Mars Rover und ihre Räder

Wotan

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Curiosity Räder Rißspiegel Sol 476

Hmm, vielleicht sollte man mal einen Reifenwechsel vornehmen. ...

Hallo Ralf,

eigentlich haben die Amerikaner große Erfahrung mit dem durchqueren von Wüsten. Schon vor 130 Jahren hat das berühmte Twenty-mule team einen Teil der Mojave Wüste durchquert, um Borax aus Death Valley zur nächsten Bahnstation zu bringen. Damals waren die Räder über 2 m groß und die Radlauffläche bestand aus 25 mm dicken Eisen und das soll ohne Radwechsel gehalten haben. Heute bei Curiosity sind die Räder 0,5 m groß und die Radlauffläche ist aus 0,75 mm dicken Aluminium 7075.
Die Materialien haben sich in den 130 Jahren verändert aber nicht das Problem.

Die Curiosity Räder hat man auch in der Mojave Wüste getestet, wahrscheinlich aus guter alter Tradition?

Drücken wir mal die Daumen damit es noch eine Weile ohne Radwechsel geht. :)

Grüße
Wotan
 

ralfkannenberg

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Drücken wir mal die Daumen damit es noch eine Weile ohne Radwechsel geht. :)
Hallo Wotan,

vielleicht können die ein paar Reserveräder mitnehmen und den Radwechsel vollführen; der Landeplatz ist ja noch nicht festgelegt und die Curiosity ist ja auch nicht ganz grundlos dort gelandet.

Das heisst ja nicht, dass die beiden Rover dann nach dem Radwechsel nebeneinander herfahren und dieselben Steine untersuchen müssen.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Wotan

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Curiosity Räder Rißspiegel Sol 758

Der Rißspiegel zeigt den Stand der Beschädigungen in den Radlaufflächen.
Status zum 23.9.2014, Sol 758, 9,8 km gefahrene Strecke seit Sol 0.

Seit Sol 476 wurden 5,1 km gefahren, dementsprechend veränderte sich der zustand der Räder.
Auffällig ist der geringe Verschleiß an den Hinterrädern.
Der Bohrer soll sich drehen nicht die Räder, in einer Pressekonferenz im September, verkündigt die NASA neue Prioritäten. Zukünftig soll weniger gefahren werden dafür soll es mehr Detailuntersuchungen geben.
Es ist etwas wärmer geworden die Temperatur liegt bei +5 bis -75 Grad Celsius (ab Sol 700).

  Links
Rechts
- -
Vorderrad​
Mittelrad​
Hinterrad​
S​
Vorderrad​
Mittelrad​
Hinterrad​
[A_____M_____I]​
[A_____M_____I]​
[A_____M_____I]​
[I_____M_____A]​
[I_____M_____A]​
[I_____M_____A]​
~​
1​
~[O]~​
2​
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[O]   ~​
3​
o
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  [o]​
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[OOO]~​
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   ~    o​
 ~~    ~~​
9​
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[o]  [O]
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11​
~   ~
~~   ~​
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[O]  ~~
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14​
~       [O]
[OO]  ​
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[O]
[o]   ~
17​
~~   ​
18​
19​
~~[OOOO]
~    ​
20​
 ~
~    ​
a​
~  ​
b​
c​
d​
e​
f​
g​
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Einige Symbole in der Tabelle sind als Link auf die entsprechenden NASA Bilder ausgeführt. Einfach drauf klicken und anschauen.
Quelle: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Legende:
Position der Beschädigung.
Die Räder sind in Fahrtrichtung gesehen mit links und rechts bezeichnet. Von jeder Seite ist das Vorderrad, das Mittelrad und das Hinterrad mit jeweils einer Spalte aufgelistet. Die Segmentbezeichnung 1-20 und a-g kennzeichnet die Lage des Schadens auf dem Radumfang. Die Radsegmente werden im Rißspiegel als Zeilen dargestellt. Die Numerierung der Segmente erfolgt gegen den Uhrzeigersinn * und beginnt, in Fahrtrichtung mit dem 1. Segment Nach dem Morse-Code. Die Segmente des Morse-Code's werden mit den Kleinbuchstaben a bis g bezeichnet.

