In den letzten Wochen und Monaten legten zahlreiche
Beobachtungen nahe, dass sich viele entfernte Galaxien nur deswegen
voneinander unterscheiden, weil wir unterschiedliche Blickwinkel zu ihnen
haben. Jetzt glaubt ein Wissenschaftler von der amerikanischen Johns
Hopkins Universität, dass es bei so genannten Seyfert-Galaxien tatsächlich
Unterschiede geben könnte: Etwa die Hälfte scheint ein weniger aktives
Schwarzes Loch zu haben.
Seyfert-Galaxien gehören neben den Quasaren zu den
hellsten Objekten im entfernten Universum. Man vermutet in ihrem
Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch, das ständig Gas und
Sterne verschlingt und dabei Unmengen von Energie abstrahlt. Dies
sorgt für ein charakteristisches Aussehen der Seyfert-Galaxien
besondern im Röntgenbereich des Spektrums. Manchmal jedoch scheint
die Strahlung, die aus der zentralen Region der Galaxien stammt,
verdeckt zu sein: Astronomen unterscheiden deswegen zwischen Seyfert
1 und Seyfert 2-Galaxien. Die Unterschiede erklärten sich die
Astronomen bislang recht einfach: Die Galaxien sind von einer ringförmigen
Staubwolke umgeben und - je nach Blickrichtung - schaut man direkt auf das
Schwarze Loch, quasi durch die Öffnung im Ring, oder aber durch den Staub
des Ringes hindurch.
Hien D. Tran, Wissenschaftler an der Krieger School of Arts and
Science der Johns Hopkins Universität, schickt sich nun an mit seiner
Untersuchung diese schöne Theorie zu stören: Bei etwa der Hälfte der
Seyfert 2-Galaxien, bei denen Astronomen annehmen, dass sie durch einen
Staubring verdeckt sind, fand Tran starke Hinweise darauf, dass dass das
zentrale Schwarze Loch deutlich weniger aktiv ist als bei den anderen.
Wenn sich das bestätigt, würde dies nicht nur das Einheitsmodell stören,
sondern hätte auch Auswirkungen auf eine Reihe von Theorien über
Galaxienentstehung, die nach Ansicht vieler Forscher mit der Aktivität des
Schwarzen Lochs im Zentrum zusammenhängt.
Tran ist sich daher sicher, dass seine Ergebnisse erst einmal von
vielen Kollegen bezweifelt werden: "Das ist zu erwarten, wenn man etwas
veröffentlicht, das einer seit langer Zeit gültigen Standardtheorie
widerspricht", so der Forscher. Dabei ist das Material von Tran durchaus
beeindruckend: Über sieben Jahre lang hat er Daten von 50 Seyfert
2-Galaxien zusammengetragen und versucht herauszufinden, wie groß der
Anteil des Lichtes ist, der durch Staub reflektiert wird. Bei rund der
Hälfte entsprach das reflektierte Licht in etwa dem, was man auch bei
Seyfert 1-Galaxien erwartet und passte daher ins altbekannte Modell. "Die
andere Hälfte der Seyfert 2-Galaxien passte allerdings überhaupt nicht",
so Tran. "Ein vergleichbare Aktivität des Schwarzen Lochs ließ sich nicht
feststellen."
Tran nannte die auffälligen Seyfert 2-Galaxien "reine" Seyfert
2-Galaxien und bestätigte deren Besonderheit auch noch durch zusätzliche
Tests, die alle für Trans These sprechen, dass die "reinen" Seyfert
2-Galaxien über ein weniger aktives Schwarzes Loch verfügen. Allerdings
räumt der Forscher ein, dass vor einem endgültigen Befund noch weitere
Beobachtungen nötig sind, um auch andere mögliche Erklärungen
auszuschließen. Die Einheitstheorie ist also noch nicht widerlegt.