Landen ohne Umwege

Dgoe

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Hallo zusammen,

ich hätte da eine Frage: Angenommen man wollte auf einem Planeten wie Mars landen, ohne zuvor in einen Orbit einzuschwenken, um danach in die Atmosphäre einzutauchen, stattdessen geradeaus mittig auf den Planeten zusteuern. Wie groß wäre der Energiebedarf bzw. der nötige Schub, um das Gefährt so abzubremsen, dass es ohne zu zerschellen auf der Oberfläche aufsetzt?

Je mehr Brems-Schub (klassisch) man braucht, desto größer die Masse, also mitzubringender Treibstoff, was wiederum den nötigen Schub zum Abbremsen erhöht.

Davon verspreche ich mir, dass anschaulich darstellbar wird, warum man es eben nicht so macht. Vielleicht gibt es auch noch andere Gründe?

Gruß,
Dgoe
 

Herr Senf

Registriertes Mitglied
... , ohne zuvor in einen Orbit einzuschwenken, ... , warum man es eben nicht so macht.

Hallo Dgoe,

der "Regelfall" ist eher die Direktlandung (man spart sich Umwege oder eine Vorbeiflugpanne), z.B. ist Curiosity direkt gelandet.
Landesonden verfügen über eine Marschstufe für unterwegs um den Landeort anzupeilen, die wird "weit" über dem Planeten abgetrennt.
So ist es auch bei den kombinierten Missionen, der Lander trennt sich lange vorher vom Orbiter und nimmt Direktkurs, nur der Orbiter schwenkt ein.

Alle Apollos sind ja auch direkt zur Erde zurückgeflogen, nur am Mond war's anders, das Mutterschiff wartete im Orbit auf das Rückkehrmodul.
Die ersten Mondsonden Luna und Surveyer sind auch direkt gelandet, die Lunochods und die Probenrückkehrer aber mit Parkorbit.
Die überschwenglichen Planungen von SpaceX für eine ganz baldige bemannte Marslandung sehen auch die Direktlandung ohne Orbit vor.

Die Frage ist weniger der Treibstoff als ein vernünftiges Missionsprofil und besonders die Zeitkomponente. Um Treibstoff beim Einschwenken
zu sparen, nimmt man einen hochelliptischen Orbit, und "schraubt" die Bahn runter durch Atmosphärenbremsung, das dauert 1 Jahr.
Das lohnt sich aber nur für Orbiter (mehr wissenschaftliche Nutzlast gegen Treibstoff), nicht für die Lander.

Grüße Dip

Schau mal bei raumfahrer.net vorbei, die haben schon öfters solche Varianten diskutiert. Ich trau mich dort nicht - die sind viel zu gut.
 

Dgoe

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Hallo Dip,

Thx for reply. Aber ich glaube an ein Missverständnis wg meiner irreführenden Wortwahl. So ein Lander mag ja auch parabolisch oder so "direkt" runtergehen, ohne erst einem stabilen Orbit zu genügen. Er schwenkt aber so ein, dass es ein Stückchen weit um den Plani herumgeht, permanent Höhe verlierend sozusagen, schräg in die Atmosphäre eintauchend, nicht senkrecht (im 90 °-Winkel) zur Oberfläche.

Letzteres (senkrecht) meine ich aber. Also Du befestigst eine Weihnachtskugel an einem Bindfaden und hängst sie auf. Der Bindfaden soll die Trajektorie eines Landers sein.

Voll mittig auf Kollisionskurs halt. Zumindest dachte ich, dass man es nicht so macht...

