SUNGRAZER
Kometen zerbrechen überall
von
Hans Zekl
für
astronews.com
9. September 2002
Immer wieder konnten Astronomen beobachten, wie Kometen zerbrechen,
wenn sie sich in der Nähe der Sonne befanden. Die Forscher machten dafür innere
Spannungen und den Druck erwärmter Gase im Kometenkern verantwortlich. Nun
gerät dieses Bild ins Wanken, da neue Untersuchungen zeigen, dass Kometen
dieses Schicksal auch in den äußeren und kalten Regionen des
Sonnensystems ereilt.
Zwei Sungrazer - beobachtet von der Sonnensonde SOHO. Foto:
ESA/SOHO/LASCO |
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde eine besondere Kometenfamilie
entdeckt, deren Mitglieder auf sehr ähnlichen Bahnen der Sonne sehr nahe
kommen und dabei verdampfen. Zu Ehren des Kieler Astronomen H.C.F. Kreutz,
der 1888 den Zusammenhang erkannte, wird diese Kometenfamilie Kreutz-Gruppe
genannt. Diese Kometen gehören zur allgemeinen Gruppe der Sungrazers
(Sonnenkratzer), weil ihre Bahnen der sichtbaren Sonnenoberfläche
gefährlich nahe kommen. Die meisten sind sehr klein, wahrscheinlich
besitzen manche von ihnen einen Durchmesser von weniger als 10 Metern. Wie
auf einer Autobahn nähern sich auf fast gleichen Bahnen immer wieder neue
Mitglieder der Sonne und verdampfen schließlich über ihrer heißen
Oberfläche. Auf den Bildern der Sonnensonde SOHO, die von der europäischen
Raumfahrtagentur ESA und der NASA seit mehr als 7 Jahren gemeinsam
betrieben wird, sind mehr als 450 Sungrazers zu sehen.
Bis 1990 war nur die Kreutz-Gruppe bekannt. 95% aller SOHO-Kometen
gehörten ihr an. Die Kometen erschienen gelegentlich als Paare meist in
einem Abstand weniger Tage. Allein 2002 wurden aber drei neue Gruppen
entdeckt: die Kracht-, Marsden- und die Meyer-Gruppe. Zdenek Sekanina,
Wissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena,
Kalifornien, berichtet nun in der morgen erscheinenden Ausgabe der
Fachzeitschrift Astrophysical Journal, dass viele Sungrazers
in Schwärmen und auf parallelen Bahnen erscheinen.
Wären diese kleinen Kometen schon einmal früher in der Nähe der Sonne gewesen, hätten sie sich
damals auflösen müssen. Deshalb muss der jeweilige Mutterkomet erst nach
dem letzten Vorbeiflug begonnen haben, sich aufzulösen. Insbesondere zeigt
die Analyse der Abstände der kleinen Kometen, dass die Ursprungskometen
auch in den äußeren Bezirken des Sonnensystems ständig weiter zerbrechen. Sekanina schätzt, dass es somit möglicherweise 200.000 Sungrazer
gibt.
Damit steht diese Theorie im Gegensatz zur bisherigen Vorstellung, dass
Kometen nur in Sonnennähe zerbrechen. "Bislang haben Astronomen nicht
bemerkt, dass das Zerbrechen nach einem recht regelmäßigen Schema erfolgen
könnte. Dadurch bilden sich aus einem Kometen große Familien kleiner
Kometen. Dieser Prozess könnte ein wichtiger Abschnitt im natürlichen
Lebenslauf eines Kometen darstellen", erläutert Sekenina. Allerdings
können nicht nur Sonnenkratzer in großer Sonnenentfernung zerbrechen.
Sekanina weist auf die letzten Beobachtungen des Kometen 57P/du
Toit-Neujmin-Delporte hin (astronews.com berichtete), der außerhalb der
Marsbahn in eine kleine Kometengruppe zerfiel, die auf fast gleichen
Bahnen nun weiterziehen.
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