Leben ohne Wasser

ispom

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"Die Chemie des Lebens basiert auf Wasser"
diese Aussage ist richtig mit der Einschränkung
"Leben auf der Erde" oder "Leben wie wir es kennen"
Ich habe aber immer (auch hier im Forum) dafür plädiert, daß man sich weder Kohlenstoff-chauvinismus noch Wasser-chauvinismus zu eigen machen sollte, wenn es um den universellen Lebens-begriff geht, und ich freue mich immer wieder, wenn ich irgendwo Ideen oder wissenschaftliche Arbeiten finde, ob nun über stoffwechselnde fortpflanzungsfähige Kristalle, oder wie im folgenden beschrieben, nicht auf Wasser basierende Lösungsmittel als Medium für Lebensprozesse. (wie man sie sogar auf Titan vorfindet...
sicher auch anderswo im Weltall bei nicht so tiefen Temperaturen)

“The presence of vinyl cyanide in an environment with liquid methane suggests the intriguing possibility of chemical processes that are analogous to those important for life on Earth.”

http://advances.sciencemag.org/content/1/1/e1400067.full

Eine Oberfläche, die mit Pools von Kohlenwasserstoffen weit verbreitet ist ... und Titan ist ein Ort der Methanregen, -flüsse und -Seen .... könnte es ermöglichen, dass sich Moleküle von Vinylcyanid (C2H3CN; also known as acrylonitrile or propenenitrile) miteinander verbinden und Membranen bilden, die den auf der Erde gefundenen lipidbasierten Zellmembranen ähneln. Titans komplexe organische Moleküle zusammen mit seiner Stickstoffatmosphäre und dem Vorhandensein von Kohlenstoff-basierten Molekülen sind interessante Bestandteile.

Da nun definitiv das Molekül, Vinylcyanid entdeckt wurde, das unser bester Kandidat für eine "Protocelle" ist, und das stabil und flexibel in flüssigem Methan sein kann. "Ist dies ein Schritt vorwärts, um zu verstehen, ob Titans Methanmeere eine exotische Form des Lebens beherbergen könnten. Saturns Mond Enceladus ist der Ort, um nach dem Leben wie bei uns zu suchen, das Leben, das in flüssigem Wasser existiert. Auf Titan andererseits kann eine exotische Art von Leben beginnen und sich entwickeln in einer wirklich fremden Umgebung, die von flüssigem Methan.

Und noch weiter draußen im Universum?
"Not only is the universe stranger than we imagine, it is stranger than we can imagine"
JBS Haldane
 

Bynaus

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Ein spannender Artikel. Ich denke das Haldane-Zitat trifft es genau. Es ist für uns extrem schwierig, uns etwas derart komplexes wie ausserirdische Biologie vorzustellen - erst recht auf einer anderen chemischen Basis! Da müssen so viele Dinge zusammen funktionieren (mit der Membran allein ist es ja noch nicht getan!), dass es unklar ist, ob sowas überhaupt möglich ist (merke: ich schrieb, "unklar", und das ist nicht etwa eine Floskel, um anzudeuten, dass ich denke, dass es unmöglich ist). Ich halte es absolut für möglich, dass es andere "Biologien" gibt - aber genauso halte ich es auch nicht für ausgeschlossen, dass alles existierende Leben auf Wasser/Kohlenstoff basiert. Wir wissen es einfach nicht.

Die Suche nach Planeten in bewohnbaren Zonen hat aus meiner Sicht auch nichts mit "Wasser/Kohlenstoff-Chauvinismus" zu tun, sondern viel mehr damit, dass wir sicher WISSEN, dass Leben auf Wasser/Kohlenstoff-Basis möglich ist. Weil wir existieren, auf dieser Basis. Das ist schon mal besser als gar nichts zu wissen, das gibt uns einen Startpunkt. Wenn man in der Nacht den Schlüssel verliert, ist es keine schlechte Idee, erst mal da zu suchen, wo die Strassenlampe ist - vielleicht ist er ja da. Wenn nicht, dann kann man immer noch bis zum Morgen warten (oder so ;) ).