Siehe Zeichnung: Curiosity Rad

Für jede Spalte wird die Innen- und die Außen-Seite des Rades angegeben. Außen-Seite ist die vom Rover abgewandte Seite.
Links [A_____M_____I] und auf der Rechten Seite entgegengesetzt Rechts [I______M_____A].

Symbole für die Beschädigungen:
~Riß bis 30 mmoLoch bis 10 mm
~~Riß bis 60 mm[O]Loch bis 30 mm
~~~Riß bis 90 mm[OO]Loch bis 60 mm usw.
=/=Bruch einer Profilrippe== Riß bis 60 mm parallel zur vorhandenen Strukturen
-- - - - - -- -- - - - - -- -- - - - - -- -- - - - - --

* Uhrzeigersinn = Drehsinn bei normaler Vorwärtsfahrt.

Grüße
Wotan
 

SFF-TWRiker

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Zu den Bohrkernen:
Der aktuelle und die beiden Reserve-Bohrkerne sind auf insgesamt ca. 80 Bohrungen ausgelegt.
Die derzeitige Bohrung ist erst die 5.!

Übermorgen gibt es bei der NASA übrigens ein Briefing wegen des Kometen Siding Spring, der durch die beiden Rover sowie drei der Orbiter beobachtet werden soll. Am 19.10. nähert sich der Komet bis auf weniger als 40% des Abstandes von Erde und Mond dem Mars an.
Das wird mit Sicherheit spannend.
 

Wotan

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Curiosity Räder Rißspiegel Sol 758

Die NASA hat ihre Paritätsänderung prompt umgesetzt, der Rover steht schon ungewöhnlich lange an der gleichen stelle. Es wird gebohrt und analysiert. Ist ja auch der eigentliche Zweck eines Mars-Wissenschaftslaboratoriums. Hier sollen aber die Rover Räder im Mittelpunkt stehen. Der letzte Rißspiegel Sol 758 zeigt ja den aktuellen zustand der Räder. Da ist es schon vernünftig die Ressourcen für die Mobilität mit bedacht einzusetzen.

Das eigentliche Ziel hier bei „Mars Rover und ihre Räder“ ist es den Unterschied der Rover Räder darstellen und anschließend den hohen Verschleiß der Curiosity-Räder zu erklären.

Das Thema vor dem Rißsiegel war die „Konstruktionsanalyse der Curiosity Räder“
und weitergehen wird es mit: Fertigung der Räder.

Grüße
Wotan
 

Wotan

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Die Fertigung der Räder

Die Räder bestehen aus Hochfesten Aluminium 7075 und wurden aus dem vollen gefertigt.

Aluminium 7075 oder EN AW-7075, DIN: AlZnMgCu1,5
Dieses Aluminium ist ein Hochfester Werkstoff mit sehr guten Zerspanungseigenschaften, aufgrund der hohen Festigkeit und dem geringen Gewichts wird dieser Werkstoff gerne für Luft- und Raumfahrt verwendet. Das fertigen aus dem vollen gibt den Konstrukteuren einen hohen Gestaltungsfreiraum man muß keine anderen Fertigungsverfahren berücksichtigen. Die Materialstärke der „Blechfläche“ zwischen den Profilrippen wurde mechanisch bearbeitet und auf 0,75 mm Dicke reduziert.

Blech
Die durch spanende Bearbeitung erstellte „Blechfläche“ hat nicht viel mit Blechen zu tun die wir aus dem Alltag kennen. Getränkedosen, Gehäuseverkleidung, Farad-fegen, Gebäudeverkleidung und Kfz-Bleche sind Blechprodukte die wir kennen. Diese Bleche werden in Walzwerken hergestellt, Bleche mit einer Stärke von kleiner 3 mm, nennt man Feinbleche, diese werden durch Kaltwalzen hergestellt. Durch das Walzen erhält das Blech spezifische Eigenschaften in der Mikrostruktur. Das Material wird kaltverfestigt und durch anschließende Wärmebehandlung wird ein günstiges Korngefüge eingestellt das bessere mechanische Eigenschaften aufweist. Auch die hohen Oberflächenqualitäten, mit Rautiefen < 1µm, verbessern die Festigkeit.
(1 Mikrometer = 1µm = 10[SUP]−6[/SUP] m)​
