Belege zur Problematik des Atheismus im persönlichen Leben

Bernhard

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Meine Erfahrung sagt mir, das unter den Buddhisten, prozentual die wenigsten verkorksten Menschen zu finden sind. Das sind sozusagen die Bonobos unserer Rasse. ;-)
Na, ich weiß ja nicht. Siehe dazu:
Colin Goldner: Hinter dem Lächeln des Dalai Lama (Vortrag Univ. Wien 18.05.2012)
oder noch extremer:
20120525 Atheist Convention 06 Colin Goldner
Diese beiden Vorträge geben zu denken, auch wenn der tibetische Buddhismus natürlich nicht die einzige Strömung im Buddhismus ist.

Bei all diesen Dingen, die in den Vorträgen beschrieben werden, dreht sich mir der Magen so ziemlich komplett um.
 
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Mahananda

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Hallo Ich,

Es gibt keinen irgendwo verorteten Wert der individuellen Freiheit außer dem, den wir ihr beimessen.

Das meinte ich damit, als ich schrieb, dass der Wert der Freiheit in derselben liegt und nicht außerhalb von ihr. Der Aspekt des Beimessens ist selber ein Ausdruck von Freiheit, die denjenigen zukommt, die zum Beimessen fähig und willens sind. Doch auch wenn wir der Freiheit einen geringen Wert beimessen würden, würde dies nicht zugleich bedeuten, dass die Freiheit als Folge des Akts der Beimessung dadurch einen geringeren Wert für sich hätte. Der Wert der Freiheit steht für sich und in sich - unabhängig von der Beimessung durch die Individuen, die diese als freie Individuen vollziehen. Das heißt, man ist frei, sich gegen die Freiheit zu entscheiden, indem man ihr beispielsweise einen geringen Wert beimisst, aber dadurch bekräftigt man eigentlich, dass der Freiheit ein eigener Wert zukommt, der unabhängig von Entscheidungen an sich gegeben ist. Anderenfalls hätte man nicht die Freiheit, sich entscheiden zu können.

Wir haben also durch den Atheismus (oder besser: die säkulare Haltung) keine Moral gewonnen.

Nein, aber dadurch, dass wir den Wert der Freiheit erkannt haben, können wir auf der Grundlage der Freiheit eine Moral begründen, indem wir sie in freiem Diskurs aushandeln, ohne auf außermenschliche Instanzen zurückgreifen zu müssen. Es bedarf daher keiner göttlichen Gebote. Die menschliche Vernunft ist ausreichend und hinreichend.

Der Wert der westlichen Demokratien liegt in der Entscheidungs- und Redefreiheit, die es erlaubt, Moral immer wieder neu zu verhandeln, statt totalitären Systemen von inks, rechts oder oben diese Hoheit zu überlassen.

Ja, und damit zeigt sich wieder der Wert der Freiheit, der dieses Verhandeln-Können zulässt, ohne selbst einschränkende Normative vorzugeben, die diese Freiheit beschneiden würden.

Das Konzept der individuellen Freiheit muss genauso begründet werden wie das Konzept des Überlebens der stärkeren Rasse oder das Konzept des Kommunismus unter Zerschlagung des Individuums.

In der Politik der westlichen Demokratien geht es darum, wie der Staat so organisiert werden kann, dass die individuelle Freiheit möglichst wenig eingeschränkt wird. Das schiebt gewissen naiven Vorstellungen, bei denen Freiheit mit Willkür verwechselt wird, den Riegel vor. Es kann also nicht alles erlaubt sein, was man als individuelle Wunschvorstellung vielleicht in sich trägt, um glückselig zu werden. Kants kategorischer Imperativ ist da ein guter Test, ob das was ich will, auch gut ist. Der entscheidende Unterschied zu braunen oder roten Diktaturen ist die Gegenwartsverortung der Moral in den westlichen Demokratien. Der Bürger ist hier und jetzt frei. Der Staat garantiert dies.

Im Unterschied dazu wird die Freiheit in den braunen und roten Diktaturen auf einen zukünftigen Endzustand projiziert, den es zu erringen gilt. Der Bürger soll also in der Gegenwart auf seine Freiheit verzichten, damit er sie in der Zukunft ein für allemal erlangen kann - wenn schon nicht für sich selber, dann doch für die Nachkommen. Das Paradies der Religionen wird als Utopie auf die Erde geholt. Es muss nur noch über eine geeignete Politik verwirklicht werden. Die Metaphern dazu sind austauschbar: Was den einen der Endsieg der arischen Rasse, ist den anderen die kommunistische Gesellschaft der Proletarier. Am Ende winkt das Reich der Freiheit im Wohlstand, wenn sich alle nur genug anstrengen und in der Gegenwart notwendige Einschränkungen billigend in Kauf nehmen ...

wir haben a priori keine moralische Überlegenheit denen gegenüber.

Nein, darum geht es auch gar nicht. Freiheit als solche ist ja keine Moral. Freiheit ist die Voraussetzung zur Moral, weil Freiheit die Möglichkeit zulässt, unterschiedliche Moralkonzepte zu bewerten, so dass man entscheiden kann, welche Moralvorstellungen vernünftig sind und welche nicht. Und von diesem Urteil hängt es dann ab, welche Moralvorstellungen gültig sein sollen und welche nicht. Die Überlegenheit - wenn man das schon so apostrophieren möchte - ist folglich keine moralische, sondern eine, die aus dem Wert der Freiheit resultiert, indem man diesen anerkennt, statt ihn zu ignorieren oder gar zu verteufeln.
 

Alex74

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Meine Güte wird hier grad viel geschrieben. :-D

Hallo Alex,
es sind wohl schon mehr Menschen für Gott und Vaterland ermordet worden als für kriminelle Motive – daher würde ich nie erlauben zu behaupten, Atheisten wären amoralisch.
Aber es ist meine Meinung, daß Erziehung und Lebensumfeld prägend auf die Moralvorstellungen des jeweiligen Zeitalters wirken.
Ich glaube nicht dass das was mit religiöser, ja vielleicht sogar nichtmal was mit Erziehung an sich zu tun hat.
Hunde, Katzen und Affen bringen sich auch nicht einfach gegenseitig um. Und die haben keinerlei moralische Erziehung. Neutral-Verhandelbares Verhalten hat sich in der Evolution einfach als vorteilhaft durchgesetzt. Rein agressive Arten gehen sehr schnell unter, das hatten schon vergleichende Simulationen in den 80ern gezeigt. Und bei sozial lebenden rudelartigen Tieren wie dem Menschen war der altruistische Ansatz logischerweise sehr dominant weil Selbstlosigkeit der ganzen Gruppe nutzt.
Soziopathie geht auch meist einher mit einer Fehlbildung oder Verkümmerung des Frontallappens im Gehirn (wenngleich das keine Soziopathie bedingt).
Soziales, moralisches Verhalten hat also wohl nur wenig mit Erziehung, und dann erst recht nichts mit Religion zu tun.
 

Mahananda

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Hallo Alex,

Soziales, moralisches Verhalten hat also wohl nur wenig mit Erziehung, und dann erst recht nichts mit Religion zu tun.

Ich stimme Dir zu, dass ein erheblicher Teil unseres Verhaltens auch genetisch prädispositioniert ist - sozial lebende Tiere machen es uns vor (u.a. Paviane, um mal von den Schimpansen und Bonobos loszukommen). Dennoch unterscheidet sich der Mensch durch die Fähigkeit zum Hinterfragen von Selbstverständlichkeiten von solchen Tierarten. Die genetische Prädisposition wirkt zwar nach wie vor fort, aber sie ist in Gestalt von Politik verhandelbar geworden, weil sie hinterfragbar geworden ist. Und da Moral zum Gegenstand des Diskurses geworden ist, bedarf es Begründungen, die über den Mechanismus der natürlichen Selektion hinausweisen. Hier kommen dann Erziehung und jeweils gültige Wertvorstellungen zum Tragen, die über lange Zeit hinweg auch über Religionen tradiert worden sind. Allerdings - und das zeichnet die Moderne aus - ist der Anspruch der Religionen als moralische Instanz seinerseits Gegenstand des Diskurses geworden und im Zuge des Hinterfragens als unbegründet verworfen worden - zumindest in den Gesellschaften, die eine Zeit der Aufklärung durchlebt haben.
 

