Der Erdmond hat die Menschheit seit
Urzeiten fasziniert und bis heute gibt seine Entstehung der Wissenschaft
Rätsel auf. Inzwischen gehen Forscher davon aus, dass er durch
eine gewaltige Kollision der Protoerde mit einem anderen Planeten
entstand. Dieser Kollisionspartner, so ergaben jetzt Forschungen an der
ETH Zürich, könnte der Erde sehr ähnlich gewesen sein und die Sonne auf einer
fast gleichen Bahn umkreist haben.
Verdankt der Mond seine Existenz dem Ende einer zweiten Erde?
Foto:
NASA/ETH
Zürich |
Das Forscherteam von der Isotopengeologie der ETH Zürich hat für die in der
aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Science präsentierten
Resultate insgesamt 31 Proben von verschiedenen Mondgesteinsarten verwendet, die
von den Apollo-Missionen 11, 12, 15, 16 und 17 stammen. In diesen Proben wurde der Gehalt der von drei verschiedenen
Sauerstoff-Isotopen ermittelt. Die eingesetzte Methode der Laser-Fluorination
ist
in den 90er-Jahren entwickelt worden und zeichnet sich durch eine um etwa den Faktor 10 verbesserte Messgenauigkeit im Vergleich zu früheren
Methoden aus. Der Gehalt der Sauerstoffisotope in Mondgestein ist bereits
früher untersucht worden. Die neue Methode hat jedoch die ETH-Forscher
veranlasst, dies noch einmal zu tun. Die Resultate haben dann die Forscher
erstaunt. Uwe Wiechert, Oberassistent an der ETH Zürich und Erstautor des
Science-Artikels, meint dazu: "Wir wollten untersuchen, wie homogen der
Mond ist oder ob noch Teile der Protoerde und des Kollisionsplaneten
festzustellen sind. Wir haben schon vorher gewusst, dass die Erde und der
Mond eine sehr ähnliche Isotopenzusammensetzung haben. Wir hätten aber
nie erwartet, dass sie identisch ist."
Die Zusammensetzung der
Sauerstoff-Isotope
kann dafür verwendet werden, um festzustellen, woher Gesteine aus
dem Sonnensystem stammen, da die Isotope ungleichmäßig im
Sonnensystem verteilt sind. Haben zwei Gesteine eine identische
Zusammensetzung, dann kommen sie mit großer Wahrscheinlichkeit vom
selben Mutterkörper. Die Meteoriten vom Mars haben beispielsweise eine
charakteristische Isotopenzusammensetzung, die sich von Erde, Mond und
anderen Körpern in unseren Sonnensystem unterscheidet. Haben aber zwei
große Körper wie Erde und Mond eine identische
Isotopenzusammensetzung, sind sie aus einem identischen Mix an
Komponenten und damit in einem sehr ähnlichen Abstand zur Sonne
entstanden.
Die Theorie des Giant Impact, das heißt eines Rieseneinschlags, ist seit über
einem Jahrzehnt in der Fachwelt bekannt und wird heute weit akzeptiert, da
mit ihr sowohl die geringe Dichte des Mondes wie auch das spezielle
Drehmoment des Erde-Mond-Systems erklärt werden kann. Die Theorie geht davon aus, dass rund 50 Millionen Jahre nach der Geburt des
Sonnensystems ein etwa Mars-großer Planet - Theia genannt, nach der
Mutter der Mondgöttin Selene in der griechischen Mythologie – mit der
Protoerde kollidierte. Die Protoerde war zu diesem Zeitpunkt bereits in einer
späten Phase der Entstehung und hatte eine Masse, die etwa 90% derjenigen
der heutigen Erde entspricht. Die Kollision muss wegen der enormen Masse
der beteiligten Körper außerordentlich energiereich gewesen sein. Die Erde
ist dabei vermutlich geschmolzen und zu größeren Teilen sogar verdampft.
Die Trümmer der Kollision bildeten eine Scheibe um die Erde, woraus sich
der Mond formte. In der Folge entfernte sich der Mond immer weiter von der
Erde weg und bremste zudem die Erdrotation. Diese Prozesse dauern auch
weiterhin an.
Die nun in Science vorgestellten Resultate stimmen einerseits sehr gut
mit der Theorie vom Giant Impact überein. Anderseits liefert die praktisch
identische Zusammensetzung der Sauerstoff-Isotope einen starken Hinweis
dafür, dass sich Protoerde und Theia aus demselben Mix an Komponenten
gebildet hatten und die Sonne vermutlich in einem sehr ähnlichen Abstand -
wie Zwillingsplaneten - umkreisten. Eine andere Erklärung wäre, dass der
Mond und die heutige Erde jeweils etwa gleiche Anteile von der Protoerde
und von Theia bekommen hätten. Computersimulationen über den Giant
Impact widerlegen jedoch diese Hypothese. Sie zeigen, dass sich der Mond
vor allem aus dem Silikatmantel von Theia gebildet haben muss.
Die Kollision zweier Körper mit ähnlicher Umlaufbahn ist gemäß heutigem Wissen
über die Entstehung der Planeten im Sonnensystem kein überraschendes Ereignis.
So bilden sich Planeten in drei Stufen. In der letzten Stufe können sie nur noch
wachsen, indem sie mit anderen Planeten kollidieren, die eine ähnliche
Umlaufbahn haben.
Wenn Mond und Erde aus identischem Material bestehen, stellt sich natürlich die
Frage, warum die beiden Himmelskörper heute so unterschiedlich sind. So ist die
Erde zum Beispiel größtenteils von Wasser bedeckt, während man auf dem
Mond fast kein Wasser findet. Mit der Frage nach dem Ursprung des Wassers auf der Erde
beschäftigt sich denn auch das Forscherteam an der ETH. Es gibt
verschiedene Theorien zum Ursprung. Eine davon geht z.B. davon aus, dass
das Wasser von einem Körper aus dem Asteroidengürtel stammt. Dazu Uwe Wiechert:
"Es gibt verschiedene Theorien über den Ursprung des Wassers.
Spannend wäre es, das kürzlich auf dem Mond gefundene Wassereis zu
untersuchen und dieses mit irdischem Wasser zu vergleichen. Wir gehen
zwar heute davon aus, dass das Wasser, das man auf dem Mond gefunden
hat, durch den Sonnenwind gebildet worden ist, aber vielleicht gibt es auch
dort noch eine Überraschung." Eine solche Probe müsste allerdings zuerst
auf dem Mond geholt werden.