Spanend bearbeitete Blechflächen haben die gleichen Abmessungen aber nicht die gleichen Eigenschaften wie gewalztes Material.


Die Radlauffläche, mit den Blechflächen zwischen den Profilrippen und den Morse-Code, wurde auf einem CNC Bearbeitungszentrum gefertigt. Die Freiformflächen wurden mit 3D-Frästechnik hergestellt. Ein Werkstück wie das Curiosity-Rad aus dem Vollen zu fertigen bedeutet das der Rest des Materials in Späne verwandelt wird. Ein solcher Fertigungsprozeß beginnt mit dem Schruppen, hierbei nähert man sich der Endkontur des Werkstücks bis auf wenige Zehntel Millimeter. Die Schrupp-Arbeitsgänge haben ein hohes Spanvolumen hinterlassen aber eine rauhe Oberfläche. Deshalb endet der Fertigungsprozeß mit dem Schlichten, hierbei werden die Konturen des Werkstücks auf das richtige Maß gebracht und die gewünschten Oberflächenqualitäten erstellt.
Nur dieser letzte Arbeitsgang hinterläßt Spuren auf dem fertigen Werkstück, die wir uns einmal genauer anschauen wollen.

Fortsetzung folgt.

Grüße
Wotan
 

Wotan

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Die Fertigung der Räder

Um die Bearbeitungsspuren auf dem Curiosity-Rad erkennen zu können brauchen wir licht das in einem bestimmten Winkel von der Oberfläche in die Kamera reflektiert wird. Da muß man etwas suchen damit man Fotos mit Lichtreflexen im richtigen Winkel findet. Alleine das wir Bearbeitungsspuren auf der Oberfläche erkennen können sagt etwas über die Rauheit der Flächen aus. Für unser Auge wirken Rauheiten R[SUB]a[/SUB] < 0,1 µm wie ein Spiegel es sind keine Bearbeitungsspuren zu erkennen.

Die Rauheit beschreibt die Oberflächentopographie.
Die mittlere Rauheit R[SUB]a[/SUB] ist der arithmetischen Mittenrauwert und
Rautiefe R[SUB]t[/SUB] ist die Höhendifferenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Punkt.
Um die Größenordnungen zu verstehen wird gerne der Vergleich mit dem menschlichen Haar benutzt. Die Haardicke von 0,05 mm entspricht 50 µm.

Freiformflächen, wie diese auf der Radlauffläche, werden gerne mit Kugelfräser oder Radiusfräser bearbeitet. Ein solcher Fräser hinterläßt Fräsbahnen die im Querschnitte ein Kreissegment zeigen, da der eingreifende Teil des Fräser eine Kugelkalotte ist.
Kugelfräser oder Radiusfräser: Radiuskopf, kugelförmige Spitze d = 4 mm, r = 2 mm

Bild Curiosity-Rad mit Bearbeitungsspuren
Das Bild hat einen günstigen Lichteinfall so das man die Fräsbahnen gut erkennen kann. Die Bahnen des Kugelfräsers laufen zwischen den Profilrippen hin und her. Die des Torusfräser laufen parallel zur den Profilrippen, im Bild mit „T --->“ gekennzeichnet.
Bildquelle: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Ein Fräser mit Kugelform liefert uns 2 unterschiedliche Rauheiten, eine längs zur Fräsbahn die von den Schnittdaten abhängt und eine 2. quer zur Fräsbahn, die nur vom Fräserdurchmesser und Bahnabstand abhängt. Die 1. Rautiefe müßte gemessen werden, das können wir leider nicht. Erfahrungswerte sagen uns, bei dieser Bearbeitungsart, Rautiefen R[SUB]t[/SUB] < 10 µm voraus.

Zeichnung Bahnen des Kugelfräsers
Die Zeichnung zeigt einen Querschnitte durch die Fräserbahnen des Kugelfräsers. Die Fräserbahnen liegen in Drehrichtung des Rades. Im Hintergrund ist die Profilrippe zu sehen.
d = Durchmesser des Kugelfräsers
b[SUB]a[/SUB] = Bahnabstand
R[SUB]th[/SUB] = Rautiefe abhängig von b[SUB]a[/SUB] und d
Bildquelle: Eigenerstellung durch Wotan.


Die 2. Rautiefe kann berechnet werden:
R[SUB]th[/SUB] = d/2 – ((d[SUP]2[/SUP]-b[SUB]a[/SUB][SUP]2[/SUP])/4)[SUP]0,5 [/SUP] in [mm]mit:
d = Durchmesser des Fräser [4 mm]
b[SUB]a[/SUB] = Bahnabstand [2 mm] aus Bildmaterial geschätzt
ergibt es: R[SUB]th[/SUB] = 0,26 mm
Das einspricht 260 µm, ein ungewöhnlich hoher Wert für eine Rautiefe. Auch die Bilder zeigen bei den Fräsbahnen zwischen den Profilrippen deutliche Berg und Tal Konturen. Das könnten schon 260 µm sein.

Zum Vergleich gängige Werte beim 3D-Frästen:
Kugelfräser d = 4 mm und Bahnabstand b[SUB]a[/SUB] = 0,4 mm das ergibt eine R[SUB]th[/SUB] = 0,010 mm.

Diese Werte auf die Fertigung des Curiosity Rad übertragen würde bedeutet das der Fräser für die Fertigung eines Radsegments 1000 mal zwischen den Profilrippen hin und her fahren muß. Da Radbreite / Bahnabstand 400/0,4 =1000 Bahnen. Kalkulierten wir eine Bahn mit 5 s, dann benötigt der Schlichtarbeitsgang mit dem Kugelfräser mehr als 1,5 h pro Segment, und mehr als 24 h für die 20 Segmente pro Rad. Deshalb hat man andere Werte für eine schneller Fertigung gewählt. Bei der Bearbeitung von Freiformflächen mit Kugelfräser gilt es immer einen Kompromiß zwischen Bearbeitungszeiten und Oberflächenqualitäten zu finden.
Man könnte annehmen eine größere Rautiefe auf der Radlauffläche ist doch eher gut da sie die Haftreibung den Grip erhöht. Das ist mit Sicherheit so aber dieser Wert hat noch eine ganz andere Bedeutung das sehen wir später bei den Thema der Festigkeitsberechnung.

Fortsetzung folgt.

Grüße
Wotan
 

Wotan

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Die Fertigung der Räder

Dieses Bild möchte ich noch zum Thema Rautiefe R[SUB]th[/SUB] nachliefern.

Bild: Riß und Bahnen des Kugelfräsers
Eine Aufnahme der Science Cameras Chemistry & Camera (ChemCam).
Das Bild zeigt eine Bruchfläche im Blech zwischen den Profilrippen.
Oberhalb der Bruchfläche sehen wir die Bahnen des Kugelfräsers mit ihrer Berg und Tal Form.
Die Blechdicke sollte hier 0,75 mm betragen. Der Unterschied der zwischen Berg und Tal der Fräserbahn sollte dem berechneten Wert R[SUB]th[/SUB] = 0,26 mm entsprechen.
Bildquelle: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Die mechanische Belastung die den Riß entstehen ließ hat die Blechfläche verbogen und verzerrt aber die Fräserbahnen sind trotzdem noch gut zu erkennen. Das muß man sich nochmal vor Augen halten: Wir sehen hier einen Riß, in einem Rad, von einem Gefährt, das auf dem Mars steht also über 60 Millionen km entfernt ist.

Fortsetzung folgt.

Grüße
Wotan
 

Wotan

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Die Fertigung der Räder

Die Siding Spring Pause ist vorbei es geht weiter mit der Analyse der Rover Räder.
Um die Fehlerquellen zu erkennen müssen Fertigungsdetails untersucht werden, ich hoffe das die Erklärungen für alle verständlich sind.
Die meisten haben wahrscheinlich noch nie etwas mit Fertigungstechnik zu tun gehabt, deshalb hier einmal zur Einstimmung ein CNC Bearbeitungszentrum im Einsatz.
Die Videos zeigen nicht die Fertigung der Curiosity Räder sonder vergleichbare Ferigungsverfahren.

http://www.youtube.com/watch?v=NP4sDX87JE8
Bearbeitung von Aluminium, so ähnlich sind die Profilrippen entstanden.
Video 1 Min. Quelle: Youtube

https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=r_DuHJ_PtKU
Aluminium Verdichterrad aus dem Vollen gefertigt mit den Fertigungsschritten Schruppen und anschließend Schlichten mit Kugelfräser.
Video 6 Min. Quelle: Youtube

Grüße
Wotan
 

Dgoe

Gesperrt
Beeindruckend!