Alex74

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Ich glaube dass es tatsächlich immernoch die genetische Anlage ist, die federführend für menschliche Moralvorstellungen ist.

Das merkt man imho daran dass meist nicht logisch das moralischere Verhalten dominiert sondern das, was man unmittelbar vor Augen sieht. Es gibt da dieses "Gedankenexperiment" des "Effektiven Altruismus", wonach jeder sofort ein ertrinkendes Kleinkind retten würde, auch wenn dabei das 500-Euro-iPhone in der Hosentasche kaputt geht. Aber nur wenige würden das gleiche Geld investieren um Menschen in Entwicklungsländern eine Ausbildung zu bezahlen, was als langfristigen Effekt sehr wahrscheinlich sogar viel mehr Menschen das Leben rettet.
Ich gebe zu dass ich selber so meine Probleme mit diesem Beispiel habe, aber den Kern trifft es ganz gut: wir agieren nicht moralisch effektiv wie es Erziehung und Diskurs darüber eigentlich verlangen sondern eher kurzfristig und im Affekt.
Wäre dem nicht so, hätte sich die gesamte Welt schon vor Jahrzehnten auf effektive Maßnahmen zum Klimaschutz geeinigt und sie durchgesetzt...
 

Mahananda

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Hallo Alex,

Das merkt man imho daran dass meist nicht logisch das moralischere Verhalten dominiert sondern das, was man unmittelbar vor Augen sieht.

Ja, aber das hat mit den Horizonten zu tun, die man in den jeweils konkreten Situationen überblickt. Und da beißen sich eben kurzfristige - oftmals rein praktische - Motivationen mit langfristig ausgerichteten Einsichten, die dadurch aber nicht als irrelevant entwertet werden. Für langfristigere Ziele benötigt man Institutionen, die solche Vorhaben flankieren können. Und ökologische Nachhaltigkeit ist so ein langfristiges Ziel, wo es um die Art und Weise unseres zukünftigen Lebens geht. Mit genetischer Prädisposition lässt sich da nichts bewerkstelligen, also muss es Diskurse und Entscheidungen geben, die auf Nachhaltigkeit angelegt sind. Und im Erfolgsfall zeigt sich dann die moralische Wertigkeit dieses Handelns. Im Falle des Misserfolgs hingegen würde diese Wertigkeit nicht verlustig gehen, sondern der Wert der Unmoral nur stärker zutage treten, die zum Scheitern geführt hat.
 

zabki

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Ich glaube dass es tatsächlich immernoch die genetische Anlage ist, die federführend für menschliche Moralvorstellungen ist.
wir können genetische Anlagen moralisch bewerten (vereinfacht positiv, negativ oder neutral), und das geschieht auch, wenn auch unterschiedlich (namentlich Sexualität, Aggression).
 

Protuberanz

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Na, ich weiß ja nicht. Siehe dazu:
Colin Goldner: Hinter dem Lächeln des Dalai Lama (Vortrag Univ. Wien 18.05.2012)
oder noch extremer:
20120525 Atheist Convention 06 Colin Goldner
Diese beiden Vorträge geben zu denken, auch wenn der tibetische Buddhismus natürlich nicht die einzige Strömung im Buddhismus ist.

Bei all diesen Dingen, die in den Vorträgen beschrieben werden, dreht sich mir der Magen so ziemlich komplett um.

Ich empfehle ich auf die Wortwahl dieser Person zu achten. Und wenn das nicht möglich ist, hier mal ein paar kleine Denkanstöße:
1 2 3 4
Diese Person votiert übrigens gegen jede Religion.
 
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Ich

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Das meinte ich damit, als ich schrieb, dass der Wert der Freiheit in derselben liegt und nicht außerhalb von ihr. Der Aspekt des Beimessens ist selber ein Ausdruck von Freiheit, die denjenigen zukommt, die zum Beimessen fähig und willens sind. Doch auch wenn wir der Freiheit einen geringen Wert beimessen würden, würde dies nicht zugleich bedeuten, dass die Freiheit als Folge des Akts der Beimessung dadurch einen geringeren Wert für sich hätte. Der Wert der Freiheit steht für sich und in sich - unabhängig von der Beimessung durch die Individuen, die diese als freie Individuen vollziehen. Das heißt, man ist frei, sich gegen die Freiheit zu entscheiden, indem man ihr beispielsweise einen geringen Wert beimisst, aber dadurch bekräftigt man eigentlich, dass der Freiheit ein eigener Wert zukommt, der unabhängig von Entscheidungen an sich gegeben ist. Anderenfalls hätte man nicht die Freiheit, sich entscheiden zu können.
Sorry, aber ich kann nicht folgen. Keine Ahnung, was du sagen willst. Ich sollte vielleicht anmerken, dass ich unter Freiheit nicht die metaphysische Eigenschaft eines Menschen sehe, sich entscheiden zu können. Sondern ganz konkret die Freiheit, Dinge zu sagen oder zu tun, ohne dafür sanktioniert zu werden.
Nein, aber dadurch, dass wir den Wert der Freiheit erkannt haben, können wir auf der Grundlage der Freiheit eine Moral begründen, indem wir sie in freiem Diskurs aushandeln, ohne auf außermenschliche Instanzen zurückgreifen zu müssen. Es bedarf daher keiner göttlichen Gebote. Die menschliche Vernunft ist ausreichend und hinreichend.
Man kann wie gesagt auch ohne Freiheit rein menschlich-"vernünftige" Ideologien begründen und durchsetzen. Die Freiheit hat in diesen Ideologien keinen Wert.
Ja, und damit zeigt sich wieder der Wert der Freiheit, der dieses Verhandeln-Können zulässt, ohne selbst einschränkende Normative vorzugeben, die diese Freiheit beschneiden würden.
Ja. Wenn man drauf steht. Andere sehen keinen Wert darin und verklagen dich, wenn du sie nicht mit dem Pronomen ihrer Wahl bezeichnest.
Ich will mal einen Versuch starten, das abzukürzen: Wir beide sehen der Wert der Freiheit (der echten sozialen Freiheit, nicht des metaphysischen Konzepts) so,wie du es darstellst. Andere nicht. Dem Universum ist es egal. Das letzte Wort ist beileibe noch nicht gesprochen, und das kann immer noch so ausgehen, dass wir wieder überall autoritäre Systeme haben, in denen kaum einer der Freiheit eine Träne nachweint.
In der Politik der westlichen Demokratien geht es darum, wie der Staat so organisiert werden kann, dass die individuelle Freiheit möglichst wenig eingeschränkt wird. Das schiebt gewissen naiven Vorstellungen, bei denen Freiheit mit Willkür verwechselt wird, den Riegel vor. Es kann also nicht alles erlaubt sein, was man als individuelle Wunschvorstellung vielleicht in sich trägt, um glückselig zu werden. Kants kategorischer Imperativ ist da ein guter Test, ob das was ich will, auch gut ist. Der entscheidende Unterschied zu braunen oder roten Diktaturen ist die Gegenwartsverortung der Moral in den westlichen Demokratien. Der Bürger ist hier und jetzt frei. Der Staat garantiert dies.

