Verletzung der ART oder des holographisches Prinzips aus GW150914?

TomS

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Ein paar Ideen zu den kürzlich veröffentlichten Ergebnissen der LIGO-Experimente zum direkten Beweis der Gravitationswellen aus GW150914 sowie einem neuen Paper zur Spinpräzession schwarzer Löcher; daraus folgt möglicherweise, dass entweder eine Verletzung der ART zur Physik schwarzer Löcher vorliegt, oder dass das holographische Prinzip nicht gilt.

Zunächst mal zu den Ergebnissen von LIGO:
http://arxiv.org/abs/1602.03837
https://dcc.ligo.org/public/0122/P1500213/027/paper.pdf

Aus der Analyse der Daten folgen für die beiden initialen sowie das finale schwarze Loch m1 = 36 Sonnenmassen, m2 = 29 Sonnenmassen und M = 62 Sonnenmassen. Für die in Form von Gravitationswellen abgestrahlte Masse findet man E = 3 Sonnenmassen. Das resultierende schwarze Loch hat einen Drehimpuls von ca. 0.67 des maximal erlaubten Wertes für ein neutrales Kerr-Loch.

Diese Werte sind verträglich mit der ART
http://arxiv.org/pdf/hep-th/0203101v2.pdf
Aus dem Area-Theorem folgen dabei ein maximal erlaubter Wert für die abgestrahlte Energie und damit die Bedingung, dass dA/dt > 0 gelten muss.

Gemäß dem holographischen Prinzip entspricht die Oberfläche eines schwarzen Lochs direkt der Entropie, die von (unbekannten) Freiheitsgraden der Quantengravitation getragen wird. Dabei liegt eine duale Beschreibung vor, der zufolge die Freiheitsgrade im Inneren des Ereignishorizontes durch eine duale Beschreibung auf der Oberfläche ersetzt werden können.
http://arxiv.org/abs/hep-th/9409089

Nun ist für GW150914 keine direkte Beobachtung der Freiheitsgrade des schwarzen Lochs möglich, jedoch eine indirekte Beobachtung der Gravitonen in Form der abgestrahlten Gravitationswellen. Dazu analysiert man mittels einer Art Fouriertransformation die von GW150914 detektierten Gravitationswellen und rechnet auf die emittierten Gravitonen zurück. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gravitationswellen einer Rotverschiebung unterliegen, da sie ja aus der Umgebung der verschmelzenden schwarzen Löcher stammen; man muss diese Gravitationsrotverschiebung herausrechnen..

Man unterscheidet die initialen schwarzen Löcher, bei denen die Gravitationswellen aus einer großräumigen Verzerrung der Raumzeit beruhen, sowie das finale schwarze Loch, das die Gravitationswellen direkt vom nachschwingenden Horizont abstrahlt. Man spricht dabei von sogenannten „ring-down modes“
http://arxiv.org/pdf/1207.0399v2.pdf
Das interessante ist nun, dass diese ring-down modes ebenfalls einen Rückschluss auf die initialen schwarzen Löcher zulassen.

Berechnet man den Informationsverlust der initialen schwarzen Löcher aufgrund der near-horizon Gravitonen (d.h. nach dem Herausrechnen der Gravitationsrotverschiebung aus den ring-down modes), d.h. setzt man die Information direkt mit den abgestrahlten Freiheitsgraden der Quantengravitation gleich, so folgt ein größerer Wert als aus der bei LIGO zunächst durchgeführten Berechnung rein auf Basis der ART. Dazu ein Preprint aus 11/2014, das kürzlich in den Physical Review Letters veröffentlicht wurde: „Effective Potentials and Morphological Transitions for Binary Black Hole Spin Precession“
http://arxiv.org/pdf/1411.0674v2.pdf
http://phys.org/news/2015-03-insights-black-hole-collisions.html

Nun kann man diese Ergebnisse mittels bisher bekannten Ansätzen zur Quantengravitation berechnen, insbs. mittels der LQG. Wichtig ist dabei, dass Ansätze für sogenannte nicht-extremale schwarze Löcher existieren, die über die ursprünglichen Berechnungen zu extremalen schwarzen Löchern im Rahmen der Stringtheorie hinausgehen (mit diesen extremalen schwarzen Löchern jedoch verträglich sind)
http://arxiv.org/pdf/1204.5122v1.pdf
http://arxiv.org/abs/1504.05352

Dabei findet man zunächst, dass die Entropie sowie das Spektrum der Hawkingstrahlung im Rahmen der LQG einen freien Parameter, den sogenannten Immirzi-Parameter enthält, der einen direkten Vergleich mit Hawkings Arbeiten sowie mit der Stringtheorie unmöglich macht. Man weiß inzwischen jedoch, wie und auf welchen Wert dieser Parameter fixiert werden muss. Daraus resultiert eine Quantenkorrektur der Entropie sowie des Spektrums im Vergleich zu den klassischen Arbeiten von Hawking.

Interessant ist nun, dass aus der Betrachtung der Gravitonen aus GW150914 ein anderer Wert dieses Parameters folgt. Damit wären sämtliche Modelle, die die Hawkingstrahlung (bis auf Quantenkorrekturen) reproduzieren und für die das holographische Prinzip (bis auf Quantenkorrekturen) gilt, unverträglich nicht mit den Ergebnissen von LIGO, die aus der ART gewonnen wurden.

