Gravitationswellen: Wenn Neutronensterne verschmelzen

astronews.com Redaktion

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Am 17. August 2017 war es soweit: Die Teams der Gravitationswellen-Detektoren LIGO und VIRGO registrierten die Kräuselungen der Raumzeit, die durch die Verschmelzung zweier Neutronensterne entstanden waren. Gleichzeitig wurde ein Gamma-ray Burst registriert, weltweit machten Teleskope weitere Beobachtungen in anderen Wellenlängen. Die Astronomen sind begeistert. (16. Oktober 2017)

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DELTA3

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Schön, dass die Astronomen begeistert sind. Aber kann mir jemand sagen, was aus den beiden Neutronensternen entstanden ist? Was ist von ihnen übrig geblieben? Ein schwarzes Loch? Oder was Anderes? Bei der Verschmelzung von Schwarzen Löchern wurde jedesmal mitgeteilt, welche Masse das übrig gebliebene SL hatte. Warum erfährt man hier davon nichts? Sind die Neutronensterne in dem Gammablitz vollständig explodiert, oder ist irgendwas übrig geblieben? Ist das vielleicht ein ungelöstes Rätsel?

Es wäre super, wenn mich jemand aufklären könnte...

Grüße, Delta3
 

FrankSpecht

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Moin Delta3,
Bei der Verschmelzung von Schwarzen Löchern wurde jedesmal mitgeteilt, welche Masse das übrig gebliebene SL hatte. Warum erfährt man hier davon nichts?
Locker bleiben ;)
Ist alles in den zahlreichen, frei zugänglichen Papers (danke an P_E_T_E_R für die Sammlung!) vermerkt.

Z.B. im Originalpaper:
[...]the source-frame chirp mass is M = 1.188 (+0.004,−0.002)M[SUB]⊙[/SUB]
Die Vorgängermassen sind:
m[SUB]1[/SUB] ∈ (1.36;1.60)M[SUB]⊙[/SUB] and m[SUB]2[/SUB] ∈ (1.17;1.36)M[SUB]⊙[/SUB]

Sind die Neutronensterne in dem Gammablitz vollständig explodiert, oder ist irgendwas übrig geblieben? Ist das vielleicht ein ungelöstes Rätsel?
Ja, es wird wohl was übrig geblieben sein. Aber was genau, ist Gegenstand der Untersuchung:
However, upper limits placed on the strength of gravitational-wave emission cannot definitively rule out the existence of a short- or long-lived postmerger neutron star. The implications of various postmerger scenarios are explored in [45,193]
Also entstand entweder ein langlebiger Neutronenstern oder ein kurzlebiger, der sogleich zu einem Schwarzen Loch "zerfiel" (wie heißt das richtig?).

Es wäre super, wenn mich jemand aufklären könnte...
Ich hoffe, das damit getan zu haben :)

PS: Genauso interessant finde ich die Frage nach der Menge an Gold und anderen schweren Elementen, die bei der Verschmelzung dieser NS entstanden.
Dazu: Neutronenstern-Kollision schuf Gold und Platin
Allein an Gold erzeugte die Neutronenstern-Kollision wahrscheinlich genug, um 200 komplett aus Gold bestehende Erden zu produzieren, wie die Forscher berichten. Gleichzeitig entstanden rund 500 Erdmassen an Platin und dazu weitere schwere Elemente.
Wow :eek:
 
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UMa

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Hallo,

die gleichzeitige Beobachtung von Gravitationswellen und EM-Strahlung ermöglicht einen Test von alternativen Gravitationstheorien.
Das Licht und die Gravitationswellen werden durch den Shapiro delay verzögert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Shapiro-Verzögerung
Diese Verzögerung ist der der Allgemeinen Relativitätstheorie für Licht und Gravitationswellen gleich.

Modifizierte Gravitationstheorien sagen typischerweise eine deutlich geringere Verzögerung für Gravitationswellen als für Licht voraus, was in vorliegenden Fall einen Laufzeitunterschiede in der Größenordnung von 1000 Tagen ergeben würde. D.h. das Licht dürfte nach diesen modifizierten Gravitationstheorien die erde noch gar nicht erreicht haben.

Damit sind alle Alternativen zur Allgemeinen Relativitätstheorie, die einen deutlichen Unterschied im Shapiro delay zwischen Licht und Gravitationswellen vorhersagen, falsifiziert.
Siehe z.B.
https://arxiv.org/abs/1710.06168

Grüße UMa
 

Ich

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Damit sind alle Alternativen zur Allgemeinen Relativitätstheorie, die einen deutlichen Unterschied im Shapiro delay zwischen Licht und Gravitationswellen vorhersagen, falsifiziert.
Siehe z.B.
https://arxiv.org/abs/1710.06168
Das hört sich interessant an. Ich bin mir nicht sicher, was ich von dem Paper halten soll. Hieße das, dass sowohl TeVeS als auch Moffats Theorie damit erledigt sind, oder gibt es da Schlupflöcher?
 

