Philosophie und Physik

FrankSpecht

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Moin Tom,
der Witz ist aber, dass auch nicht-Physiker interessante physikalische Fragestellungen aufwerfen können
so frei formuliert ist das natürlich ein Freibrief an alle Möchtegernphilosophen, die auch schon des öfteren den Untergang der Welt eingefordert haben.
Wo ziehst du da persönlich die Grenze zur Naturwissenschaft?
 

TomS

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Gegenfrage: kannst du pauschal eine sinnvolle Grenze ziehen und allgemein definieren? Oder musst du nicht auch erstmal im Einzelfall prüfen, was sinnvoll ist und was nicht?

(Dass es weder um Möchtegern-Philosophen noch um Möchtegern-Physiker geht, hatte ich schon erwähnt)
 

Hajoe

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Hallo TomS,

Ich habe mich entschieden "häppchenweise" zu antworten.
Ich fange mit dem an, was ich am vehementesten bestreite, du schreibst:

Ich sehe nicht, warum überhaupt der Versuch unternommen werden soll, die Natur ausschließlich in „natürlichen Erklärungsmustern“ zu denken. Ist „der Mensch das Maß aller Dinge“? Ich denke nein. Und warum sollte er auch? Warum sollte sich die Natur bzw. die Beschreibung der Natur danach richten, was uns (dir?) natürlich erscheint? Vielleicht erscheint mir etwas ganz anderes natürlich.

Dass man das philosophisch denken kann und darf steht außer Frage. Warum es aber so sein soll, kann ich nicht einsehen. Insbs. zeigt uns die moderne Physik, dass „natürliche Erklärungsmuster“ explizit und nachweislich versagen. Daher bin ich bei derartigen Ansätzen aus rein praktischen Überlegungen heraus sehr skeptisch.

Diese Einstellung nennt man auch "Instrumentalismus", dem entgegne ich mit vier Argumenten:

1. Das psychologische / historische Argument.
Menschen geben sich nicht mit dem zufrieden, was man ihnen als "Wahrheit" auftischt aber mit dem natürlichen Verstand nicht nachvollziehbar ist.
Sie wollen wissen im Sinne von "mit dem natürlichen Verstand begreifen". Das kann man auch historisch zeigen. Das frühe Christentum behauptete z.B. Jesus sei zugleich ganzer Gott und ganzer Mensch. Das widerspricht zunächst dem natürlichen Verstand, insbesondere dem "Satz vom zu vermeidenden Widerspruch" (Aristoteles, Metaphysik, 4. Buch). Die frühen Theologen haben deswegen die Trinitätstheologie "erfunden", die eben dieses mit dem natürlichen Verstand (und insbesondere mit jenem Satz des des Aristoteles) in Einklang bringt. Immer wieder gab und gibt es Bemühungen den "gesunden Menschenverstand" zu retten (es gab allerdings auch gegenläufige Bewegungen). Die Instrumentalisten fördern mit dieser Haltung z.B. auch Esoterik und pseudowissenschaftliche Kreise die diese "Lücke" dann füllen.

2. Das Marketing Argument
Wo lebst du eigentlich, auf der Venus oder auf dem Mars? Ich lebe hier im real existierenden Kapitalismus und physikalische Grundlagenforschung konkurriert in meiner Welt mit weitaus mächtigeren Kreisen um die knappen finanziellen Resourcen. Muss ich hier wirklich darlegen, wie wichtig eine Vermittlung des physikalischen Wissens an breitere Schichten, also nicht nur an wenige Hardcore - Physiker, ist? Das geht aber nur, wenn man seine Kenntnisse irgendwie noch so rüberbringt, dass sie mit dem normalen Menschenverstand fassbar sind. Ansonsten läuft die Physik Gefahr als eine Art "Voodoo" oder Selbstzweck angesehen zu werden. Macht so weiter und man wird euch die Gelder streichen. Du weißt sicherlich auch, dass es auch Quantenphysiker gibt, die ähnliche Meinungen vertreten, guckst du hier: https://www.youtube.com/watch?v=PcPtl-vuGbI&feature=player_detailpage#t=331 (OK, der Typ ist steinalt, hat's aber noch drauf). Da behaupte mal einer, die Philosophen seien "abgehoben" und ihre Wissenschaft sei Selbstzweck. Aber Hallo, gegen euch sind wir ja total bodenständig. Es gibt aber auch Physiker, die das begriffen haben und z.B. ein "Gottesteilchen" erfunden haben. Das ist nicht besonders seriös (was hat das Higgs-Boson mit Gott zu tun?) bringt aber Schlagzeilen und damit Kohle.