Im Unterschied dazu wird die Freiheit in den braunen und roten Diktaturen auf einen zukünftigen Endzustand projiziert, den es zu erringen gilt. Der Bürger soll also in der Gegenwart auf seine Freiheit verzichten, damit er sie in der Zukunft ein für allemal erlangen kann - wenn schon nicht für sich selber, dann doch für die Nachkommen. Das Paradies der Religionen wird als Utopie auf die Erde geholt. Es muss nur noch über eine geeignete Politik verwirklicht werden. Die Metaphern dazu sind austauschbar: Was den einen der Endsieg der arischen Rasse, ist den anderen die kommunistische Gesellschaft der Proletarier. Am Ende winkt das Reich der Freiheit im Wohlstand, wenn sich alle nur genug anstrengen und in der Gegenwart notwendige Einschränkungen billigend in Kauf nehmen ...
Nein, das Ziel dieser Systeme ist nicht die Freiheit. Die Freiheit anderer ist mitunter äußerst nervig. Das ist überhaupt nicht das Ziel, dem die ganze Menschheit auf natürliche Weise entgegenstrebt. Dafür ist der Mensch gar nicht gemacht.
Nein, darum geht es auch gar nicht. Freiheit als solche ist ja keine Moral. Freiheit ist die Voraussetzung zur Moral, weil Freiheit die Möglichkeit zulässt, unterschiedliche Moralkonzepte zu bewerten, so dass man entscheiden kann, welche Moralvorstellungen vernünftig sind und welche nicht. Und von diesem Urteil hängt es dann ab, welche Moralvorstellungen gültig sein sollen und welche nicht. Die Überlegenheit - wenn man das schon so apostrophieren möchte - ist folglich keine moralische, sondern eine, die aus dem Wert der Freiheit resultiert, indem man diesen anerkennt, statt ihn zu ignorieren oder gar zu verteufeln.
Die Frage, was ich den anderen sagen oder tun lasse, bevor ich ihn steinige, ist eine moralische. Jemanden die Freiheit zu geben, Dinge zu sagen, die ich nicht hören will, ist eine Frage der Moral. Wenn du das nicht glaubst: Wir haben hier immer noch Blasphemiegesetze und eine gesetzlich geregelte Geschichtsschreibung (bzgl. Holocaust-Leugnung). Beides im Widerspruch zu entsprechenden UN-Resolutionen. Weil man es moralisch für falsch hält, sich entsprechend zu äußern. Wir halten es natürlich auch für moralisch falsch, wenn Erdogan sich nicht Ziegenficker nennen lassen will. Oh doch, es geht bei dieser Diskussion sehr wohl um Moral und um moralische Überlegenheit.
 

Ich

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Und bei sozial lebenden rudelartigen Tieren wie dem Menschen war der altruistische Ansatz logischerweise sehr dominant weil Selbstlosigkeit der ganzen Gruppe nutzt.
Soziopathie geht auch meist einher mit einer Fehlbildung oder Verkümmerung des Frontallappens im Gehirn (wenngleich das keine Soziopathie bedingt).
Soziales, moralisches Verhalten hat also wohl nur wenig mit Erziehung, und dann erst recht nichts mit Religion zu tun.
Ich glaube dass es tatsächlich immernoch die genetische Anlage ist, die federführend für menschliche Moralvorstellungen ist.
Nein, das ist alles viel zu grob. Lebewesen haben sich schon sehr lange in Gruppen organisiert. Entsprechende Verhaltensweisen, wie der eigenen Gruppe nichtr zu sehr zu schaden und ein starkes Hierarchiebedürfnis, sind sicher auch in uns vorhanden - und zwar ausgeprägter,als z.B. bei Katzen.
Aber, wenn du mal kurz innehältst, ist auch dir sicher klar, welche Vielfalt von sozialen Systemen aus dieser genetischen Prädisposition entstanden ist. Und dass du die allermeisten dieser Systeme als moralsch verwerfich siehst. Schön, die sind sozial und denken an die Gruppe. So wie Moses, als er uns erste christliche Werte lehrt. Evolutionär gesehen sehr vernünftig, sehr altruistisch der eigenen Gruppe gegenüber, sehr moralisch. Und ja, klar, die Midianer haben ihre Gene nicht so weitervererbt wie das auserwählte Volk, solches Verhalten bietet eben einen Selektionsvorteil. War schon immer so, wird immer so sein.

Ich vertrete durchaus selber die Meinung, dass der Mensch "gut" ist in dem Sinne, dass er zum "Guten" fähig und teilweise auch disponiert ist. Ich glaube auch, dass dieses "Gute" mehr zum Vorschein kommt, wenn es nicht hart auf hart kommt und es für jeden reicht. Dass aber unsere westliche Moral genetisch zwangsläufig wäre und nicht eine mosaische, islamische oder auch nur sowjetische, das glaube ich keine Sekunde. Dieses Licht ist genau einmal in der Menschheitsgeschichte aufgeflackert, und man muss was dafür tun. Sonst isses weg.
 

Mahananda

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Hallo Ich,

die Freiheit, Dinge zu sagen oder zu tun, ohne dafür sanktioniert zu werden

Das ist dann der Freiraum, der Dir gewährt wird, innerhalb dessen Du Deine Freiheit ausleben kannst. Dieses Gewähren ist dann das, was die Gesellschaft bzw. der Staat je nach Verfassung als Rahmen festlegt. Und dieser Rahmen kann dann mehr oder weniger eng sein.

Die Freiheit hat in diesen Ideologien keinen Wert.

Der Umstand, dass in manchen Ideologien, die für gesellschaftliche bzw. staatliche Verfassungen konstitutiv sind, Freiheit auf einen Rahmen eingeschränkt wird, wo sie sich kaum noch entfalten kann, entwertet nicht die Freiheit, sondern belegt augenscheinlich, dass der Wert der Freiheit ignoriert wird. Nicht die Freiheit hat keinen Wert, sondern der Freiheit wird kein Wert beigemessen - z.B. aus machtpolitischen Gründen oder aber aus Gründen der Verfolgung eines utopistischen Projekts.

Andere sehen keinen Wert darin und verklagen dich, wenn du sie nicht mit dem Pronomen ihrer Wahl bezeichnest.

Ja, aber der Umstand, dass manche keinen Wert in der Freiheit sehen, bedeutet nicht, dass dennoch die Freiheit einen Wert hat, so dass diese als Ideal angestrebt werden kann - auch gegen den Widerstand derjenigen, die der Freiheit keinen Wert beimessen. Und wie viele Emanzipationsbewegungen weltweit zeigen, besitzt die Freiheit offenbar doch eine Ausstrahlung, die deren Verwirklichung und Entfaltung zu einem erstrebenswerten Ziel werden lässt, für dass sich zu kämpfen lohnt.

das kann immer noch so ausgehen, dass wir wieder überall autoritäre Systeme haben

Das ist möglich, aber dass der Freiheit keine Träne nachgeweint würde, möchte ich dann doch bezweifeln. Dafür ist sie zu attraktiv, weil eben von Wert - und damit würdig, sich dafür einzusetzen. Es dürfte daher immer wieder zu emanzipatorischen Bewegungen kommen, die gegen die jeweils herrschenden Autoritäten gerichtet sind.

Nein, das Ziel dieser Systeme ist nicht die Freiheit.

Wenn im Grundgesetz steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und die staatliche Gewalt verpflichtet wird, diese zu achten und zu schützen, dann läuft das aber auf so eine Zielsetzung hinaus, weil die Menschenwürde sich u.a. über die Freiheit konstituiert. Nicht zufällig werden im Grundgesetz in den nachfolgenden Artikeln die Grundrechte (darunter auch einige Freiheiten!) explizit aufgeführt, die extra als nicht einschränkbar festgeschrieben werden. Die Verfassung ist also so konstruiert, dass der Rahmen, innerhalb dessen Freiheit ausgelebt werden kann, möglichst weit gehalten ist, aber restriktiv genug, um Exzesse der Willkür individueller Lustbefriedigung zu unterbinden. Das verwechseln viele manchmal, wenn sie Freiheit sagen und Vorteilsnahme zu Lasten anderer meinen.

Das ist überhaupt nicht das Ziel, dem die ganze Menschheit auf natürliche Weise entgegenstrebt.

Es wird immer Menschengruppen geben, die aus eigenem Interesse darauf bedacht sind, den Entfaltungsrahmen für Freiheit möglichst eng zu halten, um ihre aktuelle Machtposition zu stabilisieren. Das natürliche Ziel jedes einzelnen Menschen ist zunächst primär das subjektive Wohlbefinden. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind individuell verschieden. Die Kunst der Politik besteht darin, diese individuellen Interessen so zu kanalisieren, dass möglichst jeder mit seinen zur Verfügung stehenden Mitteln sein primäres Ziel erreichen kann. Dafür gibt es dann u.a. Gesetze, deren Inkrafttreten und Durchsetzung ebenfalls der Regelung bedarf.