Schlussfolgerungen: Entweder sind die Ergebnisse von LIGO zu GW150914 nicht korrekt, insoweit sie auf Modellen der ART basieren, die zur Berechnung und von Masse und Drehimpuls des finalen schwarzen Lochs benutzt werden. Oder diese klassischen Modelle sind korrekt, dann hat jedoch eine große Klasse von Modellen zur Quantengravitation ein Problem, mittels derer für die ring-down modes bzw. der near-horizon modes die abgestrahlten Gravitonenfreiheitsgrade berechnet werden. Letzteres würde wohl eine Verletzung des holographischen Prinzips bedeuten, während ersteres besagt, dass die veröffentlichten Werte zu Massen und Drehimpulsen bei GW150914 korrigiert werden müssten.

Ich bin jedenfalls gespannt, wie’s weitergeht.
 

Dgoe

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Apropos holografisches Prinzip:

Ein toller Link aus der Wikipedia und eher Entertainment, nicht abwertend gemeint, wirklich sehr gut gemacht, ist die BBC/Science Channel Co-production: BBC Horizon 2011 What is Reality HDTV bei dailymotion, Editor: Aidan Lawerty, Written & Directed by Helen Shariatmadari.

Ganz großes Kino für eine Reportage (ohne unrealistisches Animationsgewitter). Top sehenswert.

Gruß,
Dgoe

P.S.: mit Tegmark, Susskind und vielen anderen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Dgoe

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Ob das Thema ein Aprilscherz ist oder nicht, kann ich übrigens nicht mehr beurteilen.
Weil das nur am 1. April selber geht? :D

Das ist kein Scherz, dafür hat Tom zu viel geschrieben, und besonders lustig wär das nicht. Klingt eher spannend, wenn man denn folgen kann...

Gruß,
Dgoe
 

TomS

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Weil das nur am 1. April selber geht?
Ich hab' das aber am 1. April geschrieben.

Das ist kein Scherz, dafür hat Tom zu viel geschrieben, und besonders lustig wär das nicht. Klingt eher spannend, wenn man denn folgen kann...
Natürlich ist es spannend, wenn sich aus der Kombination experimenteller Resultate und theoretischer Überlegungen Widersprüche ergeben, so dass gewisse Schlussfolgerungen aus etablierten Theorien oder verbreitetere Hypothesen aufgegeben oder zumindest modifiziert werden müssen.
 

Dgoe

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Ich hab' das aber am 1. April geschrieben.
Weiß ich doch. Ich war nur am rätseln, warum das Bernhard nicht mehr beurteilen könne, ob Aprilscherz oder nicht.


Natürlich ist es spannend, wenn sich aus der Kombination experimenteller Resultate und theoretischer Überlegungen Widersprüche ergeben, so dass gewisse Schlussfolgerungen aus etablierten Theorien oder verbreitetere Hypothesen aufgegeben oder zumindest modifiziert werden müssen.
Zweifelsohne. Nur ist der Durchblick nicht jedermanns Sache, von daher sitzt man eher auf der Zuschauertribüne oder lauscht einem Radiosender. Ach, ich kann es schlecht beschreiben, wie das ist. Auf jeden Fall auch ohne Durchblick spannend.

Gruß,
Dgoe

@Bernhard: die gg am Ende der Formel sind der Knüller. :D
 

Dgoe

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Wenn es ein Aprilscherz war, dann hast Du Dir echt Mühe gegeben und ich bin Dir voll auf den Leim gegangen. ;)

Also doch 'n Scherz.

Ich geh bald am Stock......

Der war gut. Hut ab.
 

Dgoe

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ja dann........

Schade eigentlich, ich mag das holografische Prinzip nicht besonders - aber auf mich hört ja keiner. :(
 

ralfkannenberg

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Ein paar Ideen zu den kürzlich veröffentlichten Ergebnissen der LIGO-Experimente zum direkten Beweis der Gravitationswellen aus GW150914 sowie einem neuen Paper zur Spinpräzession schwarzer Löcher; daraus folgt möglicherweise, dass entweder eine Verletzung der ART zur Physik schwarzer Löcher vorliegt, oder dass das holographische Prinzip nicht gilt.

(...)

Ich bin jedenfalls gespannt, wie’s weitergeht.
Herzlichen Glückwunsch, Du bist der einzige, der mich dieses Jahr in den April geschickt hat. Super gut gemacht, ich wusste noch gar nicht, dass Du über so einen feinen Humor verfügst :)


Freundliche Grüsse, Ralf
 

FrankSpecht

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Herzlichen Glückwunsch, Du bist der einzige, der mich dieses Jahr in den April geschickt hat. Super gut gemacht, ich wusste noch gar nicht, dass Du über so einen feinen Humor verfügst
Ich muss mich da Ralf uneingeschränkt anschließen!

Ich wurde nur kurz stutzig, als du das Herausrechnen der
Gravitationsrotverschiebung
erwähntest. Aber aus Mangel an Verständnis der gesamten Materie hatte ich dir das, sowie den ganzen Rest, beinahe abgenommen. :eek:

Dein gelungener Scherz erinnerte mich auch wieder an einen Aprilscherz in der Scientific American aus den mittleren 80er Jahren.
In dem Artikel ging es um irgendwas Biologisches - nicht mein Fachgebiet. Egal, jedenfalls hatte ein Biologiestudent den Artikel wohl ernst genommen und eine Hausarbeit aufbauend auf diesem Artikel geschrieben - und ist damit durchgefallen. Daraufhin hatte der Student der SciAm einen bitterbösen Leserbrief geschrieben. ;)
 
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