3. Das dialektische Argument
Jeder Wissenschaft wie auch jeder Kultur hat es bisher gut getan auch andere Positionen aufzugreifen und zu reflektieren. Es ist gar nicht gut immer nur im eigenen Saft zu schmoren. Die "Weiseren" unter den Physikern scheinen das zu wissen. Anton Zeilinger hat mehrmals mit dem Dalai Lama gesprochen (oder war das nur ein Marketing Gag?). Harald Lesch, der andere Promi, bezeichnet sich selber als "Naturphilosoph". Robert Oppenheimer hat mehrmals die Baghavad Gita zitiert (ich denke, das ist bekannt). Das funktioniert mit dem Instrumentalismus aber nicht. Den kapieren nur einige wenige Eingeweihte bzw. er ist nicht vermittelbar. Ein Chemiker (Name ist mir entfallen) soll mal gesagt haben: "Wer nur was von Chemie versteht, versteht auch diese nicht", ich glaube es ist klar was damit gemeint ist. Um es deutlicher zu sagen: Der Vorteil meines Ansatzes, wenn er denn "funktioniert", bestünde darin, dass alle profitieren. Die Nicht - Physik Welt von der Physik und die Physik von neuen Sichtweisen. Seid nicht so arrogant und glaubt euer Wissen sei absolut und erhaben.

4. Die philosophische Argumentation
Der Instrumentalismus postuliert ein Wissen, das sich intrinsisch aus einer speziellen Mathematik ergibt, aber mit dem natürlichen Verstand nicht begreifbar sei.
Damit handelt er sich ein massives logisches Problem ein. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.
Jeder kennt die Sache mit der Verschränkung. Man versucht nun das Problem zu lösen, in dem man sagt die Verschränkungspartner (VP) müssen als Gesamtsystem betrachtet werden und nicht als Einzelobjekte. Andererseits sprechen die Physiker von Einzelobjekten und behandeln diese auch so (getrennte Messung). Man kann nun diese Aussage nominalistisch interpretieren (man tut nur so, das sei es ein Gesamtsystem, glaubt aber, dass es real nicht so ist), dann erklärt diese Aussage aber nichts, oder man fasst diese Aussage realistisch auf, dann lässt man demselben in selbiger Hinsicht selbiges zukommen und nicht zukommen. Das hört sich nur für Nicht - Philosophen verschwurbelt an, es stellt aber den Satz vom zu vermeidenden Widerspruch des Aristoteles dar. Dieser wiederum ist Grundlage jeder Wissenschaft. Der Instrumentalismus ist damit eine Art bessere Esoterik.

Dann noch ein allgemeiner Hinweis:
Aus meinem Papier geht wohl nicht deutlich genug hervor, dass es mir nicht darum geht den Physikern die Physik zu erklären, sondern den Philosophen die Physik, außerdem will ich den Physikern eine Philosophie nahelegen. Die Physiker betreiben ständig Philosophie,z.B. ist der Instrumentalismus eine (schlechte) philosophische Position. Die weniger "Weisen" unter den Physikern wollen das allerdings nicht wahrhaben. Wenn man aber schon aus der Nummer mit der Philosophie nicht rauskommt, dann sollte man es aber wenigstens "richtig" betreiben.
Zweitens geht es mir aus den genannten Gründen darum, den natürlichen Verstand mit der modernen Physik zu versöhnen. Das kann meiner Ansicht nach gelingen, in dem die allgegenwärtige kausale Sichtweise der Welt, die fast allen Nicht - Hardcore Physikern eigen ist, durch eine konditionale Sichtweise ersetzt wird.
 