Je nach Konstitution ist der Staat bzw. die Gesellschaft entweder mehr oder weniger demokratisch - und damit zugleich auch mehr oder weniger freiheitlich. Ein gewisses Maß an Freiheit ist auch in Diktaturen notwendig, um den Staat funktionieren zu lassen. Aber jedes noch so geringe Maß an Freiheit bewirkt durch seine Attraktivität das Bedürfnis nach seiner Ausweitung - spätestens in Krisenzeiten, wenn die Legitimation der Herrschaft fraglich wird. Die Geschichte ist voll von Beispielen, wo es zu Revolten kam, die zunächst auf die Beseitigung eklatanter Ungerechtigkeiten gerichtet waren und später auf eine Ausweitung der Partizipation am Machtgefüge - mithin also auf ein Mehr an Freiheit.

Die Frage, was ich den anderen sagen oder tun lasse, bevor ich ihn steinige, ist eine moralische.

Die Frage, was ein Mensch tun oder sagen darf, ist eine Frage der Vereinbarung, die ausgehandelt werden muss. Und hier spielen dann Überzeugungen eine Rolle, die tiefer sitzen - seien es religiöse oder politisch-historische Überzeugungen - und den Rahmen festlegen, innerhalb dessen sich Freiheit entfalten kann. Und ja, die Grenzen sind variabel und aushandelbar - und keinesfalls konfliktfrei und harmonisch, sondern oftmals kontrovers bis blutig, wie insbesondere die jüngere Geschichte zeigt. Dennoch gibt es einen Freiheitsrahmen, innerhalb dessen solche Vereinbarungen ausgehandelt werden können, die dann zugleich auch den Rahmen setzen, was als moralisch geboten oder als unmoralisch zu verwerfen ist. Darum schrieb ich, dass Freiheit für sich genommen keine Moral ist, sondern die Voraussetzung für Moral, da anderenfalls nichts mehr verhandelbar wäre.

Auch das Verbot der Holocaust-Leugnung per Gesetz ist in Anbetracht der deutschen Geschichte das Resultat einer Aushandlung als Folge des Missbrauchs der Freiheit, mit Geschichtslügen die Verbrechen der Nazis zu relativieren. Auch wenn es widersprüchlich scheint, wird durch das punktuelle Einschränken der Meinungsfreiheit die Freiheit gestärkt, weil die geschichtliche Wahrheit nicht mehr so einfach ignoriert werden kann. Und diese geschichtliche Wahrheit gebietet es nun mal, eine mörderische Diktatur als solche wahrzunehmen, so dass sie zugleich als Abschreckung tauglich ist, die die freiheitliche Demokratie als bessere Alternative erscheinen lässt. In diesem Sinne sehe ich hier die Freiheit gestärkt.

Und was die Blasphemie betrifft: Das scheint mir ein Relikt zu sein, das noch der Abschaffung bedarf. Die Formulierung "geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören" ist ja auch sehr dehnbar, so dass ich da momentan keine Gefahr erkennen kann, die eine sachliche Kritik an Religionsgemeinschaften, Kirchen usw. unterbinden würde.
 

Ich

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Halloi Mahananda,

mir wird das viel zu zersplittert, und ich kann auch kaum erkennen, wo wir weiterkommen. Lass' mich mal ein bisschen zusammenfassen:
1) Du sagst, wenn ich richtig verstehe (btw, kennst du "so you're saying..."?), dass Freiheit einen Wert habe, egal, ob Menschen ihr einen solchen beimessen oder nicht. Ich sage, dass Werte nicht in der Natur vorkommen, sondern ausschließlich von Menschen gemacht sind. Wenn es Menschen gibt, die der Freiheit keinen Wert beimessen, dann gibt es mindestens ein Wertesystem, in dem Freiheit keinen Wert hat, und damit ist der Wert von Freiheit nicht absolut. Fertig. Du siehst m.E. einen so großen Wert darin, dass du deine persönlichen Vorstellungen zur allgemeingültigen Norm erklärst. Das ist gefährlich. Wobei ich, wie mehrfach gesagt, den Wert der Freiheit mindestens so hoch einschätze.
2) Emanzipatorische Bewegungen, die du dreimal ansprichst, messen der Freiheit in meinem Sinne nicht wirklich Wert bei. Dort geht es um deren Freiheit, deren Rechte und letztendlich deren Macht. Die Revolutionen, die nicht in einer Diktatur geendet haben, sind selten. Die Freiheit, von der wir reden, ist immer die der anderen, und zwar genau dann, wenn das einem gar nicht passt. Die wirst du genau in diesen emanzipatorischen Bewegungen nicht finden. Die muss von denen kommen, die Macht haben.
3) Nur nebenbei, ein Missverständnis. Das hier: "Nein, das Ziel dieser Systeme ist nicht die Freiheit." war nicht auf die BRD bezogen, sondern auf die autoritären Systeme.
4)
Darum schrieb ich, dass Freiheit für sich genommen keine Moral ist, sondern die Voraussetzung für Moral, da anderenfalls nichts mehr verhandelbar wäre.
Nicht Freiheit an sich, sondern die Freiheit anderer über das notwendige und bequeme Maß hinaus zuzugestehen, ist eine Frage der Moral.
5)
Auch wenn es widersprüchlich scheint, wird durch das punktuelle Einschränken der Meinungsfreiheit die Freiheit gestärkt, weil die geschichtliche Wahrheit nicht mehr so einfach ignoriert werden kann. Und diese geschichtliche Wahrheit gebietet es nun mal, eine mörderische Diktatur als solche wahrzunehmen, so dass sie zugleich als Abschreckung tauglich ist, die die freiheitliche Demokratie als bessere Alternative erscheinen lässt. In diesem Sinne sehe ich hier die Freiheit gestärkt.
Es scheint nicht nur widersprüchlich, es ist so. Das Gesetz hat verschiedene Ziele, unter anderem den Schutz unseres Systems und den Schutz der Opfer der Nationalsozialismus. Und auch wenn man diese Ziele gutheißt, das Verbot, bestimmte Sachen zu sagen, ist keine Stärkung ver Freiheit, sondern eine Einschränkung derselben. Ich mag mich da auch gar nicht áuf deine Rhetorik einlassen. Du kannst gerne viele Gründe für diese Art von Gesetzen vorbringen, aber sicher nicht, dass sie die Freiheit stärken. Das ist genau das, was du zu Recht an den besprochenen totalitären Gesinnungen bemängelst: Man rechtfertigt eine Einschränkung der Freiheit im Hier und Jetzt mit einer Bewahrung derselben in der Zukunft.
Das ist meines Erachtens irgendwann nicht mehr ok. Eine erwachsene, stabile, freiheitliche Demokratie hat natürlich keine solchen Gesetze, dort haben solche Ansichten einfach keine Chance, sich durchzusetzen, weil sie im freien Wettstreit der Ideen nicht bestehen können. Für die Nachkriegszeit aber habe ich kein Problem mit dem Gesetz, weil solche Äußerungen einfach komplett unzumutbar für die Überlebenden des Holocausts sind. Das ist aber das Ergebnis einer Abwägung anderer Werte gegen die Freiheit der Rede, soviel muss klar sein.
6)
Und was die Blasphemie betrifft: Das scheint mir ein Relikt zu sein, das noch der Abschaffung bedarf. Die Formulierung "geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören" ist ja auch sehr dehnbar, so dass ich da momentan keine Gefahr erkennen kann, die eine sachliche Kritik an Religionsgemeinschaften, Kirchen usw. unterbinden würde.
Das unterbindet unsachliche Kritik, die in allen anderen Bereichen des politischen Lebens erlaubt ist. Mal als Tatsachenbeispiel die Situation in Österreich: Da wurde eine FPÖ-Abgeordnete wegen einer vollkommen richtigen Behauptung verurteilt, die nicht sensibel genug formuliert war. Für die Abschaffung des Paragrafen stimmen dennoch Grüne und Liberale.
 
