Du könntest Dir also beispielsweise überlegen, wie Du gerne behandelt werden würdest, wenn Du unverschuldet (z.B. wegen einer langanhaltenden Krankheit) in Schwierigkeiten (Armut) oder sogar Obdachlosigkeit geraten würdest.
Hallo Bernhard,
wenn das passiert ist ohnehin sch**sse, dann ist eben der Abstieg in die Sozialhilfe mit allen Konsequenzen erfolgt. Dann hat man ein Leben lang gearbeitet und die Früchte davon ernten andere. Es macht aber meines Erachtens wenig Sinn, sich darüber den Kopf zu zermartern. Ich habe auch schon einmal die Stelle verloren, als mein Arbeitgeber von einer anderen Firma in den Ruin getrieben wurde, und die bevorstehende Arbeitslosigkeit fühlte sich wirklich sehr sehr schlecht an. Diese andere Firma hat 15 Betroffene übernommen, 2 weitere Betroffene wurden gruppen-intern übernommen, alle anderen mussten zur Regionalen Arbeitsvermittlung. Ich hatte Glück und war einer der beiden, die gruppen-intern übernommen wurden.
Du wirst dabei hoffentlich schnell entdecken, dass hier insbesondere Kommunikation und finanzielle Unterstützung weiterhelfen können.
Das sind schöne Worte, doch habe ich während meiner "christlichen Karriere" auch einiges erlebt. An Kommunikation ist eigentlich niemand wirklich interessiert, d.h. wenn die dann "kommunizieren", so dient das ausschliesslich dem Zweck "mehr Geld". Hier wiederum gibt es drei Typen Vorgehensweise: die einen nehmen jede Gabe dankbar an, Gruppe 2 nimmt nur Scheine, also keine Münzen, und Gruppe 3 will gar kein Geld, sondern dass man ihnen zuhört. Dieses "Zuhören" dient indes ausschliesslich dem Zweck, dass sie eine Story erzählen, die so schlimm ist, dass man sich sehr mies fühlt und die gewünschten 200 Franken aushändigt. Eine Freundin von mir aus dem Studentenheim ist diesem Typen auch begegnet und hat ihm ebenfalls die 200 Franken gegeben. Einige Monate später ist der Typ mir erneut begegnet und hat die identisch gleiche Story noch ein zweites Mal aufgetischt, an derselben Stelle hat er wieder geweint usw. Warum auch nicht: solange es für ihn keine Konsequenzen hat geht der ja kein Risiko ein.
Ein anderer kam ins Büro eines etwas naiven Jesuitenpaters und sagte dem: "bitte erklären Sie mir das Evangelium". Begeistert hat der Jesuitenpater dies getan, Exegese betrieben mit allem Drum und Dran und ihm nach einer Stunde noch 20 Franken mitgegeben. Heute weiss ich, dass der Typ nur auf die 20 Franken aus war und den Rest halt hat über sich ergehen lassen. Ein älterer Jesuitenpater hat das geschickter angestellt: wenn der Typ kam – pro Woche einmal, dann hat er ihm die Hand gegeben mit den Worten "Schön dass Sie da sind" und sofort danach "Auf Wiedersehen"; und in seiner Hand war ein "Foifliber", also eine 5 Franken-Münze. Eine win-win-Situation: der eine hatte sein Geld und der andere konnte sich den Kommunikationsaufwand ersparen.
Einmal habe ich einem 50 Mark gegeben, worauf der mich sofort ausgelacht hat, wie dumm ich bin, das Geld hat er aber behalten.
Natürlich gibt es auch andere Erfahrungen; so habe ich einmal einen blutüberstömten Mann vor meiner Haustüre angetroffen, der offensichtlich stock-betrunken gestürzt und nicht mehr auf die Beine gekommen ist. Den hat dann die Polizei in die Obdachlosenunterkunft mitgenommen und dem habe ich auch 50 Mark mitgegeben, für den Fall, dass er die braucht. Das war noch zu Zeiten, in denen man für einen Polizeieinsatz nichts zu bezahlen brauchte, d.h. diese 50 Mark konnte der Mann für sich selber nutzen. Der wollte die übrigens gar nicht, aber ich konnte ihn überzeugen, dass er die vielleicht brauchen wird. Das waren 50 Mark, die ich auch nie bereut habe.
Und einmal habe ich bei der Wallfahrtskirche Birnau am Bodensee an einem Sonntag Abend zwei ältere Damen angetroffen, die eine schwer zu Fuss und die andere hat sie begleitet. Die beiden hatten mit einem Bus eine Reise dorthin unternommen und nun war der Bus ohne sie wieder zurückgefahren. Als "wandelnder Fahrplan" war mir sofort klar, was das bedeutet, und ich habe die sofort zur nahegelegenen Bushaltestelle gebracht und denen gesagt, die sollen nun nach Friedrichshafen und von dort mit dem Zug – vermutlich dem letzten - nach Stuttgart fahren. Und denen habe ich alles Geld mitgegeben, was ich bei mir hatte, damit sie die Tickets kaufen können, telefonieren und ggf. ein Taxi bestellen. Das war denen zwar sehr peinlich, aber ich habe denen gesagt, dass mein Geld jetzt nicht das Problem sei, sondern dass sie wieder nach Hause kommen. Zudem bestand natürlich keinerlei Zweifel, dass die mir das Geld wieder zurück überweisen würden, was dann verbunden mit einer sehr netten Dankeskarte sowie einem Telefonanruf der Tochter auch geschah.
Verweigert man diese Dinge prinzipiell muss man sich wohl oder übel als hartherzig bezeichnen lassen und im Neuen Testament gibt es dazu ja auch mehr als eine bildhafte und direkte Beschreibung. Es bleibt meiner Meinung nach trotzdem ein Gewissensentscheid.
Es gibt schöne Erlebnisse und das werde ich auch gerne weiterhin so handhaben, aber die meisten waren unschön. Ich denke, eine Einzelperson ist gar nicht in der Lage, sinnvoll zu helfen, d.h. ich habe mir angewöhnt, in der Kirche ein bisschen grosszügiger zu spenden und es der Kirche zu überlassen, wo sie die Spendengelder einsetzen möchte. Ein Bettler bekommt eine kleine Münze, aber mehr nicht, und falls er eine Story hat, so höre ich sie mir schon seit langer Zeit nicht mehr an.
Freundliche Grüsse, Ralf