KOMETEN
LINEAR-S4
und die Entstehung des Lebens
von Stefan
Deiters
astronews.com
18.Mai 2001
Im letzten Sommer begeisterte das dramatische Ende des Kometen
LINEAR-S4 Astronomen auf der ganzen Welt - jetzt könnte der
auseinandergebrochene Komet auch helfen, eine faszinierende Theorie zu
bestätigen: Wissenschaftler fanden nämlich erste Beweise dafür, dass in
LINEAR-S4 tatsächlich eine beträchtliche Menge an Wasser enthalten war.
Kometen könnten also tatsächlich für den größten Teil des Wassers und
vielleicht auch für das Leben auf der Erde verantwortlich sein.
Eine
Detailaufnahme
des Kometen LINEAR-S4 am
5. August 2001 mit dem
Hubble-Weltraumteleskop aufgenommen. Foto: NASA, Harold Weaver und das HST
Comet LINEAR Investigation Team. |
D as
dramatische Auseinanderbrechen des Kometen LINEAR-S4
im
Juli 2000 zählt sicherlich zu den - wenn auch unerwarteten -
astronomischen Highlights des letzten Jahres. Schon Anfang Juli
2000
konnten die Wissenschaftler auf LINEAR-S4, der
sich - für Amateurastronomen enttäuschend - weitaus weniger
leuchtkräftig präsentierte als gehofft, einen Ausbruch beobachten. Dann,
als er am 26. Juli die Sonne umrundete, verschwand der Kometenkern
plötzlich vollständig.
LINEAR-S4
war in kleine Einzelteile auseinandergebrochen und mit dem Hubble-Weltraumteleskop
waren später mindestens 16 "Minikometen" auszumachen, die alle
einen kleinen Schweif aufwiesen.
Durch das
Auseinanderbrechen hatte der Botschafter vom Rand des Sonnensystems quasi
sein Innerstes offenbart und dies praktisch vor unserer Haustür. Gleich
mehrere Forscherteams machten sich daher daran, die Zerfallsprodukte zu
analysieren und haben jetzt im Wissenschaftsmagazin Science ihre
Ergebnisse präsentiert. So ergab beispielsweise eine Analyse der
Zusammensetzung des Kometen, dass LINEAR-S4 - als erster Komet - genau
über die Mischung verfügte, die es erlauben würde, exakt das Wasser auf
die Erde zu liefern, was wir heute in den Ozeanen finden. Und vielleicht
nicht nur Wasser: "Die Idee, dass Kometen quasi das Leben auf der
Erde gesät haben, indem sie Wasser und wichtige Moleküle geliefert haben
ist schon recht aufregend", so Dr. Michael Mumma vom NASA Goddard
Space Flight Center. "Zum ersten Mal haben wir nun hier einen
Kometen gesehen, der exakt die richtige Zusammensetzung hatte, um genau
das zu tun."
In einer
anderen Untersuchung wurde die Wassermenge ermittelt, die ein Komet vom
Typ LINEAR-S4s hätte zur Erde liefern können: Die Größe des
Kometenkern schätzen die Forscher auf einen Durchmesser von 750 bis 1.000
Meter und
glauben dass er so 3,3 Millionen Tonnen Wasser
enthalten
könnte. Die Erkenntnisse gelangen mit Hilfe der Weltraumobservatorium
SOHO, mit dem der Wasserdampf analysiert wurde, den LINEAR-S4 ins All
verdampfen ließ.
Mit Hilfe des Hubble-Weltraumteleskops
und des Very Large Telescopes (VLT) der Europäischen
Südsternwarte beobachtete ein weiteres Team die Fragmente des Kometen. Zu
ihrer Überraschung sind sie weitaus kleiner als vermutete und die Frage
ist, wo das Material hin ist, das in der Bilanz des Auseinanderbrechens
fehlt. Vielleicht, so eine Vermutung der Forscher, sind es sehr viel
kleinere Fragmente, die mit optischen Teleskopen nicht aufgespürt werden
können. Dies hätte interessante Folgen für die Theorie über den Aufbau
von Kometen: Bislang war man eher davon ausgegangen, dass sich die Kern
von Kometen im wesentlichen aus etwa Fußballfeld-großen Fragmenten
zusammengesetzt sind - in Übereinstimmung mit Theorien über die
Entstehung des Sonnensystems. Diese Brocken hatten Hubble und das
VLT auch gesehen, nur eben nicht genug.
Auch warum
LINEAR-S4 überhaupt auseinandergebrochen ist, ist bislang ungeklärt. Und
so sehr die Forscher sich über die Möglichkeit des Studiums dieses
Kometen freuten, der sich ja immerhin vor rund 4,6 Milliarden Jahren
gebildet hat und nun vor ihren Augen auseinander fiel, warnen sie auch:
Man könnte ja schließlich auch einen absolut untypischen Kometen vor
sich haben.
Zur Zeit ist
LINEAR-S4 nicht mehr als eine Wolke von Trümmern, die auf einer langen
Bahn um die Sonne zieht. Für einen Umlauf benötigen sie etwa 60.000
Jahre. LINEAR-S4 wurde vom automatischen Lincoln Near Earth Asteroid
Research (LINEAR) Teleskop entdeckt und hat daher seinen Namen. Das
Teleskop soll eigentlich nach erdnahen Asteroiden suchen.
|