Radioteleskope auf beiden Seiten des Atlantiks miteinander kombiniert,
ergeben ein riesiges virtuelles Radioteleskop von mehreren Tausend Kilometern
Durchmesser. Bei 2 mm Wellenlänge wurden kürzlich verschiedene aktive
Galaxienkerne und Quasare in mehreren Milliarden Lichtjahren Entfernung
beobachtet. Die neuen Messungen erreichen mit 18 Millionstel Bogensekunden einen
neuen Weltrekord an Winkelauflösung. Damit lassen sich kleinste Strukturen in
diesen kosmisch weit entfernten Objekten untersuchen. Die erzielte Trennschärfe
ist in etwa vergleichbar mit der Fähigkeit, Radiosignale von zwei direkt
nebeneinander liegenden Handys auf dem Mond voneinander unterscheiden zu können.
Um derart hochauflösende Beobachtungen zu ermöglichen, werden weltweit
Radioantennen zu einem Riesenteleskop zusammengeschaltet. Beobachtungen mit
einem globalen Netzwerk von Radioteleskopen können seit vielen Jahren bereits im
Zentimeter-Wellenlängenbereich routinemäßig durchgeführt werden. An der
Beobachtungstechnik der VLBI (Very Long Baseline Interferometry) nimmt
auch das 100-m-Radioteleskop in Effelsberg des Max-Planck-Instituts für
Radioastronomie in Bonn regelmäßig teil, und steigert so die Messempfindlichkeit
entsprechend seiner großen Sammelfläche wesentlich.
Die vorliegenden neuen Beobachtungen bei 2 mm Wellenlänge wurden im Juli 2002
von Dr. Thomas Krichbaum vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie
stellvertretend für eine internationale Wissenschaftlergruppe mit ca. 20
Mitgliedern auf einer Tagung des Europäischen VLBI-Netzwerks in Bonn im
Gustav-Stresemann-Institut präsentiert. Zum ersten Mal wurden jetzt bei der
zuvor noch nicht beobachtbaren sehr hohen Frequenz von 147 GHz (entsprechend 2
mm Wellenlänge) kosmische Messsignale auf transatlantischen Basislinien
empfangen und ausgewertet.
Schon die VLBI-Beobachtungen im Millimeter-Bereich mit irdischen Teleskopen
liefern die schärfsten astronomischen Bilder, wesentlich schärfere Bilder als
Weltraum-VLBI oder Interferometrie mit optischen Teleskopen. Seit ein paar
Jahren werden Millimeter-VLBI Beobachtungen bei Wellenlängen bis hin zu 3 mm
schon regelmäßig durchgeführt. Diese Beobachtungen, bei denen auch das
100-m-Radioteleskop sehr erfolgreich teilnimmt, erlauben unter anderem die
Kartierung von hochrelativistischen Plasma-Jets in Galaxienkernen.
Die Beobachtungstechnik bei noch kürzeren Millimeter-Wellenlängen ist noch in
der Entwicklung und liefert mit der Erweiterung des Messbereichs hin zu 2 mm
eine nochmalige deutliche Steigerung der "Abbildungs-Schärfe" von VLBI: Durch
eine transatlantische Zusammenschaltung des 30-m-Radioteleskop auf dem Pico
Veleta in Südspanien, des 10-m-Heinrich-Hertz-Teleskop auf dem Mount Graham in
Arizona (das gemeinsam vom MPI für Radioastronomie und der University of
Arizona betrieben wird) und des 12-m-Radioteleskop auf dem Kitt Peak in
Arizona, wurden zum ersten Mal korrelierte Signale von Quasaren bei einer
Wellenlänge von 2 mm auf bis zu 8500 km langen Basislinien erhalten. Die
entsprechende räumliche Auflösung liegt bei nur 18 Mikrobogensekunden, das
entspricht dem 100millionsten Teil vom scheinbaren Durchmesser des Mondes am
Himmel. "Das ist so, als ob man zwei direkt nebeneinander liegende
Tischtennisbälle auf dem Mond deutlich getrennt sehen könnte" sagt Dr. Arno
Witzel, Forschungsgruppenleiter am MPI für Radioastronomie in Bonn.
Diese Messmethode eröffnet faszinierende Aussichten für die Zukunft: es
werden detaillierte Abbildungen der innersten Strukturen in weit entfernten
Quasaren und Aktiven Radiogalaxien möglich. In nahen Galaxien wird man auf eine
räumliche Auflösung von nur wenigen Lichttagen kommen. Damit lassen sich die
noch immer weitgehend unverstandenen Prozesse der Energieerzeugung in den
Zentren solcher "kosmischer Energie-Giganten" entschlüsseln.
Und auch in unserer eigenen Galaxie gibt es noch einiges zu entdecken: In den
25.000 Lichtjahren Entfernung zum Zentrum unserer Milchstraße käme man mit der
jetzt erreichten Winkelauflösung bis an die Innenkante der so genannten
Akkretionsscheibe, die das zentrale Schwarzen Loch umgibt. Das entspricht einer
räumlichen Auflösung von nur noch 20 Sonnendurchmessern in dieser Entfernung.
Die direkte Abbildung von Strukturen ganz nahe am Ereignishorizont schwarzer
Löcher rückt somit in den Bereich des Möglichen. "Damit könnten wir
relativistische Effekte wie die Verzerrung der Raumzeit in der Nähe von
supermassiven Schwarzen Löchern vielleicht schon in den nächsten 10-20 Jahren
direkt beobachten", so Thomas Krichbaum.