Und ja, wir sollten eines Tages einen Rover zum Titan schicken, am besten in die Nähe dieser "Seen".
 

pane

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Auf Titan gibt es schon eine ganze Menge Wasser, und Schwefel und Stickstoff und Kohlenstoff in Form von Methan, Ethan und Ethen und anderer Kohlenwasserstoffe. Also schon eine Ganze Menge, was wir auch hier für Leben brauchen. Und warum sollte kein Leben möglich sein, wenn nicht das Wasser, sondern die Kohlenwasserstoffe flüssig sind?

Was für Leben wohl immer gebraucht wird, ist ein Energieunterschied, und den gibt es auch viel näher, nämlich im Erdkern. Vielleicht gibt es sogar im Erdinneren exotisches Leben. Fände ich zumindest witzig.

Mit freundlichen Grüssen
pane
 

Mahananda

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Hallo pane,

Und warum sollte kein Leben möglich sein, wenn nicht das Wasser, sondern die Kohlenwasserstoffe flüssig sind?

Das liegt an den Eigenschaften dieser Flüssigkeiten. Wasser ist eine polare Flüssigkeit. Die Wassermoleküle haben einen positiven und einen negativen elektrischen Pol (Dipol-Molekül), so dass sich Moleküle, die ebenfalls polar sind, darin lösen können. Unpolare Flüssigkeiten, wie Öl oder Benzin lösen sich in Wasser nicht, sondern bilden eine Grenzschicht aus, über der sich die Ölflüssigkeit ansammelt.

Für die Entstehung von Membranen und Biokatalysatoren (Enzymen) sind polare Moleküle notwendig, also z.B. Aminosäuren, aber auch Fettsäuren mit einer polaren Molekülgruppe (z.B. Phospholipide, die die Zellmembranen bilden). Solche Moleküle lösen sich in Wasser und anderen polaren Flüssigkeiten (z.B. Alkohole oder organischen Säuren - Essigsäure oder Ameisensäure), aber eben nicht in unpolaren Flüssigkeiten wie Methan oder Ethan, welche auf Titan flüssig sind. Löslich sind in Methan und Ethan nur unpolare Moleküle, wie z.B. längerkettige Alkane, Alkene oder Alkine oder aromatische Verbindungen (Benzen, Styren oder Toluen), die aber aus chemischer Sicht recht eintönig gebaut sind, weil sie nur abgesättigte Seitenketten aufweisen, die keine katalytischen Aktivitäten zulassen.

Unsere irdischen Enzyme weisen in den aktiven Zentren stets polare Molekülreste auf, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Polarität mit anderen Molekülen wechselwirken und so z.B. Moleküle spalten oder Moleküle miteinander verbinden oder Moleküle umlagern oder auf Moleküle andere Atomgruppen übertragen usw. usw. Mit unpolaren Molekülresten ist so etwas nicht zu bewerkstelligen, weil das notwendige Energiegefälle infolge der fehlenden Polarität nicht erzeugt werden kann. Folglich ist das Zustandekommen eines Stoffwechselsystems, welches sich als Ganzes selbst erhalten kann, aufgrund der zu eng begrenzten chemischen Vielfalt nicht möglich. Hinzu kommen die tiefen Temperaturen, die die chemischen Prozesse derart verlangsamen, dass Rückkopplungsprozesse, die zur Selbststabilisierung beitragen könnten, den drohenden Kollaps infolge des Wirkens von Zerfallsprozessen nicht abwenden könnten.

Auch die gefundenen Azotosomen retten hier nicht wirklich die Situation, da sie von der Struktur her erheblich instabiler sind als unsere Lipidmembranen - was eben wiederum auf die umgekehrte Polarität der Flüssigkeiten zurückzuführen ist. Leben auf Titan schließe ich daher von vornherein aus. Aber ich bin offen für Überraschungen ... ;)
 

pane

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Noch etwas: Sah die Erde früher, also zu der Zeit, als das Leben entstand, dem Titan nicht viel ähnlicher als heute? Sicherlich war es auch damals schon wärmer, aber die Erdatmosphäre war eine reduzierende und nicht eine oxidierende.

mit freundlichen Grüssen
pane
 

Mahananda

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Hallo pane,

Sah die Erde früher, also zu der Zeit, als das Leben entstand, dem Titan nicht viel ähnlicher als heute?