Auch wenn ich die Zukunft im Laser-3D-Druck sehe, was mit dem (...) sogar mit Bronze, Platin, Gold und Silber(-Pulver) geht, bis 50x50x50 cm Volumen (oder 60), auf allerdings nur 50 µm geschlichtet (kleinste Abstufung), aber immerhin, halt nachpolieren. (Das Gerät hat vor einigen Jahren allerdings noch 800 Tausend Euro gekostet, wenn ich mich richtig erinnere)

Gruß,
Dgoe
 
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Wotan

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Die Fertigung der Räder

Zeichnung: FQP-1, Fräserbahnen im Querschnitt durch die Profilrippe 1. Zeichnung

Die Zeichnung: FQP-1 zeigt einen Querschnitte durch die Profilrippe,

rechts von der Profilrippe wird eine fertig bearbeitet Kontur dargestellt und links von der Profilrippe sieht man die jeweiligen Bearbeitungsschritte. Fräser die sich im Einsatz befinden sind grün dargestellt. Das Aufmaß für den letzten Schlichtarbeitsgang wurde in Magenta eingezeichnet. Das Schlichten als letzter Arbeitsgang hat alle Spuren der vorigen Arbeitsgänge beseitigt deshalb werden hier nur die letzten Fertigungsschritte beschrieben.

Werkzeug: Kugelfräser oder Radiusfräser, Radiuskopf, kugelförmige Spitze d = 4 mm, r = 2 mm.
Wir starten mit dem schlichten zwischen den Profilrippen, nun laufen die Kugelfräserbahnen von links nach rechts und enden einige mm vor der Profilrippe, hier findet der Bahnwechsel statt.
Siehe Zeichnung: FQP-2.

Beim Bahnwechsel bewegt sich der Kugelfräser, um den Bahnabstand b[SUB]a[/SUB], ins Bild und danach fährt er von rechts nach links um die nächste Bahn zu bearbeiten. Und so pendelt er hin und her bis alle Bahnen zwischen den Profilrippen bearbeitet wurden. Für die Bearbeitung der Profilrippen wird das Werkzeug gewechselt.
Siehe Zeichnung: FQP-3.

Werkzeug: Torusfräser, Zylindrischer Fräser d = 4 mm mit Eckenradius r = 0,5 mm.
Die Profilrippen wurden mit einem Torusfräser erzeugt. Erkennbar durch die Fräsbahn die parallel zu der Profilrippe verläuft. Der Torusfräser bearbeiten die Flanke der Profilrippe und taucht mit seiner Stirnseite soweit ins Material ein das in diesem Bereich die Kugelfräser Spuren verschwinden. Die Bahn des Torusfräser beendet nun die Fräsbahnen des Kugelfräser und schafft mit seinem Radius einen Übergang zur Profilrippe.

Auswirkungen dieser Fertigung:
Man erkennt das die Fräsbahn, parallel zu den Profilrippen, tiefer ins Material eintaucht als die Täler der Kugelfräserbahnen. Somit ist dies die dünnste Stelle in der Radlauffläche, begrenzt durch den Übergangsradius zur Profilrippe und den endenden Kugelfräserbahnen.
Von oben betrachtet sieht dieser Bereich aus wie eine Perforationslinie, wie eine Abreißkanten die wir aus dem Papier Bereich kennen. Leider sieht dieser Bereich nicht nur so aus sondern funktioniert auch so. Das Material ist hier nicht perforiert aber hier treffen auf engsten Raum viele Störfaktoren aufeinander und addieren ihre Kerbwirkung.

Problemzonen mit ihren Störfaktoren:
~Wir haben hier einen Übergang von der Stabilen Profilrippe zur dünnen Blechfläche.
~Auf der anderen Seite haben wir die auslaufenden Kugelfräserbahnen.
~Da der Torusfräser tiefer ins Material eintaucht als die Täler der Kugelfräserbahnen haben wir hier die dünnste die schwächste Stelle im Blechmaterial.
~Durch das Tal der das der Torusfräser mit seiner Bahn erzeugt haben wir an dieser Stelle einen weiteren Absatz mit entsprechender Kerbwirkung.
~Auch die Fräserbahn des Torusfräser hat noch eine Rautiefe die die dünnste Stelle auch noch schwächt.