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Mahananda

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Hallo Ich,

mir wird das viel zu zersplittert, und ich kann auch kaum erkennen, wo wir weiterkommen.

Wir müssen dieses Thema ja auch nicht ins Uferlose weiterdiskutieren. In der Sache, was die Wertschätzung der Freiheit betrifft, haben wir ja keinen Dissens. Ich gehe daher jetzt mal nur auf die Sachverhalte ein, wo ich eine andere Sichtweise habe, ohne zu beanspruchen, dass meine Sichtweise die einzig richtige sei.

Ich sage, dass Werte nicht in der Natur vorkommen, sondern ausschließlich von Menschen gemacht sind.

Um das abschließend beurteilen zu können, müsste man zunächst definieren, was ein Wert ist. Wenn Werte etwas von Menschen gemachtes sind, dann werden diese nach Art eines Etiketts auf bestimmte Sachverhalte der Realität angeheftet, so dass diese Sachverhalte dann wertvoll und damit schützens- und bewahrenswert sind. Dann stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage Werte erschaffen werden, wenn sie erst danach als Wert bestimmt und erkannt werden. Wenn Werte jedoch etwas sind, was unabhängig vom Menschen existiert, dann können sie von Menschen kraft ihres Verstandes erkannt werden und kraft ihrer Vernunft in ihr Handeln integriert werden. Dann stellt sich die Frage, woher Werte kommen, wenn sie kausal bereits präexistent gewesen sind, bevor Menschen entstanden sind. Die Frage, ob Werte menschengemacht sind oder nicht, ist in der Philosophie seit Langem ein Thema und nach wie vor umstritten.

Ich sehe das analog zu emergenten Erscheinungen: Sobald der Mensch als Vernunftwesen entstanden war, konnte er kraft seiner Vernunft die Welt, in der er lebt, sprachlich abbilden. Da Sprache und Denken konform gehen, ergab sich mittels der Sprache die Möglichkeit, fiktionale Vorstellungen und Konstrukte zu entwickeln, die dann befragt und hinterfragt werden konnten. Die grundsätzliche Möglichkeit, alles zu hinterfragen, machte auch vor dem scheinbar Selbstverständlichen nicht halt, so dass auch alltägliche Handlungen bewertet wurden. Diese Bewertung erfolgte wahrscheinlich zunächst im Hinblick auf "angemessen" oder "unangemessen". Später wurde daraus "gut" oder "schlecht" oder "böse", so dass man über das Zusammenleben auf moralische Bewertungen stieß, die sich sprachlich sowohl kommunizieren wie auch diskutieren und modifizieren ließen.

Im Zuge dieses Diskurses stieß man irgendwann auf "Werte" - vielleicht einfach nur als Abstraktion von "wertvoll" oder "bewerten" - und verdinglichte diesen Begriff. Weitere Verdinglichungen ergaben sich z.B. aus den basalen Fakten, dass man lebendig ist ("Leben"), dass man sich wohl fühlt ("Wohlbefinden") oder krank ist ("Krankheit") oder hungrig ("Hunger") usw. usw. Der Begriff "Wert" konnte nun anderen Verdinglichungen zugeordnet werden, wobei den Dingen, die sich angenehm anfühlen, ein Wert zugeordnet wurde und den Dingen, die sich unangenehm anfühlen kein Wert oder ein negativer Wert ("Unwert"). So eben später auch mit "Freiheit". Wer Unfreiheit erlebt hat, weiß es zu schätzen, frei zu sein. Also ergibt sich die Zuordnung eines Wertes zur Freiheit als Kontrast zum Unwert der Unfreiheit, weil letztere sich unangenehm anfühlt.

"Wert" ist auf diese Weise etwas von Menschen Gemachtes, aber der Begriffsinhalt verweist auf etwas, was unabhängig von Menschen gegeben ist, aber dennoch den Menschen zukommt: Das Leben hat für jeden Menschen einen Wert, weil ohne Leben kein Menschsein möglich ist. Wohlbefinden hat für jeden Menschen einen Wert, weil ohne Wohlbefinden der Mensch in seinem Dasein eingeschränkt ist. Und Freiheit hat ebenso einen Wert für jeden Menschen, weil ohne Freiheit der Mensch nicht in vollem Maße Mensch sein kann. Diese Wertigkeiten sind nicht menschengemacht, aber dennoch auf den Menschen bezogen, weil er erst über diese Wertigkeiten das sein kann, was ihn als Menschen auszeichnet. Und weil der Mensch als solcher "menschlich" beschaffen ist, ist er auch in der Lage, diese Wertigkeiten als "Werte" zu erkennen und zu benennen - und natürlich dann in der Folge in vernünftiges Handeln zu integrieren.

Ich beurteile das im Sinne eines "Sowohl als auch" - einerseits ja, Werte entspringen menschlichen Denkens, aber andererseits nein, denn das Bezeichnete ist vorgängig bereits dem Menschen eigentümlich, bevor er auf den Begriff gekommen ist.

Du siehst m.E. einen so großen Wert darin, dass du deine persönlichen Vorstellungen zur allgemeingültigen Norm erklärst.

Nein, ich sehe den Wert der Freiheit als objektiv gegeben an und stelle fest, dass dadurch die Freiheit attraktiv genug ist, dass Menschen von sich aus aufgrund ihrer Menschlichkeit (Kant würde sagen "die Menschheit in ihrer Person") danach streben werden, den Rahmen, innerhalb dessen sich Freiheit verwirklichen kann, möglichst weit zu fassen, um ein Optimum zu erreichen, wo ein Maximum an Freiheit für ein Maximum an Menschen einer Gesellschaft oder eines Staates verfügbar ist. Mit meinen persönlichen Vorstellungen hat das nichts zu tun, und schon gar nichts damit, dass ich sie als allgemeingültige Norm durchdrücken wollte.

Dort geht es um deren Freiheit, deren Rechte und letztendlich deren Macht.

Primär geht es um Partizipation, um politische Teilhabe und um Garantien für mehr Rechte und mehr Freiheit. Der Umstand, dass sich allzuoft eine Elite herausgebildet hat, die dann diktatorisch die Macht an sich gerissen hat, um fortan das erstrebte Anliegen zu pervertieren, entwertet nicht den Anspruch, mit dem eine emanzipatorische Bewegung ursprünglich angetreten ist. Und schau Dir doch mal den Werdegang der modernen Diktaturen, begonnen mit der Französischen Revolution, an: Sie haben sich allesamt nicht lange gehalten. Wenn nicht durch einen gewaltsamen Umsturz, dann über Reformen sind sie allesamt in mehr oder weniger demokratische Gesellschaften transformiert worden, in denen mehr Freiheiten möglich wurden. Aktuell erleben wir diesen Prozess in Saudi-Arabien.

Das hier: "Nein, das Ziel dieser Systeme ist nicht die Freiheit." war nicht auf die BRD bezogen, sondern auf die autoritären Systeme.

O.K., das habe ich dann falsch aufgefasst.

Nicht Freiheit an sich, sondern die Freiheit anderer über das notwendige und bequeme Maß hinaus zuzugestehen, ist eine Frage der Moral.

Das steht nicht im Widerspruch zu dem, was ich schrieb, denn die Freiheit, anderen mehr Freiheit zuzugestehen, ist selber dadurch vorausgesetzt, dass Freiheit gegeben ist, die für sich genommen noch keine Moral ist. Und ja, was man mit der Freiheit anstellt, wie man sie nutzt, um z.B. politische Prozesse zu befördern usw. ist definitiv eine moralische Entscheidung.

Man rechtfertigt eine Einschränkung der Freiheit im Hier und Jetzt mit einer Bewahrung derselben in der Zukunft.