UMa

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Ich auch nicht.
Aber Tatsache ist die offenbar nahezu gleichzeitige Ankunft der Gravitationswellen und des Lichts innerhalb weniger Sekunden, wenn man noch eine kleine Zeitdifferenz beim Aussenden berücksichtigt.
Ich habe von modifizierten Gravitationstheorien keine Ahnung. Daher weiß ich nicht, welche verschiedene Laufzeiten vorhersagen und welche nicht.

Ein Schlupfloch wäre natürlich, wenn der GRB gar nichts mit dem Gravitationswellenereignis zu tun hätte, was aber eher unwahrscheinlich (pi mal Daumen p < 1e-7??) sein dürfte. Spätestens bei der zweiten oder dritten Neutronensternverschmelzung, bei der sowohl Gravitationswellen als auch EM Strahlung beobachtet werden dürfte man unabhängige Ereignisse definitiv ausschließen können.
 

DELTA3

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Danke Frank für die Aufklärung. Die Masse der ursprünglichen Neutronensterne konnte ich dem Bericht entnehmen, ich wunderte mich nur, dass nichts über den verbleibenden Rest nach der Kollision berichtet wurde.

Offenbar gibt es nur die beiden Möglichkeiten, dass entweder ein NS oder ein SL entstanden ist, man aber nicht feststellen kann, welche Alternative zutrifft. Aber offenbar scheint die Beobachtung dieses Ereignisses aber doch wesentliche Erkenntnisse gebracht zu haben und es freut mich, dass es hier mal wieder eine interessante Diskussion gibt.

Grüße, Delta3
 

Herr Senf

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Oder einfach "Nix" außer Trümmerwolke "normaler Materie" übriggeblieben, die sich noch im Radiobereich nachbeobachten läßt.
Es ist "entartete Materie" kollidiert, wenn es die in Teile zerreißt, sind die "Entartungsbedingungen" für die Teile nicht mehr da.
Wenn keine "Wiederverschmelzung" möglich ist, dann bleibt nichts weiter übrig, daß die "Bruchstücke" zerstrahlen und den GRB machen.
FF hat in der Diskussion auf seinem Blog spaßig den Begriff "Neutronenloch" erfunden :D

Es gibt ja auch sich wiederholende Bursts:
Da hab ich vor kurzem die Vermutung gelesen, daß die von instabilen Neutronensternen kommen könnten, die zu schnell und
unwuchtig rotieren. Die Fliehkraft reißt Bruchstücke aus der Oberfläche, die dann zerstrahlen, der NS baut Drehmoment ab.

hier noch alle derzeit einschlägigen Veröffentlichungen https://blogs.cornell.edu/arxiv/2017/10/16/gw170817/

Grüße Dip
 

DELTA3

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Das ist ja interessant:

Zitat aus der LIGO-Veröffenlichung
Entweder entstand ein äußerst schwerer Neutronenstern (es wäre der schwerste bekannte Neutronenstern überhaupt) oder ein Schwarzes Loch (es wäre das leichteste bekannte Schwarze Loch). Beide Möglichkeiten sind faszinierend, aber unsere Daten sind leider nicht gut genug, um zwischen ihnen zu entscheiden. Alles, was wir sicher über dieses verbleibende Objekt wissen, ist, dass seine Masse etwa 3 Sonnenmassen (oder weniger) beträgt.

Es bleibt also ein Objekt mit etwa 3 Mo übrig. Wenn die Ausgangsmassen der beiden NS jeweils 1,1 bis 1,6 Mo betrugen, wie in dem Bericht angegeben, dann können das zusammen maximal 3,2 Mo sein. Dann könnten also maximal 0,2 Mo als Gravitationswelle und GRB abgestrahlt worden sein.

Könnte man das nicht mit der ART nachrechnen?

Grüße, Delta3
 

Ionit

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Oder einfach "Nix" außer Trümmerwolke "normaler Materie" übriggeblieben, die sich noch im Radiobereich nachbeobachten läßt.
Es ist "entartete Materie" kollidiert, wenn es die in Teile zerreißt, sind die "Entartungsbedingungen" für die Teile nicht mehr da.

Wie muss man sich das vorstellen? Es heißt ja, dass Materie aus einem Neutronenstern so dicht ist, dass ein einziger Teelöfel (voll) hundert Millionen (oder sogar Milliarden) Tonnen wiegt.

Wenn solch dichte (entartete) Materie per Trümmerwolke dem Neutronenstern entkommt (durch Kollision zweier NS) und man würde diese entkommende Materie per Teleskop beobachten, würde man dann sehen, dass aus einer Materiekugel vom Durchmesser 1 cm auf einmal ein ganzer Berg entsteht, sprich die dichte (entartete) Materie "entfaltet" sich zu einem riesigen Gebilde mit normaler Dichte? So eine Art "Neutronenstern-Popcorn" (im Großformat)?

