drei Minuten
betrug.
Beide Maxima waren relativ schmal. Die Zeitspannen, in denen die Rate über
dem halben Maximumwert lag, betrug nur etwa 35 bzw. 30 Minuten. Die gemessene
Dauer ist nur geringfügig kürzer, als von Peter Jenniskens vorhergesagt wurde.
Zwischen den beiden Maxima verharrten die Leoniden auf einem relativ hohen
Niveau von etwa 100 bis 300. Möglicherweise waren dies die Anteile der beiden
alten Staubschweife aus den Jahren 1799 und 1833.
Das erste Maximum konnte in den frühen Morgenstunden über Europa beobachtet
werden. Leider lagen große Teile des Kontinents unter einer dichten Wolken- oder
Nebeldecke. Nur aus einigen Teilen Südskandinaviens, des Balkans, Südfrankreich
und Nordwestspanien liegen Berichte über gute Beobachtungsbedingungen vor. Die
maximale Zenitrate (ZHR) erreichte hier einen Wert von etwa 2350 Leoniden pro
Stunde. Dieser Wert gilt für einen Beobachter an einem absolut dunklen
Beobachtungsort ohne zusätzliche Lichtquellen, wenn der Ausstrahlungspunkt (der
so genannte Radiant) genau im Zenit steht. Normalerweise sind diese Bedingungen
fast nie erfüllt und die tatsächlich beobachtete Rate ist niedriger. Diesmal kam
erschwerend hinzu, dass die Leonidenmaxima kurz vor Vollmond stattfanden und der
Himmel dadurch sehr aufgehellt war. Schwächere Meteore konnten somit leicht
übersehen werden.
Der erste Schwarm enthielt zu Beginn vorwiegend hellere Leoniden, von denen
einige Leuchtspuren hinterließen, die bis zu zwei Minuten nachleuchteten.
Allerdings waren diesmal im Gegensatz zu den Vorjahren keine besonders hellen
Boliden (Feuerbälle) zu sehen. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr schwache
Meteore hinzu. Bei den Leonidenstürmen 1999 und 2001 waren deutlich mehr hellere
Leoniden zu sehen. Dieser Helligkeitseffekt ist in der ersten Analyse nicht
berücksichtigt. Es ist deshalb zu erwarten, dass eine bessere Berücksichtigung
der Helligkeitsverteilung die Maximumraten nach oben verschieben wird.
Enttäuscht wurden die europäischen Beobachter, die hofften, einige sehr lange
Leonidenspuren zu beobachten, als der Radiant über dem Horizont erschien. Dann
streifen Meteore die Erdatmosphäre und zeigen Spuren, die sich manchmal fast
über den ganzen Himmel erstrecken. Zu diesem frühen Zeitpunkt war die Aktivität
noch zu niedrig. Gegen 04:20 Uhr MEZ begannen die Leoniden in immer kürzeren
Abständen aufzutauchen. Während der maximalen Phase jagten dann oft bis zu drei
Leoniden gleichzeitig über den Himmel. Besonders eindrucksvoll war das
Schauspiel, wenn es zu kurzen kräftigen Spitzen kam, als für ein bis zwei
Minuten innerhalb einer Sekunde ständig neue Leoniden auftauchten. Dazwischen
kam es auch gelegentlich zu kurzen Pausen von bis zu drei Minuten, in denen kaum
ein Meteor zu sehen war.
Das zweite Maximum konnte über Nordamerika beobachtet werden. Es war etwas
stärker, allerdings waren hier meist nur schwächere Leoniden zu sehen.
Die Modellrechnungen lieferten gute Vorhersagen über den Zeitpunkt und die Dauer
der Leonidenmaxima, obwohl die Staubfilamente um etwa 0,0002 astronomische
Einheiten (etwa 30.000 Kilometer) von der theoretischen Lage in den Modellen
abwichen, wie Marco Langbroek von der niederländischen Meteor Gesellschaft (DMS)
herausfand. Aber offensichtlich ist die Größenverteilung der Leoniden bislang
nicht verstanden. Obwohl einige Modelle dazu Aussagen machten, stimmte keine
Vorhersage mit der Beobachtung überein.
Trotz der geringen Anzahl sehr heller Leoniden, bot sich Beobachtern, die das
Glück hatten, unter einem klaren Himmel zu stehen, ein eindrucksvolles
Schauspiel, auf dessen Wiederholung man wohl viele Jahrzehnte warten muss. Im
kommenden Jahr werden die Leoniden voraussichtlich nochmals ein Maximum zeigen,
bei dem wohl mehr als 100 Meteore pro Stunde zu sehen sein werden, aber die Zeit
der Stürme ist erst einmal vorbei.