An modernen Großteleskopen werden in jeder Nacht Unmengen von Daten
produziert, in denen ein beträchtliches Potential für Entdeckungen
schlummern könnte, das aber beim ersten Betrachten nicht erkannt wurde.
Mit dem Astrophysikalischen Virtuellen Observatorium soll nun eine riesige
Datenbank entstehen, die die einfache Nutzung dieser Daten ermöglicht.
Mit dem Astrophysikalischen Virtuellen
Observatorium sollen europäische Astronomen
Zugriff auf gewaltige Datenmengen erhalten.
Bild: ESA |
Unter der Bezeichnung "Astrophysikalisches Virtuelles Observatorium" (AVO)
wurde Anfang Dezember eine neue europäische Initiative gestartet, die den
Astronomen atemberaubende Möglichkeiten für neue Entdeckungen eröffnet.
Sie soll es ihnen gestatten, die Daten sowohl boden- als auch
weltraumgestützter Teleskope aus Beobachtungen über den gesamten
Wellenlängenbereich - von der hochenergetischen Gammastrahlung über das
Ultraviolett- und sichtbare Licht bis hin zur Infrarot- und Radiostrahlung
- nahtlos miteinander zu vereinen.
Ziel des AVO ist, den Astronomen sofortigen Zugriff auf die riesigen
Datenbanken zu gewähren, die gegenwärtig von Observatorien in aller Welt
aufgebaut werden und zusammen gewissermaßen einen "digitalen Himmel"
bilden. Mit dem AVO werden die Astronomen beispielsweise in der Lage sein,
die flüchtigen Spuren des Vorbeiflugs eines Asteroiden an der Erde
ausfindig zu machen, hieraus seine künftige Bahn abzuleiten und vielleicht
vor einem etwaigen Aufschlag zu warnen. Wenn ein Riesenstern am Ende
seines Lebens in einer gewaltigen Explosion - Supernova genannt -
auseinander fliegt, können sie den digitalen Himmel durchsuchen und den
Stern kurz vor seiner Explosion lokalisieren, womit sich unschätzbare
Daten in die Forschung über die Entwicklung der Sterne einbeziehen lassen.
Da moderne Observatorien den Himmel ständig beobachten, sammeln sich in
ihren Digitalarchiven pausenlos Daten an. Die Wachstumsrate ist
eindrucksvoll: Schon stehen den Wissenschaftlern viele Hundert Terabyte
Daten zur Verfügung, was Trillionen Bildpunkten entspricht. Der reale
Himmel wird in den Datenbanken digital rekonstruiert. Umfang und Vielfalt
der den Astronomen zugänglichen Daten und Informationen sind
überwältigend. Damit stellt sich das Problem, wie die Astronomen diese
Datenflut bewältigen, verteilen und auswerten können. Die Antwort bietet
das Astrophysikalische Virtuelle Observatorium, das den Himmel "online"
erschließt.
Die AVO-Initiative ist ein von der Europäischen Kommission im Rahmen
ihres Programms für Forschung und Technologische Entwicklung (FTE)
finanziertes dreijähriges Vorhaben zur Auslegung und Implementierung eines
virtuellen Observatoriums für die europäischen Astronomen. Die Kommission
hat hierfür einen Vertrag im Wert von 4 Millionen Euro vergeben, der seit
15. November 2001 läuft. Das AVO soll die Software-Werkzeuge
bereitstellen, die Astronomen über das Internet den Zugriff auf Archive
mit Daten unterschiedlicher Wellenlängenbereiche ermöglichen und sie somit
in die Lage versetzen, unter Durchsuchung des digitalen Himmels
grundlegende Fragen über das Universum zu lösen. "Reale"
Himmelsdurchmusterungen vergleichbaren Umfangs wären nicht nur sündhaft
teuer, sondern würden auch viel zu lange dauern.
Die Notwendigkeit virtueller Observatorien wurde auch von den
Astronomen in anderen Teilen der Welt erkannt. Die Nationale
Wissenschaftsstiftung in den USA hat 10 Millionen US-Dollar (11,4
Millionen Euro) für ein Nationales Virtuelles Observatorium (NVO)
bereitgestellt. Das AVO-Projektteam hat enge Verbindungen zum NVO-Team
geknüpft, und jedes Team ist in den Ausschüssen des anderen vertreten.
Sowohl seitens des NVO als auch des AVO sind sich die Astronomen bewusst,
dass das Konzept des virtuellen Observatoriums an sich keine Grenzen kennt
und alle Astronomen auf ein wahrhaft weltumspannendes virtuelles
Observatorium hinarbeiten sollten, das dank der Fülle astronomischer Daten
in der wachsenden Zahl erstklassiger internationaler astronomischer
Archive wissenschaftliche Forschung in völlig neuem Maßstab gestatten
dürfte.
Am AVO sind sechs Partnerorganisationen unter der Federführung der
Europäischen Südsternwarte (ESO) in Garching bei München beteiligt. Die
anderen Partner sind die Europäische Weltraumorganisation (ESA), das
britische ASTROGRID-Konsortium, das vom französischen CNRS unterstützte
Centre de Données Astronomiques de Strasbourg (CDS) an der
Louis-Pasteur-Universität Straßburg, das ebenfalls vom CNRS unterstützte
TERAPIX-Datenzentrum am Institut für Astrophysik in Paris und das Jodrell
Bank Observatory an der Universität Manchester.
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