Gravitationswellen: Wenn Neutronensterne verschmelzen

Herr Senf

Registriertes Mitglied
Man hat sich die Mühe gemacht, die Endprodukte der Kilonova GRB/GW170817 zu analysieren:
Über ca 30 Tage wurden 625 Helligkeitsmessungen gemacht, am ehesten wurden 3 Komponenten "ausgestoßen".

Gesamtmasse der abgestoßenen Materie bzw der entstandenen Elemente 1/15 Sonnenmasse
- 1/25 leichte Elemente mit v=c/7
- 1/60 leichte Elemente mit v=c/4
- 1/110 schwere Elemente mit v=c/12

Es ist wohl sofort ein Mini-Loch entstanden ohne Umweg über einen instabilen Groß-NS.
Ausführliche Infos bei https://skyweek.wordpress.com/2017/11/01/die-kilonova-was-in-ihren-lichtkurven-steckt/
Quelle https://arxiv.org/abs/1710.11576 "The Complete Ultraviolet, Optical, and Near-Infrared Light Curves ..."

Grüße Dip
 

DELTA3

Registriertes Mitglied
Hallo Bernhard,
Die Masse der Komponenten macht nicht alleine die abgestrahlte Energie aus. Der Abstand der beiden Massen ist u.U. noch wichtiger, weil das Gravitationspotential mit 1/r geht. Die Masse geht linear ein. Beim Abstand haben wir eine divergierende Funktion. Beide Parameter drücken bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne schon gemäß einer klassischen Abschätzung nach Newton die Gesamtenergie nach unten, weswegen ich da keine großen Widersprüche erkennen kann.

Da erhebt sich natürlich die Frage, bis zu welcher Entfernung Schwarze Löcher bei einer Verschmelzung noch Gravitationswellen abstrahlen können. Bekanntlich gibt es ja bei SLs einen Ereignishorizont, von innerhalb dessen nichts mehr nach aussen gelangen kann, also auch keine Gravitationswellen. Bei den von LIGO detektierten Gravitationswellen hatten die beteiligten SLs etwa 30 Mo und damit einen Schwarzschildradius von ca. 90 Km (Rs=2GM/c²). Bei etwa gleicher Größe würden die Schwarzschildradien beider SL bei einem Abstand von ca. 180 Km ineinander übergehen und beide SL einhüllen, so dass keine GW mehr abgestrahlt werden könnte, auch wenn sich die SL innerhalb des Schwarzschildradius weiter annähern.

Bei Neutronensternen sieht das anders aus. Sie haben einen Durchmesser von 10-20 Km (https://de.wikipedia.org/wiki/Neutronenstern, also einen Radius von 5-10 Km. Wenn sie sich berühren, haber ihre Schwerpunkte einen Abstand von <10 Km und sie können weiter Gravitationswellen abstrahlen, bis sie miteinander verschmolzen sind. Wenn sie zu einem SL kollabieren, ist der Schwarzschildradius bei 3 Mo ca. 9 Km.

Die Neutronensterne könnten also noch bei 1/20 des Abstandes noch GW abstrahlen, als die SL bei den ersten detektierten Garvitationswellen. Insofern wäre es aus meiner Sicht schon erklärungsbedürftig, warum bei der Verschmelzung der NS nur 1/100 der Gravitationswellenenergie wie von den SLs abgestrahlt wurde, obwohl das Massenverhältnis nur 1/20 ist.

Hier gibt es die naheliegende Erklärung, dass Materie der beiden Neutronensterne extrem stark gravitativ beschleunigt wurde und dabei dann größere Mengen an Röntgenstrahlung freigesetzt hat. Ich sehe deswegen keine Notwendigkeit auf "exotische" Vorgänge bei diesem Signal zu schließen. Siehe dazu auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Röntgenpulsar

Da sehe ich doch goße Unterschiede zwischen einem Röntgenpulsar und einem durch die Verschmelzung zweier NS hervorgerufenen GRB.

Freundliche Grüße von Delta3
 

Bernhard

Registriertes Mitglied
Diese Formel gilt nur für ein ungeladenes SL ohne Eigendrehimpuls und mit nur einer Singularität. Das ist mit dem Szenario kurz vor der Verschmelzung zweier Zentren meiner Meinung nach nur schlecht vergleichbar. Exakte Formeln zur Verschmelzung kann ich allerdings auch nicht liefern.
 

Ionit

Registriertes Mitglied
Hallo Bernhard,
Bekanntlich gibt es ja bei SLs einen Ereignishorizont, von innerhalb dessen nichts mehr nach aussen gelangen kann, also auch keine Gravitationswellen.

Bist Du sicher, dass das auch für eine Gravitationswelle gilt, denn die ist ja praktisch eine Welle in der Raumzeit "hinter dem SL", da das SL in der Raumzeit eingebettet ist. Nicht das SL selbst sendet die Gravitationswelle aus, sondern die Gravitation des SL erzeugt die Welle in der Raumzeit.
 

