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NOBELPREISE PHYSIK 2002
Elf
Neutrinos aus der Magellanschen Wolke
von
Hans Zekl
für
astronews.com
16. Oktober 2002
Der
Physik-Nobelpreis geht in diesem Jahr an drei Astrophysiker: Je ein
Viertel erhalten der Japaner Masatoshi Koshiba und der Amerikaner Raymond Davis
Jr. für ihre grundlegenden Arbeiten zur Erforschung kosmischer Neutrinos. Die
andere Hälfte des mit 1,1 Millionen Euro dotierten Preises geht an den
amerikanischen Physiker Riccardo Giacconi, der den
Grundstein für die Röntgenastronomie legte. astronews.com stellt die drei
Preisträger und ihre Forschung in einer kleinen Reihe vor. Heute:
Masatoshi Koshiba
Masatoshi Koshiba.
Foto:
ICEPP,
University of Tokyo |
Masatoshi Koshiba wurde am 19. September 1926 in Toyohashi, Aichi, Japan
geboren. Er studierte an der Universität Tokio. 1955 promovierte er im Alter von
29 Jahren an der Universität Rochester mit einer Arbeit über kosmische Strahlen.
Die kosmische Strahlung besteht aus energiereichen Photonen und Atomkernen, die
aus den Tiefen des Weltraums kommen. Beim Auftreffen auf die Erdatmosphäre
reagieren sie mit den dort vorhandenen Atomkernen und erzeugen eine Kaskade
kurzlebiger Sekundärteilchen, die teilweise fast mit Lichtgeschwindigkeit weiterfliegen. Damit konnte schon früher der von Einstein in der speziellen
Relativitätstheorie vorher gesagte Effekt der Zeitdilatation bestätigt werden.
Danach verläuft für ein Teilchen, das sich nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegt,
die Zeit langsamer. Für einen ruhenden Beobachter existiert es damit länger, als
es nach der klassischen Physik dürfte.
Seit damals konzentrierte sich Koshiba in seinen Arbeiten auf die Erforschung
des Universums und der Suche nach den kleinsten Teilchen. Er erbaute dazu den
Kamiokande-Detektor und dessen Nachfolger. 1987 und von 1998 bis 1999 arbeitete
er in Hamburg, Garching und Heidelberg. Neben zahlreichen wissenschaftlichen
Auszeichnungen und Ehrungen erhielt er auch das Grosse Verdienstkreuz der
Bundesrepublik Deutschland. Nach eigenem Bekunden, hatte er seit 15 Jahren auf
den Nobelpreis gehofft.
"für ihre Pionierarbeit in der
Astrophysik, insbesondere durch die Entdeckung von kosmischen Neutrinos "
(aus der Begründung des Nobelpreiskomitees)
Viele Jahre lang beschäftigte Physiker das so genannte solare Neutrinoproblem,
das darin bestand, dass die in Neutrinodetektoren gemessene Neutrinorate
nicht zu der aus den Theorien über die Energieerzeugung in der Sonne erwarteten
Anzahl von Neutrinos passte (siehe Beitrag über Raymond Davis Jr.). Waren also
die bisherigen Messungen falsch oder ungenau?
1982 begann der japanische Physiker Masatoshi Koshiba den Kamiokande-Detektor in
der Mozumi-Mine der Kamioka Mining and Smelting Co. in Kamioka-cho, Gifu,
Japan, aufzubauen. Der Detektor bestand aus einem Tank mit 3000 Liter
ultrareinem Wasser, an dessen Innenwänden etwa 1000 lichtempfindliche
Photomultiplier angebracht waren. Diese Lichtsensoren sollten das schwache blaue
Leuchten der Tscherenkov-Strahlung auffangen, die entsteht, wenn Elektronen mit
einer Geschwindigkeit größer als die Lichtgeschwindigkeit fliegen. In Wasser
bewegt sich Licht langsamer als im Vakuum des Weltalls. Das eigentliche Ziel
Koshibas war die Suche nach dem theoretisch vorhergesagten extrem seltenen
Zerfall eines Protons und damit die Bestimmung der Stabilität der Materie. Aber
1985 wurde der Detektor umgebaut und seine Empfindlichkeit erhöht, um auch
kosmische Neutrinos zu untersuchen.