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ralfkannenberg

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Moin,

Diese Metadiskussion gab es hier im Forum bereits - initiiert von Ralf ;)
Hallo Frank,

korrekt, und eine Antwort habe ich immer noch nicht bekommen. Wie man es dreht und wendet - es passt einfach nicht und man kommt nicht auf 12.

Bei den Plejaden gibt es ja noch eine Erklärung, die besagt, dass die Plejade Elektra über den Kummer wegen des Todes ihres geliebten Sohnes ihre Schwestern verlassen habe und sich zum mittleren Deichselstern des Grossen Wagen gesellt habe, d.h. dass der Augenprüfstern gerade die fehlende 7.Plejade sei. Es ist den alten Griechen zugute zu halten, dass sie damals diese These erwähnt und verworfen habe, und aufgrund dieser Erwähnung ist sie bis heute überliefert. Erschwert wird diese These übrigens auch dadurch, dass die Plejade Elektra nach wie vor bei ihre Schwestern steht und der dritthellste Plejadenstern nach der Alcyone und dem Plejadenvater Atlas ist, aber ich vermute, dass eine solche Betrachtung der Eingeschränktheit der Naturwissenschaften entspringt und entsprechend "unphilosophisch" ist.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

ralfkannenberg

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(und ich glaube auch heute noch das "offizielle" Sternbild) umfaßt ein größeres Sterngebiet einschl. des Wagens, da wird man schon auf 12 Sterne kommen können.

http://de.wikipedia.org/wiki/Großer_Bär
Hallo zabki,

es ist nett, dass Du mir die Wikipediaseite der Grossen Bärin ("ursa" heisst Bärin und gemeint ist eine Geliebte des Zeus, nämlich die Kallisto) referenzierst, aber ich kenne die Sterne dieses Sternbildes bis zur 4.0-ten Grösse auswendig.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

zabki

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es ist nett, dass Du mir die Wikipediaseite der Grossen Bärin ("ursa" heisst Bärin und gemeint ist eine Geliebte des Zeus, nämlich die Kallisto) referenzierst, aber ich kenne die Sterne dieses Sternbildes bis zur 4.0-ten Grösse auswendig.

Hallo Ralf,
nun, du hattest von den "7 Wagensternen statt 12" gesprochen, und mit dem Großen Wagen ist nun mal eine andere Konstellation gemeint als mit dem Sternbild Ursa major.

Da verstehe ich dein Problem gar nicht. Es gibt doch keine Verbindungslinien zwischen den Sternen am Himmel, und auch kein Gesetz, das besagt "zähle alle Sterne heller 4.0 in dem und dem Gebiet", d.h. man zählt, was man zählen möchte oder was üblich ist zu zählen. Auch vergleichbar der Aufgabe, die Bäume eines Wäldchens zu zählen - was "zählt" als Baum, wo sind die Grenzen des Wäldchens?

Die Plejaden sind nun ein ziemlich fest definiertes Gebilde. Da die Siebenzahl interkulturell weit verbreitet, wenn auch nicht absolut obligatorisch ist, denke ich, daß eine spezielle Begründung aus der griechischen Mythologie nicht adäquat wäre.

Viele Grüße, zabki
 
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ralfkannenberg

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nun, du hattest von den "7 Wagensternen statt 12" gesprochen, und mit dem Großen Wagen ist nun mal eine andere Konstellation gemeint als mit dem Sternbild Ursa major.
Hallo zabki,

diese "Andersheit" hängt schon damit zusammen, dass der Grosse Wagen gar keine Konstellation ist. Es ist durchaus bemerkenswert, dass das bekanntestes Sternbild selber gar kein Sternbild ist.