Gruß,
Dgoe
 
Zuletzt bearbeitet:

Herr Senf

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... Letzteres (senkrecht) meine ich aber. ... Zumindest dachte ich, dass man es nicht so macht...
Sollte man wirklich nicht so machen:

Man fliegt von der Erde mit 11 km/s ab und kommt beim Mars aus bahnmechanischen Gründen nicht unter 5 km/s an.
Die muß man kompensieren, egal ob man radial direkt runter geht oder tangential anfliegt.
Die untere Marsatmosphäre entspricht etwa der Bremswirkung auf der Erde in 35 km Höhe, bremsen tut's ab etwa 120 km.
Bei einem "zentralen" Eintritt würde es dem Lander unten eher zu heiß, man müßte einen unnütz schweren Hitzeschild mitschleppen.
Also wählt man eine optimierte Trajektorie, oben ein bißchen tangential mit Schutzschild Geschwindigkeit abbauen und Fall einleiten.
Um Treibstoff zu sparen noch ein Stückchen mit Fallschirm, oder gleich aus 1 - 2 km mit Triebwerk.

Wenn du einen Orbit "zwischenschaltest", hat der Hitzeschild zwar weniger zu tun, aber es wird zusätzlich Treibstoff gebraucht.
So hat man es bei den Vikingsonden gemacht, weil es noch keine Detailkarten gab, man mußte aus dem Orbit erst einen Landeplatz suchen.

Gruß Dip
 

Bynaus

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Mit anderen Worten: irgendwie muss die Geschwindigkeit von 5 km/s vernichtet werden. Wenn nicht mit Raketen (weil extrem Treibstoff-Intensiv), dann mit Bremsen gegen die Atmosphäre - aber dieser Bremsweg ist gerade dann am kürzesten (sprich: das Bremsen am ineffizientesten) wenn man senkrecht in die Atmosphäre einsteigt. Deshalb macht man das nicht so.
 

Dgoe

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Mit anderen Worten: irgendwie muss die Geschwindigkeit von 5 km/s vernichtet werden. Wenn nicht mit Raketen (weil extrem Treibstoff-Intensiv), dann mit Bremsen gegen die Atmosphäre - aber dieser Bremsweg ist gerade dann am kürzesten (sprich: das Bremsen am ineffizientesten) wenn man senkrecht in die Atmosphäre einsteigt. Deshalb macht man das nicht so.
Dafür muss man aber auch ein Hitzeschild mitschleppen. Wie sieht es mit einem nuklearen Antrieb aus, rein hypothetisch? Bremsen und Landen auf kürzestem Wege.



ich bin mir auch nicht sicher, wie sinnvoll deine Eingangsfrage wirklich ist. Schliesslich macht man es definitiv anders.
Weil man es anders macht, ist die Frage sinnlos?

Gruß,
Dgoe
 

galileo2609

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Hallo Dgoe,
Weil man es anders macht, ist die Frage sinnlos?
in gewissem Sinne schon. Schliesslich hat man sich das überlegt. Ansonsten gilt halt die Raketengrundgleichung und die Visualisierung in Hergés Vision Objectif Lune und On a marché sur la Lune. Senkrecht kommen aber auch Tim, Struppi, Haddock etc. eventuell nicht runter. Immer eine Frage des Bezugssystems.

Grüsse galileo2609
 

Dgoe

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Angenommen man will 50 Ladungen Material an einem Ort landen, zum Beispiel bevor Menschen landen. Wäre so ein direkter Abstieg, mit ebenfalls noch möglichen Korrekturen währenddessen, nicht viel zielgenauer, als die schräge Variante?

Gruß,
Dgoe
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Dafür muss man aber auch ein Hitzeschild mitschleppen. Wie sieht es mit einem nuklearen Antrieb aus, rein hypothetisch? Bremsen und Landen auf kürzestem Wege.

Mit einem nuklearen Antrieb ist es dasselbe, bloss ein bisschen schwieriger (Antrieb ist schwer, benötigt zusätzliche technische Entwicklung, und will man wirklich mit einem nuklearen Antrieb in eine Atmosphäre eintreten und sich einer Oberfläche nähern?) oder ein bisschen weniger schwierig (Antrieb ist effizienter = höherer spezifischer Impuls, braucht deshalb weniger Treibstoff für gleiche Geschwindigkeitsveränderung), je nach dem welchen Punkt man hervorheben will.

Ich finde die Frage nicht sinnlos - ja, man macht es anders, und ja, dafür gibts sicher einen guten Grund, aber warum man es anders macht, ist doch interessant zu wissen.