Am 23. Februar 1987 wurden damit dann elf Neutrinos registriert, die bei der
Supernovaexplosion SN1987 in der 170.000 Lichtjahre entfernten Grossen
Magellanschen Wolke entstanden waren. Diese Explosion war das Ergebnis des
Zusammenbruchs eines Sterns mit der zwanzigfachen Masse der Sonne zu einem
Neutronenstern mit einem Durchmesser von etwa 20 Kilometern. Innerhalb von 20
Sekunden wurde die tausendfache Energie, die die Sonne in 4,5 Milliarden Jahren bisher
erzeugte, in Form von 1056 (eine 1 mit 56 Nullen) Neutrinos
freigesetzt. Diese Messung lieferten eine obere Grenze für die Neutrinomasse von
24 Elektronenvolt (eV) und gab den Anstoß zu intensiven Forschungen auf dem
Gebiet der Supernovae und extrem verdichteter Kernmaterie.
Die japanischen Messungen bestätigten ebenfalls die Ergebnisse von Davis.
Aufgrund der Konstruktion konnten die japanischen Forscher auch den Zeitpunkt
einer Reaktion und die Richtung der Neutrinos bestimmen. Damit wurde erstmals
bewiesen, dass die Neutrinos von der Sonne kommen.
Koshiba konstruierte schließlich den Super-Kamiokande-Detektor, der 1996 mit den
Messungen begann. Super-Kamiokande enthält 50 000 Tonnen Wasser und über 10.000
Lichtdetektoren. Seine wesentlich verbesserte Empfindlichkeit führte 2001 dazu,
Anzeichen für ein neues Phänomen zu finden, der Neutrino-Oszillation. Die
Physiker kannten bis dahin drei unterschiedliche Neutrinoarten, das Elektron-,
das Tau- und das Myon-Neutrino und ihre Antiteilchen, die alle elektrisch
neutral sind und masselos sein sollten. In der Sonne entstehen nur
Elektronneutrinos, während die beiden anderen Arten auch bei Kernreaktionen in
Beschleunigern auftreten. Neutrino-Oszillationen bedeuten aber, dass sich
Neutrinos ständig von einer Art in eine der anderen umwandeln. Allerdings müssen
Neutrinos dann eine Masse besitzen. Das heißt aber auch, dass das Standardmodell
der Elementarteilchen geändert werden muss, in dem das Neutrino masselos ist.
Damit ist auch eine Erklärung für das solare Neutrinoproblem möglich. Wenn auf
dem Weg zur Erde ein Teil der Elektron-Neutrinos sich in Tau- oder
Myon-Neutrinos umwandeln, für die die Detektoren unempfindlich sind, werden zu
wenige solare Neutrinos gemessen.
Vor einigen Wochen wurden vom Sudbury Neutrino-Observatorium in Kanada
Ergebnisse veröffentlicht, nach denen es sehr wahrscheinlich ist, dass in der
Sonne tatsächlich die theoretisch erwartete Anzahl Neutrinos entsteht. Bei diesem
Experiment wurde erstmals ein Verfahren benutzt, das anstelle von leichtem
Wasserstoff das doppelt so schwere Wasserstoffisotop Deuterium enthält. Dieser
Detektor ist auch für Tau- und Myon-Neutrinos empfindlich. Wenn diese Ergebnisse
von anderen Forschergruppen bestätigt werden, ist die Lösung für das solare Neutrinoproblem gefunden.
Die Resultate, Methoden und technischen Verfahren von Davis und Koshiba bildeten
somit den Grundstein für das völlig neue Forschungsfeld der Neutrinoastronomie,
das von großer Bedeutung für die Physik der Elementarteilchen, Astrophysik und
Kosmologie ist.
Lesen Sie
morgen:
Riccardo
Giacconi, der Vater der Röntgenastronomie
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