Nicht wirklich. Die Titan-Atmosphäre ist Stickstoff-dominiert, so wie unsere Atmosphäre heute. Vor 4 Milliarden Jahren war die Erdatmosphäre CO2- und Wasserdampf-dominiert - also weitgehend neutral. Reduzierende Bedingungen waren im Umfeld von vulkanischen Aktivitäten gegeben, also in Kraterseen, Hydrothermalquellen, Geothermalquellen, Geysiren usw., aber eben nicht über die globale Atmosphäre verteilt.

Und die höheren Temperaturen im Vergleich zum Titan ließen es eben zu, dass auf der Erde flüssiges Wasser auskondensieren konnte, statt als Eismantel auszufrieren.
 

pane

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Nicht wirklich. Die Titan-Atmosphäre ist Stickstoff-dominiert, so wie unsere Atmosphäre heute. Vor 4 Milliarden Jahren war die Erdatmosphäre CO2- und Wasserdampf-dominiert - also weitgehend neutral.

Stickstoff ist doch wohl auch weitgehend neutral.

Reduzierende Bedingungen waren im Umfeld von vulkanischen Aktivitäten gegeben, also in Kraterseen, Hydrothermalquellen, Geothermalquellen, Geysiren usw., aber eben nicht über die globale Atmosphäre verteilt.

Also genau da, wo wahrscheinlich das Leben entstanden ist.

Und die höheren Temperaturen im Vergleich zum Titan ließen es eben zu, dass auf der Erde flüssiges Wasser auskondensieren konnte, statt als Eismantel auszufrieren.

Ich glaube ja auch nicht, dass das Leben auf Titan, wenn es dann existiert, so aussieht wie auf der Erde.

Woraus besteht die Titanoberfläche? Sicherlich hauptsächlich aus Wassereis, aber ich denke, dass ist so als wenn man sagt, die Erdoberfläche besteht hauptsächlich aus Siliziumdioxid, also Quarz. Das ist zwar richtig, aber doch gibt es auf der Erde noch eine Menge anderes Zeugs. Meist auch auf Siliziumbasis, aber eben nicht Quarz. Weiß man welche Verbindungen es sonst noch so auf der Titanoberfläche gibt?

Mit freundlichen Grüssen
pane
 

Mahananda

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Hallo pane,

Stickstoff ist doch wohl auch weitgehend neutral.

Ja schon, aber Du hattest geschrieben, dass die Erdatmosphäre früher reduzierend gewesen ist und dies in Bezug zur Titanatmosphäre gebracht, die tatsächlich reduzierend ist, weil sich ein nennenswerter Anteil von Methan in ihr befindet. Die UV-Strahlung sorgt dann dafür, dass die Moleküle auseinanderbrechen, Radikale bilden und diese Radikale sich dann zu komplexeren Molekülen zusammenfügen - bis hin zu den sogenannten Tholinen, die dann als Staub auf den Boden regnen.

Also genau da, wo wahrscheinlich das Leben entstanden ist.

Vermutlich. Vermutlich aber auch in Gezeitenzonen mit wechselndem Salzgehalt des Wassers und permanentem Zustrom und Abstrom von Flüssigkeiten, die mit diversen organischen Molekülen angereichert sind, welche aus den Bereichen stammen, wo reduzierende Bedingungen vorherrschten. Und nicht zu vergessen die Phosphate, die ja auch in löslicher Form von irgendwo herkommen müssen ...

Ich glaube ja auch nicht, dass das Leben auf Titan, wenn es dann existiert, so aussieht wie auf der Erde.

Wenn es so etwas auf Titan gäbe (was ich persönlich für ausgeschlossen halte), dann würde es von der Gestalt her unseren Archaeen ähneln - also eine relativ dünne Zellmembran mit einer Größe im einstelligen Mikrometerbereich. Der Stoffwechsel wäre allerdings exotisch wegen der unpolaren Flüssigkeit als Biosolvens.

Weiß man welche Verbindungen es sonst noch so auf der Titanoberfläche gibt?

Nicht sicher, aber man darf begründet vermuten, dass über Meteoriten auch anderes Material auf der Oberfläche vorhanden ist - von Silikaten über Metalle bis hin zu gefrorenen Gasen von Kometen, die den Weg bis zur Oberfläche gefunden haben. Und dann natürlich die schon erwähnten Tholine, die als Staub auf die Oberfläche herabregnen und u.a. Dünen bilden.
 