Herr Senf

Registriertes Mitglied
Die Delta3-Frage kann man ohne Formeln pi*Daumen so illustrieren:

wir haben 2 SL je 30 Mo und einem EH-Durchmesser von 180 km (Schwarzschild)
bei Kerr wäre der EH wegen der Rotation (Spin) kleiner, aber vom Prinzip egal

dann beobachten wir mit LIGO/VIRGO drei Phasen

o------------o ... die beiden Löcher inspiralen, wir können einige sec immer schneller werdende Umläufe messen,

..... einige Dutzend, wobei einfach potentielle (Abstands-)Energie als Gravitationswellen freigesetzt wird

oo .................. die EH's berühren sich, der Merger beginnt, wir haben eine Keule 180+180 km , also eine "Unwucht"

..... es werden massiv GW abgestrahlt, bis das Ding endlich rund ist, der neue EH wird etwa 360 km Durchmesser haben,
..... die beiden Singularitäten müssen noch ineinander stürzen, dauert im 1/10-sec-Bereich, deshalb der Peak in der GW,
..... ca. 5% der Gesamtmasse gehen weg, bis die 180 km zwischen den Singularitäten und "zu viel" Spin weg ist

O ................... das größere 360er SL hat dann etwa 57 Mo, aber der Ereignishorizont zittert noch kurz 1..2..3 sec nach

..... diese kleinen "Unwuchten" sind noch als ring down meßbar, der ring down zeigt, daß es kein massives Objekt sein kann,
..... weil ein massives Objekt sich nicht so schnell beruhigen könnte, nur der "supersteife" EH eines Schwarzen Loches.
 

Ionit

Registriertes Mitglied
O ................... das größere 360er SL hat dann etwa 57 Mo, aber der Ereignishorizont zittert noch kurz 1..2..3 sec nach

..... diese kleinen "Unwuchten" sind noch als ring down meßbar, der ring down zeigt, daß es kein massives Objekt sein kann,
..... weil ein massives Objekt sich nicht so schnell beruhigen könnte, nur der "supersteife" EH eines Schwarzen Loches.

Hallo Herr Senf,

würde das aber nicht bedeuten, dass die Gravitation innerhalb eines SL NICHT unendlich ist, denn wenn sie unendlich wäre, dürfte es doch keine "Unruhephase" über einige Sekunden (oder länger) innerhalb des SL geben (beim Verschmelzen zweier SLs) die sogar Auswirkung auf den EH hat (zittern). Eine "Unruhephase" bedeutet ja, dass dort gewaltige Kräfte hin und her zirkulieren, bzw. von einer Seite zur anderen laufen, und umgekehrt. Das dürfte doch aber nicht passieren, wenn die Gravitation unendlich wäre, da die unendlich hohe Gravitation solche Kräfte einfach "schlucken" und gar nicht zulassen würde.

Dann müsste der Merger, völlig "ruhig" und die Verschmelzung ohne jegliches "zittern" ablaufen, sobald die EHs begonnen haben, sich zu vereinen. Da das aber nicht der Fall ist, scheinen die kurzzeitig auftretenden "Gezeitenkräfte" innerhalb des EH größer als die (unendliche) Gravitation zu sein.

Oder sehe ich das falsch?
 
Zuletzt bearbeitet:

DELTA3

Registriertes Mitglied
Nicht das SL selbst sendet die Gravitationswelle aus, sondern die Gravitation des SL erzeugt die Welle in der Raumzeit.

Ein SL sendet keine Gravitationswelle aus, sondern nur 2 sich umeinander bewegende SLs, die durch ihre Gravitation die Raumzeit verformen. Aber ich denke, sobald sich beide SLs in einem gemeinsamen EH befinden, kann keine GW mehr ausgestrahlt werden. Dass es noch eine Unwucht gibt und dadurch einen "Ring-down", wie H. Senf meint, ist denkbar. Seine Darstellung ist sehr anschaulich.

Wie kommst du darauf, dass die Gravitation in einem SL unendlich sein müsste? Man weiß doch nicht, wie die Verhältnisse in einem SL tatsächlich sind. Unendlich könnte die Gravitation nur sein, wenn die ganze Masse in einer mathematischen Singularität vereint wäre, was mir sehr unwahrscheinlich erscheint. Bei einem rotierenden (Kerr-) SL müsste es auch noch ringförmig sein. Wie wäre da die Gravitation im Zentrum des Rings?

Gruß, Delta3
 

Ionit

Registriertes Mitglied
Wie kommst du darauf, dass die Gravitation in einem SL unendlich sein müsste? Man weiß doch nicht, wie die Verhältnisse in einem SL tatsächlich sind. Unendlich könnte die Gravitation nur sein, wenn die ganze Masse in einer mathematischen Singularität vereint wäre, was mir sehr unwahrscheinlich erscheint.