Da verstehe ich dein Problem gar nicht. Es gibt doch keine Verbindungslinien zwischen den Sternen am Himmel, und auch kein Gesetz, das besagt "zähle alle Sterne heller 4.0 in dem und dem Gebiet", d.h. man zählt, was man zählen möchte oder was üblich ist zu zählen. Auch vergleichbar der Aufgabe, die Bäume eines Wäldchens zu zählen - was "zählt" als Baum, wo sind die Grenzen des Wäldchens?
Korrekt. Meine Frage war denn auch eine andere, nämlich ganz konkret die, welches die 12 Sterne des "Bären" sind, von denen Aristoteles geschrieben hat.

Wenn ich sie der Helligkeit nach durchzähle, komme ich nicht auf 12, und wenn ich die Helleren des Kleinen Wagen hinzunehme, auch nicht. Wenn ich alle Sterne vom Kleinen Wagen dazunehme komme ich übrigens auch nicht auf 12.

Es ist mir also schlicht unverständlich, wie Aristoteles hier auf 12 Sterne kommt. Dass es mir unverständlich ist heisst aber nicht, dass es keine Lösung gebe, aber eben: ich würde so eine Lösung sehr gerne einmal sehen.

Die Plejaden sind nun ein ziemlich fest definiertes Gebilde. Da die Siebenzahl interkulturell weit verbreitet, wenn auch nicht absolut obligatorisch ist, denke ich, daß eine spezielle Begründung aus der griechischen Mythologie nicht adäquat wäre.
Richtig, sehen kann man normalerweise derer 6, ihr Name suggeriert aber, dass man von ihnen 7 sieht, und wenn klare Sicht vorherrscht, dann sieht man derer 9, nämlich die 6 hellen Plejadensterne und die 3 sogenannten "scheuen" Plejaden.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

TomS

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Ich fange mit dem an, was ich am vehementesten bestreite, du schreibst:
Ich sehe nicht, warum überhaupt der Versuch unternommen werden soll, die Natur ausschließlich in „natürlichen Erklärungsmustern“ zu denken. Ist „der Mensch das Maß aller Dinge“? Ich denke nein. Und warum sollte er auch? Warum sollte sich die Natur bzw. die Beschreibung der Natur danach richten, was uns (dir?) natürlich erscheint? Vielleicht erscheint mir etwas ganz anderes natürlich.
Dass man das philosophisch denken kann und darf steht außer Frage. Warum es aber so sein soll, kann ich nicht einsehen. Insbs. zeigt uns die moderne Physik, dass „natürliche Erklärungsmuster“ explizit und nachweislich versagen. Daher bin ich bei derartigen Ansätzen aus rein praktischen Überlegungen heraus sehr skeptisch.

Dem entgegne ich mit vier Argumenten:
Keines davon greift.


1. Das psychologische / historische Argument.
Menschen geben sich nicht mit dem zufrieden, was man ihnen als "Wahrheit" auftischt aber mit dem natürlichen Verstand nicht nachvollziehbar ist.
Sie wollen wissen im Sinne von "mit dem natürlichen Verstand begreifen".
Ich bestreite nicht, dass sie das wollen. Aber sie müssen wohl akzeptieren, dass es bei der Physik (und anderen Wissenschaften) nicht vollumfänglich funktioniert. Die Methode der Physik ist die Mathematik und das Experiment, nicht die natürliche Sprache!

Es geht auch nicht um „auftischen“, sondern um präzise Mathematik und präzise experimentelle Tests.

Außerdem sehe ich nicht, wieso Mathematik nicht als „natürlicher Verstand“ akzeptierbar ist. Der eine kann besser Deutsch, der andere besser rechnen. Glaubst du, du kannst Shakespeare in einer deutschen Übersetzung vollumfänglich erfassen? Ich denke nicht, du wirst englisch lernen müssen.