Der effizienteste Ansatz wäre wohl ein hybrider chemisch-elektrischer Antrieb: zuerst (im Erdorbit) nutzt man einen solar-elektrischen Antrieb, um auf eine sehr elliptische Bahn nahe der Fluchtgeschwindigkeit zu kommen (hier muss die allfällige Besatzung und/oder Elektronik allerdings vor der Strahlung in den Van-Allen-Gürteln geschützt werden). Dann wirft man den solar-elektrischen Antrieb ab, der darauf mit dem verbleibenden Treibstoff in eine tiefe Erdumlaufbahn zurückkehrt (zur Wiederverwendung). Im letzten Periheldurchgang feuert das chemische Triebwerk (Oberth-Effekt) und kickt das Raumschiff in den interplanetaren Raum. Darauf folgt der (antriebslose) Flug durch den interplanetaren Raum. Das Raumschiff streift dann die hohe Atmosphäre des Zielplaneten so, dass es zuerst in eine langgestreckte, elliptische Bahn eingebremst wird. Weitere Durchflüge der hohen Atmosphäre sorgen dann für eine immer rundere, tiefere Bahn (wobei die thermischen Lasten durch die wiederholten Abkühlungsphasen minimiert werden). Schliesslich folgt der Eintritt in die tiefere Atmosphäre, der mit dem Feuern der chemischen Triebwerke bis zum sanften Aufsetzen auf der Oberfläche endet. Dieses Spiel kann man im Prinzip mit jedem Planeten mit Atmosphäre bzw. seinen Monden durchziehen. Damit kommt man also zu jedem Planeten bzw. Mond im Sonnensystem, ausser Merkur.
 

Dgoe

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Danke Bynaus, sehr lehrreich.

Zwar würde ich immernoch gerne den schnurstracksen Anflug als Rechenbeispiel entgegenhalten, aber gut.

Mir fällt aber etwas anderes auf:
Fremde Atmosphären mit Samthandschuhen anzupacken, welche eh unbewohnbar sind, aber unsere Atmosphäre - die einzige bekannte bewohnbare - war nie ein Problem mit hunderten oberirdischen Atomexplosionen zu beglücken (wieviele nochmal?).

Naja, c.u.
Dgoe
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Zwar würde ich immernoch gerne den schnurstracksen Anflug als Rechenbeispiel entgegenhalten, aber gut.

Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst. Welches Rechenbeispiel? :confused: "Schurstracks" allein ist kein Argument. Eine "schnurstrackse" Landung eines Jumbos direkt am Gate sollte das verdeutlichen...

Fremde Atmosphären mit Samthandschuhen anzupacken, welche eh unbewohnbar sind, aber unsere Atmosphäre - die einzige bekannte bewohnbare - war nie ein Problem mit hunderten oberirdischen Atomexplosionen zu beglücken (wieviele nochmal?).

Es ging mir nicht um Samthandschuhe, sondern eher darum, dass ein Nuklearantrieb nach dem ersten Gebrauch eben stark strahlt und man deshalb besser damit fährt, ihn gleich im Orbit zu lassen, statt ihn mit auf die Oberfläche zu nehmen, wo man dann quasi gleich daneben aussteigen müsste... oder wo er bei einem schief laufenden Landeanflug die ganze Kolonie verstrahlen könnte.
 

Dgoe

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Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst.
Statt 'entgegenhalten', hätte ich schreiben sollen: "vergleichend gegenüberstellen".

Welches Rechenbeispiel?
Na, wie in #1 beschrieben. Ich weiß nur nicht, wie man es rechnet. Ist auch nicht so wichtig.


... wo man dann quasi gleich daneben aussteigen müsste...
Das wäre etwas ungünstig, ja. :D Wer hat denn von Aussteigen gesprochen? *scherz*

Nochmals Danke für #11.
Wie macht man es dann beim Merkur?

Gruß,
Dgoe
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Na, wie in #1 beschrieben.