Bynaus

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Vor 4 Milliarden Jahren war die Erdatmosphäre CO2- und Wasserdampf-dominiert

Nicht sicher, dass das so stimmt, zumindest wissen wir es nicht mit dieser Bestimmtheit. Stickstoff war wohl schon über lange Zeit das dominierende "Stützgas" der Atmosphäre, eine reine CO2+Wasser-Atmosphäre wäre wohl kaum stabil gewesen. Der CO2-Gehalt war in früheren Zeiten im Schnitt höher, das ist korrekt, aber ob er so hoch war dass er dem Stickstoff Konkurrenz machen konnte, da hätte ich auf jeden Fall noch nie eine Arbeit gesehen, die das für irgend eine Zeit plausibel macht (bestenfalls habe ich Werte von einigen Prozent CO2 gesehen). Der Wasserdampfgehalt dieser Atmosphäre ist dann eine Funktion der Temperatur und der verfügbaren Ozeanfläche. Wenn Wasserdampf je die Atmosphären-Zusammensetzung dominiert hätte, dann wäre die Erde damit sofort in den Zustand des "Moist Greenhouse" eingetreten, bei dem die Troposhäre mit Wasserdampf gesättigt ist, an der Tropopause und darüber Wasser durch UV-Licht gespalten und der Wasserstoff ins All verloren wird. Dabei würde Protium gegenüber Deuterium bevorzugt verloren. Der Deuterium-Gehalt des irdischen Wassers passt aber gut zu jenem von Meteoriten und legt daher nahe, dass die Erde nicht viel Wasser auf diese Weise verloren hat - und entsprechend wohl auch nie im Moist Greenhouse war.

Natürlich ist das für die Diskussion um Leben auf Titan ohne Relevanz. Ich wollte nur festhalten, dass die Erdatmosphäre wohl schon immer N2-dominiert war, wobei natürlich die anderen Gase (CO2, Wasser, Methan, Sauerstoff) je nach Epoche verschieden grosse Beiträge hatten.
 
Zuletzt bearbeitet:

Mahananda

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Hallo Bynaus,

ich habe mich bezüglich der Zusammensetzung der frühen Atmosphäre auf diese Ausarbeitung bezogen. Dort wird von einem Hochofenprozess geschrieben, der die reduzierenden Gase zu neutralen umwandelte, so dass am Ende Wasserdampf, CO2 und Stickstoff übrig blieben, wobei das Wasser sukzessive auskondensierte und dabei einen Teil des CO2 als gelöstes Gas mitnahm.
 

Bynaus

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Man braucht keinen Hochofenprozess, um metallisches Eisen und Nickel zu erhalten. Meteoriten sind ja auch so voll davon! Aber das nur am Rande.

In dem verlinkten Text wird einfach mal angenommen, dass die früheste Atmosphäre dem heutigen Gasflux aus Vulkanen entspräche. Das wäre nur dann plausibel wenn

1) die Zusammensetzung des Fluxes sich seit der Urzeit nicht verändert hätte, und deshalb
2) die Reservoire dieser Stoffe vom Mantel dominiert würden

Ich denke nicht, dass das der Fall ist. Wenn wir alles CO2 der Erde nehmen, es überall im Mantel verteilen und dann die Fluxe an der Oberfläche ansehen, käme man auf weit tiefere Werte - da das CO2 heute aber nahe der Oberfläche (v.a. Sedimente) konzentriert gelagert ist, sind die CO2-Fluxe im oberflächennahen Kreislauf (über Vulkane zurück in die Atmosphäre) sehr hoch.
 

Mahananda

Registriertes Mitglied
Hallo Bynaus,

was Du schreibst, klingt plausibel, aber wie ich auch in anderen Quellen nachlesen kann, geht man überall von einer Wasserdampf-dominierten Atmosphäre vor etwa 4 Milliarden Jahren aus, die durch Ausgasungen entstanden ist, nachdem die Uratmosphäre in den Weltraum entwichen ist. Ich nahm daher an, dass das Mainstream ist. Falls Du da andere Quellen hast, wäre ich Dir für entsprechende Verlinkungen dankbar.
 