Nein, bei Diktaturen verschiebt man die Einlösung der beschränkten Freiheit auf die Zukunft. In Demokratien ist man bestrebt, die Freiheit hier und jetzt zu erhalten. Diesem Ziel dienen auch solche Gesetze wie die der Bestrafung der Holocaust-Leugnung. Dieses Gesetz kam ja auch nicht aus dem Nichts, sondern hatte konkrete Anlässe, so dass man hier - nicht zuletzt auch aus dem Interesse der Sicherung der internationalen Reputation des deutschen Staates heraus - eine punktuelle (!) Einschränkung der Meinungsfreiheit vorgenommen hat, um die freiheitliche Verfasstheit des Staates zu sichern bzw. zu stärken. Aber gut, das müssen wir ja hier nicht weiter vertiefen.

Das unterbindet unsachliche Kritik, die in allen anderen Bereichen des politischen Lebens erlaubt ist.

Nein, es kommt auf die Art und Weise der Unsachlichkeit an, wenn unsachlich kritisiert wird. Es darf auch unsachlich kritisiert werden - meinetwegen als Satire oder als künstlerische Performance - aber es muss auf eine Weise geschehen, dass der öffentliche Frieden nicht gestört wird. Das heißt, es wäre kontraproduktiv, Moscheen mit Schweineblut zu besudeln, ebenso wäre es kontraproduktiv, in einen christlichen Gottesdienst hereinzuplatzen und die Einstellung kannibalischer Riten zu fordern. Wenn das Schule machte, hätten wir bald öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzungen, die in Gewalt ausarten würden. Deshalb ist es sinnvoll, hier auf ein gewisses Maß an Rücksichtnahme zu appellieren, um Kritik nicht ausarten zu lassen. Umgekehrt erwarten wir von religiösen Menschen, dass sie die Würde von Atheisten respektieren und keine "unsachlichen" Aktionen anzetteln, die nur darauf ausgelegt sind, andere Menschen zu beleidigen und in ihrer Würde aufgrund ihres Andersdenkens zu verletzen.

Aber unabhängig davon halte ich diesen Paragraphen auch für streichungswürdig, weil Beleidigung und Sachbeschädigung bereits im Strafgesetzbuch fixiert sind. Wenn also jemand glaubhaft darlegen kann, dass er sich in seiner Würde herabgesetzt und beleidigt fühlt, weil er wegen seines Glaubens oder Nichtglaubens der Lächerlichkeit preis gegeben wurde, dürfte das nach geltendem Recht nicht ungestraft bleiben - auch ohne Blasphemievorwurf.
 

Major Tom

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Hier auch noch mal meine two cents zur Freiheit .:)
Meiner Meinung nach ist die Freiheit mehr als „nur“ eine Kategorie der Moral sondern viel mehr – nämlich überhaupt die Voraussetzung dazu.
Freiheit beruht auf unserer Fähigkeit zu willentlichem Handeln. Willentliches handeln ist Hirnforschern zufolge, das Produkt chemisch/physikalisch/biologischer Aktivität von Gehirnzellen. Struktur und Organisationsgrad sind ein Ergebnis der Evolution. Aber diese Freiheit bleibt an die Aktivität von Nervenzellen gebunden. Insofern hat @Alex durchaus recht und möglicherweise bedeutet die Fähigkeit zu scheinbar freier Entscheidung auch einen Vorteil gegenüber reinen Instinktwesen.
Aber im Hinblick auf Moral ist das so, als würde ich fragen, ob ein Computer gut oder böse ist. Gewisse Grundfunktionen sind wohl in der Hardware angelegt, aber je komplexer der Organisationsgrad desto vielseitiger die Möglichkeiten. Instinkte allein reichen nicht mehr aus, Gesellschaft mit einem vergleichsweise hoch entwickelten intellektuellem Verständnis von Ursache und Wirkung zu gewährleisten.
Die Kirche ist und war sich denke ich, dieses Problems wohl bewusst und hat dem Menschen - innerhalb der Allmacht Gottes - ein limitierte Entscheidungsfreiheit zugestanden. Oder wohl zugestehen müssen - weil ohne Willensfreiheit jede menschliche Entscheidung als belanglos empfunden und dadurch die Gefahr moralischen Verfalls gegeben wäre.
Aber auch im weltlichen Bereich wäre die öffentliche Ordnung ohne das Prinzip des freien Willens nicht aufrecht zu erhalten.
 

Jakob5

Gesperrt
Hier auch noch mal meine two cents zur Freiheit .:)
Struktur und Organisationsgrad sind ein Ergebnis der Evolution.

Hallo Major Tom,

Hast du diese Aussage auf Grund der Tatsache, dass du das Thema der Entwicklung selbst ausführlich studiert hast, oder hast du sie aus den Medien?

Die Idee, dass sich Leben durch "Evolution" (fort)-entwickelt ist leider wissenschaftlich mittlerweile widerlegt.

Tatsächlich sind Mutationen nicht die treibende Kraft, mit der sich komplexe Strukturen bilden können, im Gegenteil. Der Körper wehrt sich mit allem was er hat gegen Mutationen. Jerry Bergman (phd) hat eine Studie gemacht, in der sie 18 Millionen wissenschaftliche Berichte durcharbeiteten, darin 500 000 dokumentierte Mutationen fanden. Wieviele waren davon positiv? Nur 200. Wieviele davon erhielten NEUE Information? Keine einzige. Aber genau dieser Typ von "Evolution" ist notwendig, damit neue Strukturen entstehen können. Summa summarum: Es gibt eine "Evolution", die aber nur bestehende, funktionierende Systeme ANPASST. Das hat Darwin verwechselt: Seine Finken PASSEN SICH einfach an ihre Umgebung an, und zwar schneller, als es survival of the fittest jemals könnte: Innerhalb weniger Generationen. Wie geht das? Durch Epi-Genetik: Gene werden, je nach Gebrauch, an und ausgeschalten. Deshalb gibt es verschiedene Unterarten. Diese Anpassung ist rasend schnell und passiert auch während des Lebens eines einzelnen Individuums. Diese Mikroevolution gibt es, alles andere leider nicht. Das konnte Darwin nicht wissen: Zu seiner Zeit kannte man weder die DNA, ausserdem dachte man, Fliegen entstehen in Kothaufen "von sich aus".

Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik sagt im Prinzip, dass sich alle Systeme zu einem Zustand höherer Unordnung bewegen. Dem widerspricht der Ansatz der Evolution des Lebens komplett.
Es ist also wie gesagt überholt, und sollte nicht unreflektiert so zitiert werden, als wäre es total klar.

PS: Wenn ich als Hobbygärtner den selben Tomatentyp auf der Südseite meines Hauses pflanze, hat er kleinere, hellere Blätter, als wenn ich denselben Typ auf der Ostseite pflanze. Dort sind die Blätter grösser und grüner, weil sie eben mehr Sonne einfangen müssen.

Das ist alles Epigenetik und funktioniert innerhalb einer Generation. Keine Mutationen notwendig. Das ist ANPASSUNG eines genial ausgelegten DNA Plans, im Gegensatz zu der (meiner Meinung nach längst) widerlegten Idee von der ENTSTEHUNG komplexer Systeme.
 

Mahananda

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Hallo Jakob5,

Die Idee, dass sich Leben durch "Evolution" (fort)-entwickelt ist leider wissenschaftlich mittlerweile widerlegt.

Wenn dem so wäre, hätte man in den einschlägigen wissenschaftlichen Fachjournalen bestimmt längst darüber lesen können. Da dies aber nach wie vor nicht der Fall ist, gehe ich davon aus, dass die wissenschaftliche Widerlegung noch nicht geschehen ist.

Tatsächlich sind Mutationen nicht die treibende Kraft, mit der sich komplexe Strukturen bilden können, im Gegenteil.

Genome mutieren ständig. Entscheidend für evolutionär relevante Mutationen ist deren Verortung in der Keimbahn. Gelangen mutierte Keimzellen zur Befruchtung und nachfolgend zur Ausbildung eines neuen Organismus, entscheidet sich über das Wirken der Selektionsfaktoren, ob dieser neue Organismus seinerseits lange genug überlebt, um zu einer erneuten Fortpflanzung zu gelangen. Wenn ja, kann sich die Mutation im Genpool einer Population anreichern.