Häh? Es ist doch Usus, dass das SL hinter dem EH eine Singularität ist, in der Dichte, Gravitation und die Krümmung der Raumzeit unendlich ist.

https://www.mpg.de/10967263/schwarze-loecher

Wie kann es also sein, dass es dort eine kurzzeitige "Unruhe" gibt, wenn zwei SL verschmelzen, die sogar Auswirkung auf den EH hat, da die unendliche Gravitation solche "Kräfte" eigentlich unterbinden, praktisch "schlucken", müsste. Kurzzeitg scheint es so zu sein, dass es dort "Gezeitenkräfte" gibt, die die unedliche Gravitation übersteigen, denn diese Kräfte "laufen" für ein paar Sekunden durch das SL und bringen sogar das EH zum zittern, bis es sich "beruhigt" hat. Wenn die Gravitation aber unendlich hoch wäre, dürfte das nicht passieren, da diese Gravitation alle anderen Kräfte sofort "festhalten", stoppen und neutralisieren müsste, egal wie groß sie auch sind. Ein "Impuls" dürfte dann IMMER nur nach Innen zur Singularität laufen, niemals entgegengesetzt, und daher dürfte es auch kein "Zittern" geben, da "zittern" ja Ausdruck von Impulsen/Kräften ist, die die Richtung ändern (können).

Auch bei schnell rotierenden Kerr-Löchern dürfte es keine abgeflachten EHs geben, da die unendlich hohe Gravitation jegliche Zentrifugalkräfte neutralisieren würde, egal wie groß sie auch sind, da diese Zentrifugalkräfte ja endlich sind, und somit müsste auch der EH bei Kerr-Löchern absolut (perfekt) rund sein.

Oder sehe ich das falsch?
 
Zuletzt bearbeitet:

DELTA3

Registriertes Mitglied
Häh? Es ist doch Usus, dass das SL hinter dem EH eine Singularität ist, in der Dichte, Gravitation und die Krümmung der Raumzeit unendlich ist.

Das ist eine Theorie. Da es von innerhalb des EH keine Information gibt, kann man das nicht beweisen und man weiß nicht, wie die Verhältnisse innerhalb des EH tatsächlich sind.

In der Natur gibt es keine Singularitäten und Unendlichkeit, lies hierzu mal das:
http://http://www.spektrum.de/astrowissen/lexdt_s03.html#sing

Grüße, Delta3
 

DELTA3

Registriertes Mitglied
@Ionit:

Der Link scheint nicht mehr zu funktionieren, deshalb hier ein kurzer Textauszug aus Andreas Müller Lexikon der Astronomie:

Singularitäten in der Physik hängen mit denjenigen der Mathematik zusammen: eine physikalische Größe wie Druck, Temperatur oder Massendichte wird unendlich. Dieses merkwürdige Verhalten ereignet sich allerdings nur im Rahmen der theoretischen Physik bei einer Rechnung - ist aber bislang nicht in der Natur beobachtet worden.

Wie die ART auch, müssen sich alle diese Theorien an der beobachtbaren Natur messen und bestätigen lassen. Erst nach dieser Phase der Bewährung, wie es der Philosoph K.R. Popper wissenschaftstheoretisch formulierte, kann auch den neuen Theorien vertraut werden. Bislang gab es weder den experimentellen Nachweis von Singularitäten oder Hawking-Strahlung, noch von Strings oder Extradimensionen, noch von Loops oder Loop-Effekten. Die nahe Zukunft wird in dieser Hinsicht sehr spannend!

Für so manchen Forscher mag der Schritt zu gewagt, zu heterodox sein, von den klassischen Schwarzen Löchern Abschied zu nehmen; andere sind orthodoxe Verfechter der Singularitätentheoreme.
Gravasterne, Holosterne, Fuzzballs sowie andere Vakuumsternlösungen und die Singularitätenfrage sind aktuelle und brisante Forschungsthemen. Die Frage, ob die intrinsischen Singularitäten der Astrophysik ein künstliches Artefakt einer unzulänglichen, mathematischen Beschreibung sind muss daher noch unbeantwortet stehen gelassen werden.

Schade, dass der Link nicht mehr funktioniert, ich weiß nicht, ob du Andreas Müller's Lexikon der Astronomie kennst. Ich wollte damit nur sagen, dass es bis jetzt keinesfalls bewiesen ist, dass es Singularitäten außerhalb der Mathematik in der Natur gibt, und selbst wenn in einem SL eine Singularität wäre, könnte man es nicht nachweisen.

Grüße, Delta3
 

DELTA3

Registriertes Mitglied
Hallo Murx, toller Name, willkommen im Forum!

Super, dass du das entdeckt hast, ich kann in meinem Post nicht sehen, dass da der Doppelpunkt fehlt, dafür erscheint 2mal http:// - ich habe nur die Webadresse kopiert...

Danke für die Korrektur! Gruß, Delta3
 
Oben