Bynaus

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Diese Seite gibt keinerlei Quellen an, man muss vermuten dass diese Annahme auf einer ähnlichen Überlegung wie bei der anderen (Vulkanismus oder ähnlich) basiert. Ich behaupte nicht, dass wir die Zusammensetzung der frühesten Erdatmosphäre kennen würden, im Gegenteil,wir kennen sie eben gerade nicht, nicht zuletzt weil wir keinerlei Proben aus jener Zeit haben. Aber wir können plausible Argumente für die eine oder andere Zusammensetzung diskutieren.

Siehe z.B. diesen Review-Artikel: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2944365/
 

Kibo

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Entschuldigung, wenn ich jetzt vom Thema abweiche, aber warum hat der Mars keine Stickstoff dominierte Atmosphäre?

Bei der Venus kann ich mir das erklären, da dort, der ganze Kohlenstoff aus der Kruste ausgebacken ist und nun die Atmosphäre dominiert. Der Sticdkstoff ist dort noch da, spielt aber aufgrund der Übermenge an CO2 keine große Rolle. Aber beim Mars ergibt das wenig Sinn.
 
Zuletzt bearbeitet:

Bynaus

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Die Marsatmosphäre enthält ebenfalls Stickstoff (wenn auch nur wenig). Aber Stickstoff ist leichter als CO2 und wird deshalb stärker verloren - und die Marsatmosphäre hat wohl einige bar CO2 verloren, entsprechend grösser sind die Verluste beim Stickstoff. Und schliesslich ist beim Mars auch noch der Mantel weniger entgast, weil er schneller abgekühlt ist. Insofern kann man den Mars nicht direkt mit Erde/Venus vergleichen.

Die Venusatmosphäre enthält etwa 3 bar Stickstoff, wie du sagst dominiert hier aber das CO2, das bei uns in v.a. in Sedimenten steckt - das H2O, das bei uns im Ozean steckt, hat die Venus via H-Verlust verloren. Natürlich gab es auf der allerfrühesten Erde weder Ozeane noch CO2. Das heisst aber nicht, dass deren Atmosphäre zwingend H2O und CO2-dominiert war, denn Magma kann ebenfalls viel CO2 und H2O speichern - die theoretische Speicherkapazität des Mantels für diese Gase übertrifft dabei die bekannten Reservoire an der Oberfläche.
 

Mahananda

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Hallo Bynaus,

erst mal vielen Dank für das verlinkte Paper. Wie ich daraus entnehmen kann, existieren mehrere Szenarien als Erklärungsansätze, wobei mir die Impaktszenarien am plausibelsten erscheinen. Hierbei ergeben sich Atmosphärenzusammensetzungen, die stärker reduzierend sind und daher im Zusammenwirken mit Energieeintrag eine höhere Ausbeute an präbiotisch interessanten Molekülen liefern - einschließlich HCN, welches als Ausgangsstoff sowohl für RNA-Basen als auch für Aminosäuren geeignet ist. Nimmt man dann noch den Eintrag von Schreibersit als plausible Phosphorquelle für frühe Synthesen hinzu, ergibt sich ein Zeitfenster für die Lebensentstehung, das recht eng begrenzt ist, bevor dieser meteoritische Zustrom versiegt.

Aus dieser Perspektive heraus ist es nicht verwunderlich, dass Leben verhältnismäßig zeitig auf der Erde erschienen ist, da das enge Zeitfenster eine spätere Lebensentstehung nicht mehr zugelassen hätte. Das heißt: Wenn irgendwo Leben auf einem terrestrischen Planeten entsteht (bzw. auf einem terrestrischen Mond), dann in der Abklingphase der Akkretion, wo die einschlagenden Meteoriten nicht mehr so groß sind, dass sie die Oberfläche aufschmelzen, aber immer noch zahlreich genug, um die Atmosphäre reduzierend zu erhalten und die Oberfläche mit Phosphat-haltigen Stäuben zu "düngen". Ein interessanter Gedanke, den ich bei Gelegenheit ja mal vertiefen kann ...

Viele Grüße!
 

Bynaus

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bevor dieser meteoritische Zustrom versiegt.

Der meteoritische Zustrom hält aber bis heute an, nicht? Wenn auch, natürlich, nicht mehr so stark wie in der ersten Milliarde Jahre.

aber immer noch zahlreich genug, um die Atmosphäre reduzierend zu erhalten

Die Atmosphäre der Venus (und des Mars) ist auch heute noch reduzierend - es kann also nicht allein an den Meteoriten liegen. Oxidierend wird die Atmosphäre wohl nur, wenn Sauerstoff freigesetzt wird - und das wiederum setzt bereits entstandenes Leben voraus, oder Wasserverlust, wobei man dann eher erwarten würde, dass dieser zuerst mit der Oberfläche reagiert.