Je mehr Mutationen sich im Genpool anreichern, um so variabler wird er, so dass bei hinreichend starken Selektionsdrücken die Merkmalskombinationen der Phänotypen in Richtung einer bevorzugten, weil besser angepassten Merkmalskombination tendieren. Weniger gut angepasste Kombinationen werden verdrängt und sterben letztlich aus, wenn der Selektionsdruck anhält. Auf diese Weise ergeben sich über längere Zeiten Entwicklungslinien, die sich nach und nach aufspalten in eine Vielzahl von Entwicklungslinien, die sich unabhängig voneinander weiterentwickeln.

Die Entstehung neuer "Baupläne" ist dann nur eine Frage der Zeit und der Kombination und Abfolge von diversen Selektionsdrücken. Auch die transspezifische Evolution (sogenannte Makroevolution) ist eine Folge der graduellen Evolution, die sich in kürzeren Zeiträumen abspielt (sogenannte Mikroevolution). Genaueres kann man z.B. hier nachlesen.

Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik sagt im Prinzip, dass sich alle Systeme zu einem Zustand höherer Unordnung bewegen. Dem widerspricht der Ansatz der Evolution des Lebens komplett.

Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik trifft auf geschlossene Systeme zu. Lebewesen sind aber thermodynamisch offene Systeme. Der Energiedurchfluss und der Stoffdurchfluss bewirkt, dass sich lokal die Entropie vermindern kann (und Ordnung aufgebaut bzw. erhalten wird), während die Umgebung dadurch eine stärkere Entropiezunahme erfährt als es ohne Lebewesen der Fall wäre. Lebewesen sind Fließgleichgewichte, die sich jenseits des chemischen Gleichgewichtszustands befinden, so dass aufgrund des Stoffdurchflusses, gekoppelt mit dem Energiedurchfluss der Stoffwechsel inklusive des Strukturenbaus bei Betrieb erhalten werden kann, ohne dass hier physikalische Gesetze verletzt würden.

Das ist alles Epigenetik und funktioniert innerhalb einer Generation.

Nein, das ist Modifikation innerhalb der genetischen Reaktionsnorm (Lichtblätter versus Schattenblätter). Epigenetik ist noch etwas anderes.

Das ist ANPASSUNG eines genial ausgelegten DNA Plans

Die DNA ist und hat keinen Plan. Organismen funktionieren über ihren organisiert ablaufenden Stoffwechsel, der mit Hilfe von spezifischen Enzymen ermöglicht wird. Die Spezifik der Enzyme ergibt sich über die Spezifik der Aminosäuresequenzen, die die Faltung der Enzyme nach sich ziehen. Die Basensequenzen der DNA werden von spezifischen Enzymen als Matrize herangezogen, um in einem mehrschrittigen Prozess Proteine zu erzeugen. Es zeigt sich jedoch, dass die Basensequenz der DNA mit der Funktionalität der Enzyme nichts zu tun hat. Diese ergibt sich über das Zusammenwirken verschiedener Stoffe im Zellprozessgeschehen. Die DNA ist für sich selbst genommen nur totes Material, das - analog zu einem Kochrezept - lediglich die Zutaten auflistet, aber nichts über deren Menge und deren Verarbeitung aussagt.

zu der (meiner Meinung nach längst) widerlegten Idee

Das hättest Du von Anfang an sagen müssen. Eingangs hattest Du von wissenschaftlicher Widerlegung geschrieben. Nun ist es bloß Deine private Meinung. Na gut, wir haben ja Meinungsfreiheit. Aber dann sollte man nicht mit unbelegten Behauptungen in die Vollen gehen ... :D
 

Jakob5

Gesperrt
Das hättest Du von Anfang an sagen müssen. Eingangs hattest Du von wissenschaftlicher Widerlegung geschrieben. Nun ist es bloß Deine private Meinung. Na gut, wir haben ja Meinungsfreiheit. Aber dann sollte man nicht mit unbelegten Behauptungen in die Vollen gehen ... :D

Lieber Mahananda,
die Belegung war doch im Text enthalten. Man kann natürlich immer über jedes Thema streiten, und sich mit Texten noch und nöcher bombardieren. Du hast allerdings verschwiegen, dass diese Enstehung neuer "Baupläne" auf reiner Spekulation beruht und NATÜRLICH noch nie beobachtet wurde.

Der Beleg, dass Mutationen eben NICHT produktiv, sondern kontraproduktiv sind, ist die bereits erwähnte Bergmanstudie. Was du geschrieben hast von Mutationen sind alles Vermutungen. Man vermutet, dass Mutationen diese Baupläne "erschaffen" haben, wieso, ja weil sie da sind, irgendwoher müssen sie ja kommen!

Einverstanden dass Lebewesen keine abgeschlossenen Systeme sind, und energetisch sicher einen Haufen Entropie abgeben. Aber nicht ganz so streng genommen bedeutet der 2. Hauptsatz etwas, was wir im normalen Leben STÄNDIG erleben: Unordnung breitet sich aus, so lange keine Intelligenz wirkt. Welcher Garten ordnet sich von selbst? Welches Haus hält sich instand bzw. wird sauberer? Oder: kopiere ein Blatt mit Text 1 Million Mal, und du wirst nur noch ein schwarzes Papier haben ohne Information. So geht die Natur mit Information und Ordnung um. Die Evolution widerspricht diesem Fundamentalprinzip vehement, und obwohl etwas derartiges NIE beobachtet wurde, nimmt man es doch für bare Münze.

Mit den Konsequenzen müssen wir leben. Darwin propagierte etwas, das wir heute Rassismus nennen, und im zweiten Weltkrieg Millionen Leben kostete:

"At some future period, not very distant as measured by centuries, the civilised races of man will almost certainly exterminate and replace throughout the world the savage races. At the same time the anthropomorphous apes, as Professor Schaaffhausen has remarked, will no doubt be exterminated. The break will then be rendered wider, for it will intervene between man in a more civilised state, as we may hope, than the Caucasian, and some ape as low as a baboon, instead of as at present between the negro or Australian and the gorilla."

Deshalb geht es hier nicht nur um falsch oder wahr. Wenn es nur darum ginge, ob jetzt Mutationen gut oder schlecht sind (am Rande bemerkt, Mutationen in unserem Körper werden als Krebs bezeichnet. NIEMAND hat davon etwas Positives), wäre es nicht so tragisch. Aber es geht um viel mehr, um den Wert eines jeden Menschen, der nach der nicht die Hauptsätze der Thermodynamik verletztenden Kreationslehre, nach dem Bild Gottes geschaffen wurde, und deshalb einen enormen Wert hat, egal ob "civilised race", "negro" oder "australian".
 

Mahananda

Registriertes Mitglied
Hallo Jakob5,

die Belegung war doch im Text enthalten.

Nein, da stand nichts von wissenschaftlicher Widerlegung, sondern nur etwas von einer Studie, die ergeben hat, dass von 500.000 Mutationen 200 einen positiven Effekt gehabt hätten. Und das ist dann keine Widerlegung des Umstands, dass Mutationen die Evolution antreiben, sondern eine Benennung des Rahmens innerhalb dessen Mutationen positive Effekte erzielen können. Multipliziert man diesen Wert mit Populationsgröße und Generationenzahl ergeben sich Zahlenwerte, die man als Beleg für die evolutionsantreibende Wirkung von Mutationen interpretieren kann. Von daher war das ein Argument, das nach hinten los ging. Na gut, kann ja mal passieren ...

Was du geschrieben hast von Mutationen sind alles Vermutungen.