~Um die Kernmaterialstärke zu ermitteln müssen wir alle Rautiefen und sonstigen Vertiefungen von der Sollmaterielstärke abziehen. Die Sollmaße werden immer den Bergspitze gemessen die Rautiefe bleibt bei den Abmessungen unberücksichtigt.

Riß Beispiele:
Schauen wir uns einmal einige Risse in den Curiosity Rädern an die genau durch diese Schwachstelle ausgelöst wurden. Also Risse die durch die Torusfräserbahn und parallel zu den Profilrippen laufen.

Sol 744 eine Aufnahme der MAHLI Kamera. Zu sehen ist das linke Vorderrad, im Segment 20 gleich neben den Morse-Code ein über 200 mm langer gerader Riß durch das Tal der Torusfräserbahn und parallel zur Profilrippe. An dieser Stelle können sich besonders lange Risse bilden da diese Profilrippe gerade über die volle Radbreite verläuft. Eine im zick-zack verlaufende Profilrippe würde den Riß früher stoppen oder umleiten. Dieser Riß ist ein Klassiker unter den Rissen denn er ist der 1. große Riß in den Curiosityrädern er ist in den Rißspiegeln Sol 411, Sol 476 und Sol 758 zu sehen.
Bildquelle: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Sol 744 eine 2. Aufnahme der MAHLI Kamera. Zu sehen ist das linke Mittelrad, im Segment 8 ein langer gerader Riß, er hat sich den am längsten gerade verlaufenden Teil der zick-zack verlaufenden Profilrippe ausgesucht. 8. Segment, vom Morse-Code aus gegen den Uhrzeigersinn gezählt. Der Riß ist nur im Rißspiegel Sol 758 zu sehen.
Bildquelle: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Sol 744 eine Aufnahme der Mastcam Kamera. Zu sehen ist das rechte Mittelrad, im Segment 6 ein langer gerader Riß. Aufgrund des günstigen Lichteinfalls kann man die Bearbeitungsspuren der Fräser gut erkennen. Der Riß ist im Rißspiegel Sol 476 und Sol 758 zu sehen.
Bildquelle: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Sol 713 eine Aufnahme der MAHLI Kamera. Zu sehen ist das linke Vorderrad, im Segment 16 ein langer gerader Riß. Der Riß ist nur im Rißspiegel Sol 758 zu sehen.
Außerdem sehen wir nochmal den langen Riß aus Segment 20, hier ist zu sehen das die Befestigungsstege (Versteifungsringe) für die Speichen den Riß beenden.
Bildquelle: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Rißverlauf:
Ein langer gerader Rißverlauf zeigt das der Riß einer dominanten Kerbwirkung folgt und sich nicht von Gefügestrukturen ablenken läßt. Normalerweise wird ein Riß, im Gefüge an den Korngrenzen, immer wieder abgelenkt und zeigt einen zick-zack-förmigen Verlauf.
Wie die Kerbwirkung funktioniert wird später im Thema Berechnung der Festigkeit gezeigt.


Fortsetzung folgt.

Grüße
Wotan
 
Zuletzt bearbeitet:

Wotan

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Die Fertigung der Räder

Das ganze in einen Satz gefaßt.

Profilrippen parallele Fräserbahnen sind also eine der Ursachen für die starke Rißbildung in den Curiosity Rädern.

Grüße
Wotan
 

Wotan

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Curiosity und seine Räder

Inhaltsverzeichnis

Mars Rover und ihre Räder


Grüße
Wotan
 

Dgoe

Gesperrt
Hallo Wotan,

top job! Eine echt gelungene Präsentation, die Geordnetste, die ich je in einem Forum gesehen habe. Ich trau mich schon fast gar nicht mehr etwas dazwischen zu posten. Ein positives Feedback kann jedoch nicht schaden, denke ich, ist ja ein Forum - während mein letzter Beitrag eigentlich voll offtopic deplatziert war, ein Schandfleck, sorry dafür.