2. Das Marketing Argument
Muss ich hier wirklich darlegen, wie wichtig eine Vermittlung des physikalischen Wissens an breitere Schichten, also nicht nur an wenige Hardcore - Physiker, ist?
Du hast völlig Recht, das ist eine wichtige Aufgabe. Allerdings ist dies zwar Aufgabe der (einiger) Physiker, wird aber eben zumeist nicht direkt mit den Methoden der Physik, sondern mit anderen Methoden erfolgen (z.B. Wissenschaftsjournalismus).

Übrigens sind m.E. gerade die Physiker, die am meisten die Werbetrommel rühren, diejenigen, die das am wenigsten können (Hawking und Kaku sind Extrembeispiele, wo Marketing und Umsatz dominieren; es ist den beiden Herren herzlich egal, ob sie abgesichertes Wissen oder pure Spekulation verkaufen; sei also bitte ganz ganz vorsichtig mit diesem Argument)

3. Das dialektische Argument
Jeder Wissenschaft wie auch jeder Kultur hat es bisher gut getan auch andere Positionen aufzugreifen und zu reflektieren.
Die Physik tut das. Sie sperrt sich da überhaupt nicht dagegen. Aber sie bleibt im Kern nur Physik, wenn sie die physikalische Methode anwendet. Eine deutsche Übersetzung und Interpretation von Shakespeare ist nicht mehr englische Literatur, sondern eben die Übersetzung und Interpretation von englischer Literatur.

Außerdem verändert die Physik ja auch ihre Methoden, sowohl mathematisch als auch experimentell. Sie tut dies insbs. dann, wenn ein etabliertes Erklärungsmuster nicht mehr in Übereinstimmung mit Beobachtungen steht (z.B. ART, QM), oder wenn ein Erklärungsmuster in sich unschlüssig wirkt und neuer experimenteller Input erforderlich ist (z.B. LHC).

4. Die philosophische Argumentation
Der Instrumentalismus postuliert ein Wissen, das sich intrinsisch aus einer speziellen Mathematik ergibt, aber mit dem natürlichen Verstand nicht begreifbar sei.
Damit handelt er sich ein massives logisches Problem ein. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.
Jeder kennt die Sache mit der Verschränkung. Man versucht nun das Problem zu lösen, in dem man sagt die Verschränkungspartner (VP) müssen als Gesamtsystem betrachtet werden und nicht als Einzelobjekte. Andererseits sprechen die Physiker von Einzelobjekten und behandeln diese auch so (getrennte Messung).
Du hast Recht, die Physiker haben ein Problem damit, dass sie bestimmte Themen in unpräziser Alltagssprache formulieren müssen, dass sie jedoch andererseits einen exakten Formalismus verwenden, der genau diese Probleme nicht einfängt. Bsp.: Messproblem der QM; dafür steht eine letztgültige Erklärung sowohl im Formalismus als auch in der Interpretation aus!

Es gibt hier mehrere Antworten. Die einfachste ist sicher der logische Positivismus. Ich fasse das mal so zusammen: Ich will nichts erklären und begreifen! Ich will nur quantitative Vorhersagen anhand von Modellen machen und diese experimentell prüfen. Wie die Modelle zustande kommen, ob sie etwas bedeuten, ob sie der Realität entsprechen, … ist mir egal! So agieren tausende von Physikern, wenn sie in ihre Rechnungen oder Experimente vertieft sind. Aber natürlich ist diese Position unhaltbar, denn wenn jemand wirklich so denken würde, hätte er nie begonnen, sich mit Physik zu befassen! Seine Neugierde im Bereich der Natur ist ein Antrieb zum Verstehen, und damit über den Positivismus hinaus. D.h. dass die oft zitierte Aussage „die Physik beantwortet keine Warum-Fragen“ zwar in gewisser Weise richtig ist, dass die Physiker jedoch trotzdem sehr häufig diese Fragen stellen. Der eigtl. Antrieb um Physik zu betreiben liegt somit teilweise außerhalb der Kerntätigkeit des Physikers. Nur, und jetzt wieder zur Verteidigung des Positivismus: rein pragmatisch gesehen funktioniert er recht gut ;-)