Nein, Mutationen sind Fakt und die Auswirkungen von Mutationen sind ebenfalls Fakt. Und Fakt ist auch, dass die meisten Mutationen, die sich nicht negativ auf die Fitness auswirken (und somit keine Chance haben, sich im Genpool anzureichern!), neutral sind - also dass sie keinerlei Auswirkungen haben, sondern sich lediglich sukzessive im Genpool einer Population anreichern. Ihre Bewertung hinsichtlich positiv oder negativ erfolgt erst, wenn sich die Population eines Selektionsdrucks ausgesetzt sieht. Und da zeigt sich die Wertigkeit der bis dahin angehäuften Variationsbreite des Genpools, denn je breiter der Variantenreichtum gestreut ist, um so größer ist die Chance, dass sich Mutanten finden, die dem Selektionsdruck standhalten können, so dass die Population nicht ausstirbt, sondern sich auch unter neuen Umweltbedingungen etabliert - mithin also besser angepasst ist.

Man vermutet, dass Mutationen diese Baupläne "erschaffen" haben, wieso, ja weil sie da sind, irgendwoher müssen sie ja kommen!

Nein, man beobachtet, wie Organismen funktionieren, stellt dabei Mechanismen fest, die dabei ablaufen und extrapoliert die Folgen dieser Abläufe auf große Zeiträume (Prinzip des Aktualismus). Und da ergeben sich infolge der notwendig sich ereignenden Bifurkationen (Artaufspaltungen) bei größeren Zeiträumen notwendigerweise Bifurkationen von Familien, Ordnungen, Klassen usw. Diese Bifurkationen lassen sich sowohl phänotypisch (einschließlich fossiler Belege) als auch molekular rekonstruieren, wobei letztere sowohl bei Proteinen wie auch bei Nucleinsäuren vorgenommen werden und Resultate erbracht haben, die übereinstimmend sind mit den phänotypischen Rekonstruktionen. Kurz: Alle Indizien belegen den Ablauf der Evolution entsprechend der aktuell ablaufenden Mechanismen. Bislang sind keine Indizien aufgetaucht, die der Evolutionstheorie widersprechen würden. Darum ist sie nach wie vor eine gültige Beschreibung der Evolution und keinesfalls wissenschaftlich widerlegt, wie Du es suggerieren möchtest.

So geht die Natur mit Information und Ordnung um.

Aber hierbei übersiehst Du den Fakt, dass Lebewesen thermodynamisch offene Systeme sind. Und hierbei werden Energiequellen angezapft, um Ordnung zu erhalten und zu vermehren (dissipative Systeme). Gärten, Häuser und Papierblätter sind keine dissipativen Systeme, die über Rückkopplungsprozesse verfügen, welche den Ordnungsgrad reproduzieren könnten. Lebewesen haben solche Rückkopplungsprozesse, deren molekulare Komponenten Proteine sind, die mit diversen Substraten agieren, so dass die bestehende Ordnung reproduziert wird. Dazu ist keinerlei Intelligenz vonnöten. Die Proteine agieren unbewusst, weil ihr Wirken über die Molekülform und die Ladungsverteilung auf der Moleküloberfläche resultiert. Es handelt sich hierbei um nichts weiter als einen differenziert verteilten Energiefluss, der den Organismus als organisiertes System im Bestand erhält.

Die Evolution widerspricht diesem Fundamentalprinzip vehement

Die Evolution fügt sich wunderbar in die Notwendigkeiten ein, die sich aus den üblichen physikalischen Abläufen ergeben. Die der Evolution zugrundeliegenden Mechanismen und Prozesse sind vollständig physkalisch beschreibbar und verstoßen nirgends gegen den naturgesetzlichen Rahmen.

obwohl etwas derartiges NIE beobachtet wurde, nimmt man es doch für bare Münze.

Artaufspaltungen wurden bereits beobachtet. Die Aufspaltung größerer Taxa ist in Anbetracht der damit verbundenen Zeiträume nicht direkt beobachtbar, aber plausibel rekonstruierbar, so dass man als Kritiker im Zugzwang steht, Belege beizubringen, die zwingend und nachprüfbar die Möglichkeit der Aufspaltung größerer Taxa widerlegen. Bislang kam da noch nichts, was zwingend gewesen wäre. Darum ist die Evolutionstheorie nach wie vor eine gültige Beschreibung der Evolution.

Und wie ich bereits angedeutet hatte, ist die Evolutionstheorie eine der am besten belegten naturwissenschaftlichen Theorien, so dass es schwierig sein dürfte, hier Belege beizubringen, die zum einen die Evolutionstheorie widerlegen und zum anderen eine bessere Theorie etablieren würden, welche sowohl die Evolution wie auch die Rahmenbedingungen, innerhalb der sich Evolution ereignet, besser und vorhersagemächtiger erklärt.

Darwin propagierte etwas, das wir heute Rassismus nennen

Abgesehen davon, dass Rassismus älter ist als Darwin und im frühen 19. Jahrhundert in der europäischen Geisteskultur etabliert gewesen ist, gibt das Zitat nicht her, dass Darwin hier etwas propagiert hätte, was später als Sozialdarwinismus Eingang in die politischen Ideologien des 20. Jahrhunderts gefunden hat. Darwin hat hier eine Prognose gestellt, die sich allerdings nicht bewahrheitet hat. Die Menschenaffen sind nicht ausgerottet worden und die anderen "Rassen", die Darwin zwischen "Kaukasiern" und "some ape as low as a baboon" verortet, ebenfalls nicht. Interessanterweise ordnet Darwin die Gorillas den Menschenrassen zu - auch ein Fehlurteil! - aber auch hier war Darwin eben ein Kind seiner Zeit.

Deshalb geht es hier nicht nur um falsch oder wahr.

Es hat immer wieder Versuche gegeben, die Evolutionstheorie für ideologische Grabenkämpfe zu instrumentalisieren. Das entwertet allerdings nicht die Evolutionstheorie als wissenschaftliche Theorie, sondern wirft ein bezeichnendes Licht auf diejenigen, die sich an diesen ideologischen Grabenkämpfen beteiligen. Man muss nicht über jedes Stöckchen springen, welches einem als vermeintlicher Knüppel zwischen die Beine geworfen wird. Man kann geflissentlich daran vorbeigehen, um auf seiner Lebensbahn weiterzuschreiten ... ;)

Aber es geht um viel mehr, um den Wert eines jeden Menschen

In der Auseinandersetzung um die Evolutionstheorie sollten wissenschaftliche Standards eingehalten werden, da es sich um eine wissenschaftliche Theorie handelt. Weltanschauliche Erwägungen haben in dieser Theorie nichts zu suchen. Darum ist es verfehlt, die Evolutionstheorie als Prügelknaben heranzuziehen, um etwas zu kritisieren, wofür sie nichts kann. Selbst wenn die Evolutionstheorie widerlegt wäre, würden die von Dir angesprochenen ethischen Probleme nach wie vor bestehen, da diese nicht aus der Evolutionstheorie resultieren, sondern aus der Art und Weise, wie Menschen miteinander leben und miteinander umgehen. Die Fokussierung auf die Evolutionstheorie ist folglich ein unnötiger Umweg, um auf ethische Sachverhalte aufmerksam zu machen.

der nach der nicht die Hauptsätze der Thermodynamik verletztenden Kreationslehre, nach dem Bild Gottes geschaffen wurde

Da es sich bei der "Kreationslehre" nicht um eine wissenschaftliche Theorie handelt, ist der Verweis auf die Thermodynamik sowohl überflüssig wie auch verfehlt. Ehrlicher wäre es, wenn Du geschrieben hättest, dass nach den Lehren der christlichen Religion der Mensch ein von Gott geschaffenes Wesen ist. Aber aus dieser Glaubensüberzeugung heraus folgt nichts, was über das hinausgeht, was aus humanistischer Sicht folgt, der auch auf naturalistischer Basis funktioniert. Von daher betrachte ich den expliziten Verweis auf religiöse Lehren als überflüssig und unnötig.

Ich erkenne allerdings an, dass für viele Menschen religiöse Lehren hilfreich sind, sich im Sinne eines naturalistisch basierten Humanismus moralisch angemessen zu verhalten. Daher übe ich mich hier in Toleranz.
 

Ich

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Mich stört es, wenn ich hier im normalen Forenbereich von kreationistischen Cranks belästigt werde.
 
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