In den Schulen Nordrhein-Westfalens will man künftig mit einer ganz
neuen Methode versuchen, Schüler für die Naturwissenschaften zu begeistern.
Gleichzeitig soll dabei eine Nachweisanlage für hochenergetische Teilchen aus
dem Kosmos aufgebaut werden. Der Name des spektakulären Experiments: SkyView.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert im
Rahmen eines Verbundforschungsprojektes die erste Stufe von SkyView mit
zunächst einer Million Mark. Das Experiment ist von der Arbeitsgruppe
Astroteilchen-Physik der Universität Wuppertal initiiert worden, die auch
die Federführung hat. Die Idee hatte bereits vor einigen Jahren der im
letzten Sommer emeritierte Experimentalphysiker Professor Dr. Hinrich
Meyer.
Die Frage, woraus die hochenergetische kosmische Strahlung besteht und
woher sie kommt, ist eines der interessantesten physikalischen Probleme
überhaupt. Seit langem ist bekannt, dass wir nicht nur das Licht von
Sonne und Sternen sehen, sondern auch einer permanenten "Dusche" von
Elementarteilchen aus dem Kosmos ausgesetzt sind. Die Energie dieser
Teilchen liegt beim Milliardenfachen medizinischer Röntgenstrahlung.
Je höher die Energie ist, desto seltener werden allerdings die
einschlägigen Ereignisse. Die untere Grenze ist die Energie, die ein
Teilchen braucht, um das Magnetfeld der Erde zu überwinden. Solche
niederenergetischen Teilchen stammen aus der Sonne oder aus
Supernova-Explosionen innerhalb unserer Galaxie. Es handelt sich dabei um
Atomkerne verschiedener Massen. Je größer das Objekt ist, das bei seiner
Explosion die Teilchen beschleunigt, desto höher ist die Energie, die es
erreichen kann. Weil kleinere Sterne häufiger sind als große, müssen
niederenergetische Teilchen auch häufiger sein als hochenergetische.
Ab einer bestimmten Energie ist man sich jedoch nicht sicher, woher die Teilchen
stammen. Lange Zeit glaubte man, es gebe eine Höchstgrenze für die
Energie der Kosmischen Strahlung und diese sei durch die Häufigkeit
bestimmt, mit der die schwersten Sterne unserer Galaxie explodieren.
Hochenergetische Teilchen sollten auch dadurch seltener werden, dass sie
dem Magnetfeld der Galaxie entkommen können. Warum sind diese Teilchen
nun so interessant für die Physiker, dass man eine so riesige
Teleskopanlage benötigt?
Zunächst scheint ihre Existenz dem Lehrbuchwissen zu widersprechen: Aus
der Galaxie können die Teilchen nicht kommen, weil hinreichend kraftvolle
Quellen fehlen. Aber auch aus sehr großen Abständen nicht, weil sie
sonst ihre Energie auf dem Weg zur Erde in Kollisionen verloren hätten.
Weil die Energiedichte des Universums nach der allgemein akzeptierten
Urknall-Theorie in kosmologischer Vergangenheit mit der Zeit abnahm, sind
Erkenntnisse über die Geschichte des Universums zu erwarten. Auch über
die Astrophysik der kraftvollsten Teilchenbeschleuniger werden in einem
Energiebereich, der anderen Messmethoden nicht zugänglich ist,
Informationen gesammelt.
Wenn ein hochenergetisches Teilchen in die Atmosphäre eindringt,
wechselwirkt es mit den Atomkernen in der Erdatmosphäre. Die Kerne werden dabei
zerstört und zerfallen in sekundäre Teilchen. Da auch diese weiter
wechselwirken, entwickelt sich eine Teilchenkaskade, die lawinenartig auf
die Erde niedergeht.
Der Ursprung der kosmischen Strahlung ist weitgehend ungeklärt. Man geht
davon aus, dass die kosmischen Teilchen in den Zentren ferner Galaxien,
die unvorstellbar massive schwarze Löcher beinhalten, beschleunigt
werden. Diese seltenen Quellen sind so weit von der Erde entfernt, dass
die Teilchen einen substantiellen Teil ihrer Energie auf dem Weg zur Erde
verlieren. Teilchen mit den höchsten Energien sollten die Erde gar nicht
mehr erreichen können. Allerdings sind etwa zwanzig dieser Teilchen in den
vergangenen Jahrzehnten in verschiedenen Experimenten nachgewiesen
worden. Ihr Nachweis erfolgt über die Entdeckung von Teilchenschauern, die
in der hohen Atmosphäre ausgelöst werden und auf der Erde auf einer
typischen Fläche von mehreren Quadratkilometern auftreffen.
Je höher die Energie ist, desto größer ist die Erdoberfläche, die von
der Teilchen-Lawine bedeckt wird. In dem untersuchten Energiebereich
werden mehrere Quadratkilometer gleichzeitig mit Teilchen bedeckt. Auf
einer so großen Fläche kann stichprobenartig in Abständen von etwa einem
Kilometer getestet werden, ob und wann Teilchen niedergegangen sind. Da
die gesuchten Ereignisse nur einmal pro Quadratkilometer und Jahrhundert beobachtet werden, muss zu ihrer Erforschung eine
Luftschauernachweisanlage ("Array") von mehreren tausend Quadratkilometern
gebaut werden.
SkyView soll im Endausbau eine Fläche von 5000 Quadratkilometern erfassen
und damit etwa 5000 Mess-Stationen haben, wofür die Forscher ca. 50
Millionen Mark benötigen. Die einfachsten Nachweisinstrumente für
geladene Teilchen sind bestimmte Kunststoffmaterialien, in denen von
durchgehenden geladenen Teilchen Lichtblitze erzeugt werden. Diese
Lichtblitze können von Lichtverstärkern zu elektrischen Signalen
verstärkt werden. Ein einzelner solcher Zähler würde kontinuierlich
Signale nachweisen. Ein mit dem Internet verbundener PC leitet die
Informationen über Zeitpunkt und Größe der innerhalb einer Schule
registrierten Teilchen-Ereignisse an einen Zentralcomputer der
Universität weiter. Durch Zeitvergleich zwischen mehreren Schulen werden
die wirklich hochenergetischen Ereignisse, bei denen mehr als vier Schulen
gleichzeitig etwas gesehen haben, ermittelt. Der Computer zeigt, welche
Nachbarschulen zeitgleich von Luftschauern getroffen worden sind.
Der technische Aufbau ist pädagogisch so transparent, dass er
Schülern verständlich ist. Vielleicht wird eine benachbarte Grundschule
von einer gymnasialen Arbeitsgruppe gleich mitbetreut. Die Schüler
gewinnen einen Einblick in eine faszinierende Wissenschaft.
Die bestechende Idee der Wuppertaler Physiker: Kostengünstig ein
Großexperiment der Grundlagenforschung aufbauen. Wegen der Größe des
Experimentes kann es aber trotzdem nur international realisiert werden.
Zunächst sind Universitäten aus den Niederlanden und NRW beteiligt.
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SkyView, Homepage der
Universität Wuppertal |