Ein interessanter Gedanke, den ich bei Gelegenheit ja mal vertiefen kann ...

Gerne!
 

Mahananda

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Hallo Bynaus,

Der meteoritische Zustrom hält aber bis heute an, nicht?

Natürlich, aber die Zustromrate ist erheblich geringer als nach dem Theia-Impakt und vor dem LHB, wo sich der Erdkörper in den heutigen Dimensionen schon herausgebildet hatte. Das LHB stellt ja nur noch einen Peak dar, der eine mehrere Hundert Millionen Jahre lange relativ ruhige Phase beendete, bevor es danach dann noch ruhiger wurde.

Die Atmosphäre der Venus (und des Mars) ist auch heute noch reduzierend ...

Am Boden? Auf der Venus ist da ja nur eine dicke Suppe aus CO2 und auf dem Mars neben einigen flüchtigen Methanausgasungen eigentlich auch nur CO2 - wenn auch erheblich dünner verteilt.

Oxidierend wird die Atmosphäre wohl nur, wenn Sauerstoff freigesetzt wird ...

Ja, aber es ging ja darum, ob die frühe Erdatmosphäre eher reduzierend (also mit diversen Hydriden angereichert) oder eher neutral (also CO2 + H2O + N2) gewesen ist. Der oxydierende Charakter kam erst später, nachdem die Sauerstoffsenken in den Meeren und oberflächennahen Gesteinen verbraucht waren - also vor etwa 2,2 Milliarden Jahren (Erreichen des Pasteur-Punkts mit 0,2 Prozent O2, wo Atmungsprozesse in den Zellen energie-effizienter sind als Gärungsprozesse).


Ja, aber das kann noch ein wenig dauern. Falls Matthew A. Pasek richtig liegt, besteht hier wirklich ein Zusammenhang zwischen Phosphat-Düngung via Schreibersit und dem Prozess der Lebensentstehung, da sich anderenfalls wegen des nur schwer löslichen Apatits keine hinreichend hohen Konzentrationen von RNA-Nucleotiden herausbilden konnten. Und damit bestünde dann ein Zusammenhang zwischen meteoritischem Flux und dem Zeitfenster für eine Phosphat-zentrierte Chemie, die die Chemische Evolution vorantrieb, bevor sie in den Niederungen der chemischen Gleichgewichte versackt wäre. Mal sehen ...
 

Bynaus

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Das LHB stellt ja nur noch einen Peak dar, der eine mehrere Hundert Millionen Jahre lange relativ ruhige Phase beendete, bevor es danach dann noch ruhiger wurde.

Zumindest nach einem Modell, das allerdings nicht alle Planetarwissenschaftler unterzeichnen würden. ;)

Ja, aber es ging ja darum, ob die frühe Erdatmosphäre eher reduzierend (also mit diversen Hydriden angereichert) oder eher neutral (also CO2 + H2O + N2) gewesen ist.

Okay, Missverständnis meinerseits. Die Venus-Atmosphäre ist nicht reduzierend (im Sinne, dass sie freien Sauerstoff binden würde), sondern reduziert - und wie du sagst, heute neutral / inert.

Und damit bestünde dann ein Zusammenhang zwischen meteoritischem Flux und dem Zeitfenster für eine Phosphat-zentrierte Chemie, die die Chemische Evolution vorantrieb, bevor sie in den Niederungen der chemischen Gleichgewichte versackt wäre

Hm, da gäbe es aber trotzdem noch viel Klärungsbedarf. Wie hoch muss denn der Flux sein, damit das funktioniert? Der LHB Flux war auch nicht so viel höher als heute, vielleicht 100 bis 1000 Mal oder so - könnte es nicht sein, dass auf einer leblosen Erde auch heute noch Leben entstehen könnte - es im Schnitt einfach 100 bis 1000 mal langsamer gehen würde? Schliesslich tauchte das Leben kurz nach dem LHB auf - da wäre 100 bis 1000 mal langsamer vielleicht gar nicht so dramatisch.

Es ist aber eine interessante Hypothese.
 
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