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CHANDRA
Erstes
Röntgenbild vom roten Planeten
Redaktion
astronews.com
29. Juli 2002
Auch unser
Nachbarplanet Mars leuchtet schwach im Röntgenbereich. Das hat ein Wissenschaftler
des Garchinger Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik jetzt mit Hilfe des NASA-Röntgenteleskops Chandra
nachweisen können. Es ist nicht das einzige Objekt im Sonnensystem dessen Röntgenstrahlung der
Forscher entdeckt hat.
Das erste Röntgenbild des Planeten Mars. Es basiert auf Daten,
die am 4. Juli 2001 mit dem amerikanischen
Chandra-Weltraumteleskop aufgenommen wurden. Foto:
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik |
Bei einem weiteren Himmelskörper unseres Sonnensystems hat Dr. Konrad Dennerl
vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München
zum ersten Mal Röntgenstrahlung nachgewiesen: Der Planet Mars glimmt als nahezu
gleichmäßig beleuchtete Scheibe im "weichen" Röntgenlicht des Energiebereichs
zwischen 100 bis 1 000 Elektronen-Volt (eV). Zusätzlich wurden Anzeichen für
einen so genannten Halo um den Mars gefunden. Dieser "Lichthof" sendet in
Entfernungen bis zu drei Radien des Planeten ebenfalls - allerdings noch
schwächere - Röntgenstrahlung aus. Erst vor kurzem hatte Dennerl auch vom
Planeten Venus stammende Röntgenstrahlung gefunden (astronews.com berichtete).
Beide Entdeckungen gelangen mit dem amerikanischen Röntgenobservatorium
Chandra. Es arbeitet seit Juli 1999 im Weltraum.
Sowohl der Mars als auch die Venus leuchten, so erläutert Dennerl, "mit
geliehener Röntgenstrahlung von der Sonne; ohne unser Zentralgestirn wäre alles
finster". Wechselwirkungen mit dem energiereichen Anteil der Sonnenstrahlung,
besonders in den oberen Schichten in mehr als 80 Kilometern Höhe der Atmosphären
um die Planeten, lassen die beiden Himmelskörper im Röntgenbereich aufscheinen.
Das geschieht hauptsächlich durch Fluoreszenz: Die Röntgenstrahlung der Sonne
reißt aus Atomen und Molekülen einzelne Elektronen heraus. Dadurch befinden sich
die Atome in einem so genannten angeregten Zustand, der allerdings nur kurze
Zeit besteht: Sofort füllen Elektronen die entstandenen Lücken wieder auf.
Dadurch kehrt das Atom in seinen Grundzustand zurück und strahlt die
überschüssige Energie ab - in Form der beobachteten Röntgenfluoreszenz.
Sie ist auf bestimmte Wellenlängen eng begrenzt und tritt somit in Form
charakteristischer Spektrallinien in Erscheinung. Diese verraten - eindeutig wie
Fingerabdrücke - die beteiligten chemischen Elemente. "Damit bietet die
Röntgenfluoreszenzstrahlung eine neuartige Möglichkeit, die äußeren Atmosphären
der beiden Planeten aus der Ferne zu erforschen", stellt Dr. Dennerl fest.
Den Mars hat Chandra am 4. Juli 2001 mehr als neun Stunden lang ins Visier
genommen. Dort tobte zu dieser Zeit ein heftiger Sandsturm, der am 26. Juni
begonnen hatte. Am 4. Juli hatte er etwa eine Hälfte des Planeten erfasst. Dies
zeigten Messungen der Staubverteilung durch den um den Roten Planeten kreisenden
Beobachtungssatelliten Mars Global Surveyor (astronews.com berichtete). Aufgrund dieser besonderen
"Wetterlage" bot sich die Gelegenheit zu einem einzigartigen Test. Eventuell
könnten unsichtbare, weil mikroskopisch kleine (10-18 Gramm) Staubteilchen, die
durch den Sturm bis in die obere Mars-Atmosphäre empor gewirbelt werden, als
Reflektoren für die Röntgenstrahlung von der Sonne wirken. Die Streuung solarer
Röntgenstrahlung an derart kleinen Staubpartikeln wird von manchen
Wissenschaftlern als Ursache für die Röntgenstrahlung von Kometen angesehen.
Doch auch als sich das Gebiet des Sandsturms vor den Augen der Beobachter
weggedreht hatte - der Mars rotiert ähnlich wie die Erde alle 24 Stunden einmal
um seine Achse - blieb die Röntgenintensität gleich: Winzige Staubpartikel waren
offenbar nicht in ausreichender Zahl in großer Höhe vorhanden, um die
Röntgenstrahlung vom Mars messbar zu beeinflussen. Die Röntgenstrahlung
vom Mars ist außerordentlich gering: Unter rund 100 Milliarden optischen
Photonen - für das menschliche Auge sichtbaren Lichtteilchen - befindet sich
gerade mal ein Röntgenquant. Während der mehr als neunstündigen Beobachtung
wurden mit Chandra insgesamt nur etwa 300
Röntgenquanten beobachtet.
Beim Mars hat der Max-Planck-Forscher außerdem eine zweite - wenn auch
wesentlich schwächere - Quelle für Röntgenstrahlung entdeckt. Sie erleuchtet
einen vom Rand bis zu drei Radien des Planeten in den Weltraum hinausreichenden
Bereich. Eine Untersuchung dieser Strahlung ist aufgrund der sehr geringen
Intensität nur eingeschränkt möglich. Es gibt jedoch eine nahe liegende Erklärung
für ihre Ursache: Hier sind es vor allem Wasserstoff- und Sauerstoff-Atome, die
aus der oberen Marsatmosphäre ins All entweichen können - und wahrscheinlich die
Ursache für das vom Roten Planeten "verschwundene" Wasser sind. Sie geraten mit
dem Sonnenwind aneinander - jener Strömung elektrisch geladener Teilchen, die von der Sonne ständig weggeschleudert werden.
Beim Aufeinandertreffen der stark geladenen Ionen des Sonnenwinds mit den
flüchtigen, elektrisch neutralen Mars-Atomen kommt es zu komplizierten
Umladungsprozessen. Dabei verlieren die Mars-Atome Elektronen an die
Sonnenwind-Ionen. Diese geraten dadurch in einen hochangeregten Zustand und
strahlen einen Teil ihrer Anregungsenergie im Röntgenbereich ab.
Solche Prozesse lassen auch Kometen im Röntgenlicht erstrahlen. An der
Entdeckung dieses Phänomens, zuerst beim Kometen Hyakutake mit dem deutschen
Röntgensatelliten Rosat im Jahr 1996, war Dr. Dennerl als Mitglied des
deutsch-amerikanischen Forscher-Teams maßgeblich beteiligt. Dieser erste Nachweis der
Röntgenstrahlung von einem Kometen galt damals als wissenschaftliche Sensation:
Denn die Entstehung von Röntgenstrahlung, so die bis dahin allgemein anerkannte
Auffassung, erfordere Temperaturen von mindesten einer Million Grad. Kometen
hingegen sind kalte Objekte und werden deswegen oft auch als schmutzige
Schneebälle bezeichnet.
Außer von Venus und Mars wurde Röntgenstrahlung in unserem Sonnensystem bislang
auch von der Sonne, der Erde, dem
Erd-Mond, dem Jupiter, von mindestens 14 Kometen sowie
möglicherweise auch vom Saturn und den Jupiter-Monden Io und Europa
nachgewiesen.
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