Nun wieder zurück zur Physik: der Physiker akzeptiert, dass er die Quantenverschränkung nicht vollumfassend, allgemeinverständlich und zugleich präzise in der Alltagssprache erfassen und beschreiben kann. Er fokussiert sich stattdessen auf präzise mathematische Modelle und möglichst präzise Experimente. Deswegen ist er Physiker!!

Dazu eine Beobachtung meinerseits: Jede gute Darstellung von Physik in „Alltagssprache“ führt zu einer verbesserten Interpretation (gute Beispiele sind z.B. Heisenberg, Weinberg und Penrose, schlechte sind z.B. Hawking). Allerdings sind diese Interpretationen oft nicht eindeutig, obwohl ihnen doch dieselbe Mathematik und dieselbe Natur zugrunde liegen (Bsp.: Interpretation der QM; insbs. Messprozess, Kollaps Verschränkung etc.). D.h. auch, jede noch so gute Darstellung führt zu Unschärfe und Ungenauigkeit (so wie jede Interpretation oder Übersetzung eines Buches sowohl zu einem Mehr an Erkenntnis als auch einem Mehr an Unschärfe führt). Die Physiker haben sich nun bewusst entschieden, quantitativ präzise Vorhersagen mittels exakter Mathematik zu ihrer Kernaufgabe zumachen. Sie opfern also im Zweifelsfall die Anschaulichkeit der Präzision. Ich denke, das ist einfach eine Festlegung auf eine Methode. Wäre es eine andere Methode, wäre es auch eine andere Wissenschaft (Philosophie, Literatur, Wissenschaftsgeschichte, …)

Abschließend: du hast sehr überzeugend dargelegt, warum ein Austausch zwischen Physikern und Philosophen spannend sein kann. Dieser Austausch findet jedoch selten mit Mitteln der Physik statt (es sei denn, Philosophen lassen sich darauf ein), und ist damit Kern auch nicht Physik, sondern eben Philosophie. Ich möchte also umgekehrt dazu einladen, dass Philosophen die Physik als Physik begreifen, nicht als philosophierte bzw. interpretierte Physik (und es gibt ja Beispiele insbs. in der Mathematik, wo genau dies versucht wurde: Russell, Whitehead, Gödel).


Dann noch ein allgemeiner Hinweis:
Aus meinem Papier geht wohl nicht deutlich genug hervor, dass es mir nicht darum geht den Physikern die Physik zu erklären, sondern den Philosophen die Physik.
Dazu muss ich leider sagen, dass dies nicht besonders gut gelungen ist, weil du m.E. die Physik zu unpräzise verstanden hast und dein Sprachgebrauch – ohne Not – zu weit von dem der Physiker entfernt ist. Wenn es dir darum geht, die Physik bzw. den Bezug zwischen Physik und Philosophie besser zu verstehen, dann musst du dich zuerst auf die tatsächliche Physik einlassen, nicht auf das, was du als Physik begreifen möchtest.

Ich konstatiere also eher ein Defizit im Verständnis, der Interpretation und der Methodik der modernen Physik bei den Philosophen, weniger ein Defizit im Verständnis der Philosophie seitens der Physiker ;-) Oder anders formuliert: ich sehe das Verständnis der Methoden der Physik als Grundvoraussetzung an, um vernünftig über Physik diskutieren zu können. Das ist keine Schuldzuweisung. Ich weiß, dass die moderne Physik rein mathematisch betrachtet extrem kompliziert geworden ist. Aber man kann es nicht einfacher machen als es ist, ohne es falsch zu machen.
 
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