Da finde ich kein Rechenbeispiel... Aber sind die Erklärungen, die du hier bekommen hast, denn nicht für sich alleine genommen schon einleuchtend? Warum mittig draufhalten wenn du stattdessen die Atmosphäre zum Bremsen nutzen kannst? Die Treibstoffmasse, die sonst nötig wäre, würde das Gewicht des Hitzeschilds um ein Vielfaches übertreffen.

Wie macht man es dann beim Merkur?

Zur Klarstellung: meine Erklärung in #11 ist für ein ideales, energieärmstes Transferszenario, das so heute (noch) nicht zur Anwendung kommt, nicht zuletzt weil wir heute noch keinen solchen wiederverwendbaren, solar-elektrischen "Schlepper" haben (solche Systeme wurden aber schon wiederholt angedacht). Sowas käme aber z.B. für künftige bemannte und unbemannte Mars-Flüge in Frage, und ein so ähnliches Szenario hat auch Robert Zubrin zur "Optimierung" der SpaceX-Marspläne vorgechlagen. Das deshalb, weil man mit diesem Szenario die Masse auf der Mars-Transferbahn optimiert. Dieses Hochschrauben in einen immer höheren Orbit haben, soviel ich weiss, bisher erst die Inder mit ihrer Mangalyaan (Mars-) Sonde gemacht, aber nicht mit einer SEP-Stufe (= solar-elektrisch), sondern mit wiederholten Zündungen eines chemischen Raketentriebwerks. Am Zielort wurde die Einbremsung in die Umlaufbahn bisher entweder mit Raketentriebwerken (meistens) oder (selten) mit Bremsen gegenüber der Atmosphäre gemacht. Landungen waren soviel ich weiss fast immer "direkte" Landungen (aber nicht Mittig, sondern annähernd Tangential, um die Bremswirkung der Atmosphäre zu maximieren).

Merkur-Flüge haben sich bisher Swing-Bys, kombiniert mit gelegentlichen Schüben aus chemischen Raketentriebwerken zu Nutzen gemacht.
 

Dgoe

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Hallo Bynaus,

aha, ok.

Da ist ja auch kein Rechenbeispiel. Ich hatte mir nur vorgestellt, dass ein solches ganz nützlich wäre, um jemanden, der eben so eine Frage stellt, wie: "warum nicht mittig?" an so einem Fallbeispiel die konkreten Unterschiede darstellen zu können. Ich unterhalte mich gelegentlich im RL auch mit anderen Laien über solche Themen, die Frage hier im Prinzip selbst stellend. Ich denke aber auch, dass die Argumente auch so schon ausreichend sind, bzw. wären.

Übrigens sehr spannend die diversen Konzepte.

Gruß,
Dgoe
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Jup - bei Flügen zum Merkur wurde per Swing-By nur gebremst! Dort ist ja das Problem, dass man sonst viel zu schnell wäre, weil man mit einer vergleichsweise viel höheren Bahnenergie (= auf der Höhe der Erde) startet.
 

Dgoe

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Ja. Ich habe mittlerweile entdeckt, dass die geplante Mission BepiColombo zum Merkur 1 Swing-by an der Erde, 2 an der Venus und ganze 6 x am Merkur vorsieht.


Das Wort Aerobraking dann iwo aufgeschnappt, was hierhin führte:
https://en.wikipedia.org/wiki/Aerobraking (Engl.)
bzw.
https://de.wikipedia.org/wiki/Atmosphärenbremsung (kürzer)

Und zu dem Thema passend auch, dank @Dips Tipp:

Thema: Wiedereintritt in die Atmosphäre:
https://www.raumfahrer.net/forum/smf/index.php?topic=7262.0

Thema: "Sanfte" Atmosphärenbremsung:
https://www.raumfahrer.net/forum/smf/index.php?topic=13847.0


Ganz toll auch ein kostenloses PDF-Buch von der NASA:
https://www.nasa.gov/connect/ebooks/coming_home_detail.html
:)

Gruß,
Dgoe
 
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