Oder wie muss man sich das vorstellen?
 
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DELTA3

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Danke für den Link Bernhard, danach sind die Angaben in der LIGO-Veröffentlichung wohl nur sehr grob und ungenau.

Die Tabelle bezieht sich auf die Ausgangseigenschaften der beiden NS und deren Gesamtmasse wird mit 2,74 - 2,82 Mo angegeben.

Damit muss die verbleibende Restmasse nach der Verschmelzung < 2,82 Mo sein

Die abgestrahlte Energie wird in der Tabelle mit 0,025 Mo c² angegeben. Da die Tabelle die Augangswerte vor der Verschmelzung betrifft, ist mir nicht klar, ob diese Energie vor der Verschmelzung abgestrahlt wurde oder ob dies die gesamte bei der Verschmelzung abgestrahlte Energie sein soll. In diesem Fall hätte das verbleibende Objekt eine Restmasse von 2,72 - 2,8 Mo, wobei sich nicht feststellen lässt, ob es ein NS oder ein Schwarzes Loch ist.

H. Senf meinte ja, dass alles in dem GRB komplett explodiert sein könnte und das Restobjekt nur noch eine Trümmerwolke wäre. Da erhebt sich die Frage, ob die Wolke nicht nach einiger Zeit wieder kollabieren würde und dabei dann nochmal eine Gravitationswelle entsteht?

Grüße von Delta3
 

Bernhard

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Da die Tabelle die Augangswerte vor der Verschmelzung betrifft, ist mir nicht klar, ob diese Energie vor der Verschmelzung abgestrahlt wurde oder ob dies die gesamte bei der Verschmelzung abgestrahlte Energie sein soll.
Ich gehe davon aus, dass das die bei der Verschmelzung freigesetzte Energie ist. Dort ist der Abstand der Massen am kleinsten und damit sollten die umgesetzten Energiemengen dort auch am größten sein.

H. Senf meinte ja, dass alles in dem GRB komplett explodiert sein könnte
Na, ich weiß nicht so recht, was ich ohne konkrete Werte und Rechnungen von dieser Idee halten soll. Röntgenstrahlung entsteht doch gerne bei Neutronensternen. Warum sollte es die bei einer Kollision zerlegen?
 

DELTA3

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Ich gehe davon aus, dass das die bei der Verschmelzung freigesetzte Energie ist. Dort ist der Abstand der Massen am kleinsten und damit sollten die umgesetzten Energiemengen dort auch am größten sein.

Die abgestrahlte Energie wird mit 0,025 Mo angegeben. Das wäre weniger als 1/100tel der Energie, die bei der detektierten Verschmelzung der Schwarzen Löcher als Gravitationswelle abgestrahlt wurde, wobei die beteiligten Massen hierbei nur etwa 20-fach höher waren. Da scheint doch die Energie von 0,025 Mo etwas wenig, zumal ja vermutlich noch ein GRB abgestrahlt wurde.

Na, ich weiß nicht so recht, was ich ohne konkrete Werte und Rechnungen von dieser Idee halten soll. Röntgenstrahlung entsteht doch gerne bei Neutronensternen. Warum sollte es die bei einer Kollision zerlegen?

Meinst du mit 'Röntgenstrahlung' den Gamma Ray Burst ? Gammastrahlung, noch dazu als GRB ist doch wohl etwas anderes als normale Röntgenstrahlung. Ob sich Neutronensterne durch die bei der Kollision freiwerdende Energie 'zerlegen' können ist natürlich eine andere Frage und es ist wohl auch nicht geklärt, wie hierbei ein GRB entsteht.

Grüße von Delta3
 

Bernhard

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Die abgestrahlte Energie wird mit 0,025 Mo angegeben. Das wäre weniger als 1/100tel der Energie, die bei der detektierten Verschmelzung der Schwarzen Löcher als Gravitationswelle abgestrahlt wurde, wobei die beteiligten Massen hierbei nur etwa 20-fach höher waren. Da scheint doch die Energie von 0,025 Mo etwas wenig...
Die Masse der Komponenten macht nicht alleine die abgestrahlte Energie aus. Der Abstand der beiden Massen ist u.U. noch wichtiger, weil das Gravitationspotential mit 1/r geht. Die Masse geht linear ein. Beim Abstand haben wir eine divergierende Funktion. Beide Parameter drücken bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne schon gemäß einer klassischen Abschätzung nach Newton die Gesamtenergie nach unten, weswegen ich da keine großen Widersprüche erkennen kann.

...und es ist wohl auch nicht geklärt, wie hierbei ein GRB entsteht.
Hier gibt es die naheliegende Erklärung, dass Materie der beiden Neutronensterne extrem stark gravitativ beschleunigt wurde und dabei dann größere Mengen an Röntgenstrahlung freigesetzt hat. Ich sehe deswegen keine Notwendigkeit auf "exotische" Vorgänge bei diesem Signal zu schließen. Siehe dazu auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Röntgenpulsar
 
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