Und auch mal zum Inhalt: Da drängt sich einem die Frage auf, warum man das drohende Unheil, besser: das sich abspielende Unheil, nicht vorhergesehen hat, bei den zahllos vielen Spezialisten und beteiligten Firmen mit viel Erfahrung?

So wie Du es heraus-'kristallisierst', selbst für jeden Laien nachvollziehbar, hätten die Profis es doch vorhersehen können. Das sind ja fast schon Sollbruchstellen. Da kann man natürlich entgegenhalten, ja, sind ja nur Einwegräder, die nur mindestens so und so lange halten sollten, aber trotzdem. Jetzt bremst das alles, es wird weniger gefahren, es wird Zeit und Ressourcen für Räder-Selfies verbraten, ein no-go eigentlich, das nie hätte passieren dürfen, bei dem Budget.

*just-my-2-cents*

Gruß,
Dgoe
 

Wotan

Registriertes Mitglied
Die Fertigung der Räder

... Da drängt sich einem die Frage auf, warum man das drohende Unheil, besser: das sich abspielende Unheil, nicht vorhergesehen hat, bei den zahllos vielen Spezialisten und beteiligten Firmen mit viel Erfahrung?

So wie Du es heraus-'kristallisierst', selbst für jeden Laien nachvollziehbar, hätten die Profis es doch vorhersehen können. Das sind ja fast schon Sollbruchstellen. Da kann man natürlich entgegenhalten, ja, sind ja nur Einwegräder, die nur mindestens so und so lange halten sollten, aber trotzdem. Jetzt bremst das alles, es wird weniger gefahren, es wird Zeit und Ressourcen für Räder-Selfies verbraten, ein no-go eigentlich, das nie hätte passieren dürfen, bei dem Budget...
Hallo Dgoe,

die NASA mußte alles neu entwickeln und man darf den zeitlichen Zusammenhang nicht vergessen.
Als die Curiosity Räder konstruiert und gefertigt wurden gab es schon 2 Rover auf dem Mars, bei denen gab es keine Riß Probleme. Die Spirit Räder waren im Sand versunken und der Rover konnte sich nicht befreien. Das war der Kenntnisstand als man die Curiosity Räder gebaut hat. Folglich hat man die Auflagefläche vergrößert, damit man nicht im Sand versinkt. Weil Curiosity viel schwerer wurde als seine Vorgänger, hat man möglichst viel Material gespart.

Natürlich hätte das nicht passieren dürfen. Da fallen mir zwei Sprüche ein :

„Wer arbeitet, macht Fehler.
Wer viel arbeitet, macht mehr Fehler.
Nur wer die Hände in den Schoß legt,
macht gar keine Fehler.“ (Krupp, Alfred)
und
„hinterher ist man immer schlauer“

es ist wirklich ein erheblicher unterschied, ob man etwas neu erschafft, oder hinterher nach Fehlern sucht. Die nächsten Rover-Räder werden anders aussehen.

Feedback ist natürlich erwünscht, gerne auch als PN.

Grüße
Wotan
 

Dgoe

Gesperrt
Weil Curiosity viel schwerer wurde als seine Vorgänger, hat man möglichst viel Material gespart.
Okay, nur worauf lastet denn das ganze Gewicht? Jaaa, genau auf den Rädern, dort hätte man also proportional am wenigsten sparen sollen. *superschlau-hinterher*

Gruß,
Dgoe
 

Wotan

Registriertes Mitglied
Curiosity und seine Räder

Da ist die Innenseite des Rades abgerissen, direkt neben den Befestigungsstegen der Speichen, die Seite die das größte Drehmoment überträgt. Die abgerissene Seite wird noch vom Morse-Code gehalten da dieser stabiler ausgeführt ist. Da die Verbindungen, von der Antriebseinheit über die Speichen, zur kleineren Radaußenseite, noch möglich sind, kann man mit solch einem Rad noch Fahren. Die Gefahr das der sich abtrennende Teil des Rades die Kabel für den Antriebsmotor beschädigt ist groß. Wenn die Kabel beschädigt werden dann dreht sich nichts mehr. Zum Glück nur ein Bild aus dem Testprogramm in der Mojave Wüste. :)

Grüße
Wotan
 
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