So, ich habe mir jetzt mal die Mühe gemacht, den Artikel (zum Teil) durchzulesen und zu kommentieren. Ich denke wie so oft besteht das Grundproblem darin, dass die zu diskutierende Theorie (die Quantenmechanik) zu wenig verstanden ist.
Hier meine ersten Anmerkungen.
Zugleich werden auch Begriffe der Physik - insbesondere der Zeitbegriff - einer philosophischen Kritik unterzogen
Hier sei nur kurz angemerkt, dass es DEN Zeitbegriff so in der Physik gar nicht (mehr) gibt.
diese Transzendentalien werden ihrerseits einer Kritik unterzogen. Diese Kritik basiert auf den Erkenntnissen der modernen Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften und hier insbesondere der Physik.
Das ist ein schwieriges und schlimmstenfalls zirkuläres Unterfangen, da die Physik ihrerseits davon ausgeht, dass bestimmte Bedingungen der Erkenntnis (auch Messung, Beobachtung) gegeben sind und sie diese nicht selbst konstituieren kann. Insbs. kann die moderne Physik heute zu recht wenigen physikalisch als „real existierenden Größen“ angenommen Entitäten auch angeben, wie diese DIREKT beobachtet (wahrgenommen, erkannt) werden (z.B. Zeit und Raumzeit, Felder, Wellenfunktionen, …).
Deswegen müssen die naturwissenschaftlichen Begriffe, die zur Kritik an der menschlichen Erkenntnis im weitesten Sinne herangezogen werden sollen, zunächst selbst einer Kritik unterzogen werden
Mir ist noch nicht klar, in welche Richtung denn nun die Kritik erfolgen soll.
Das fängt z.B. schon mit der Frage an, inwiefern die Welt real ist oder nur ein Konstrukt unseres Gehirns darstellt.
Es wäre gut möglich, dass eine (sehr eingeschränkte) philosophische Grundhaltung dieses Problem umgeht. Wenn ich als reiner Positivist nur frage, ob eine Theorie „passend“ bzgl. einer Wahrnehmung ist oder nicht, dann kann ich diese Frage ausblenden. Ich kann dann zwar Physik nicht mehr hinterfragen bzw. nicht mehr in einer größeren Kontext stellen (ontologisch, konstruktivistisch, …), ich kann nicht mehr fragen, WARUM meine Theorie nun passend ist oder nicht, aber ich kann dennoch ganz pragmatisch Physik betreiben.
Es ist ganz einfach: nur wenige Physiker machen sich darüber Gedanken, dennoch treiben sie Physik (das kann man wohl nicht leugnen). Insofern ist diese Frage (in einem eng ausgelegten Physikverständnis) irrelevant.
Zum Doppelspaltexperiment
Bis jetzt konnte dieses Phänomen niemand auf natürliche Weise erklären. Unter einer natürlichen Erklärung verstehe ich eine Erklärung, welche eine Beobachtung in Einklang bringt mit den Regeln unseres natürlichen Erkenntnisvermögens und keine unbeweisbaren Grundannahmen zu Grunde legt … „Natürliches Erkenntnisvermögen“ bedeutet eine unmittelbar nachvollziehbare Erklärung, die keiner speziellen Vorbildung bedarf … verfehlt z.B. die „de Broglie – Materiewellen“ – Theorie.
Ich sehe nicht, warum überhaupt der Versuch unternommen werden soll, die Natur ausschließlich in „natürlichen Erklärungsmustern“ zu denken. Ist „der Mensch das Maß aller Dinge“? Ich denke nein. Und warum sollte er auch? Warum sollte sich die Natur bzw. die Beschreibung der Natur danach richten, was uns (dir?) natürlich erscheint? Vielleicht erscheint mir etwas ganz anderes natürlich.
Dass man das philosophisch denken kann und darf steht außer Frage. Warum es aber so sein soll, kann ich nicht einsehen. Insbs. zeigt uns die moderne Physik, dass „natürliche Erklärungsmuster“ explizit und nachweislich versagen. Daher bin ich bei derartigen Ansätzen aus rein praktischen Überlegungen heraus sehr skeptisch.
Meiner Meinung nach müssen zwei der fundamentalsten Präsuppositionen unseres Denkens und Wahrnehmens zerbrochen und neu aufgebaut werden, um diesem Druck standzuhalten, es handelt sich in erster Linie um unsere Zeitvorstellung und in zweiter Linie um den Existenzbegriff. Beides sind Transzendentalbegriffe, sie sind Grundlagen des menschlichen Erkennens. Die Klärung der Frage was physikalische Zeit genau sei, ist Sache der Physiker. Aber
Der Existenzbegriff ist für die Physik (in einem eng ausgelegten, positivistischen Physikverständnis) irrelevant.
Die absolute Präsupposition für unsere Zeitvorstellung lautet: „Zeit ist absolut“ … Mit der „Absolutheit der Zeit“ … ist gemeint, dass es sie an sich gibt, losgelöst z.B. von den Dingen in ihr.
Das entspricht sicher nicht dem Grundverständnis der Physiker.
Richtig ist, dass es Zeit (sowohl als lokale Koordinatenzeit als auch als Eigenzeit) als geometrische Entität in der ART tatsächlich „gibt“. Dabei handelt es sich jedoch sicher nur um eine „Rechengröße“. Dass Zeit „real“ wahrgenommen werden kann setzt physikalische Prozesse voraus, von denen einer eine „Zeitskala“ vorgibt, während andere Prozesse daran gemessen werden.
Zwar kann physikalisch gesprochen in einem sonst leeren Universum ein instabiles Teilchen existieren und zerfallen, allerdings ist dessen Zerfallszeit sicher nur ein idealisiertes Konstrukt, solange niemand da ist, der mit einer eigenen Zeitskala ausgestattet diese Zerfallszeit messen kann.
Im Rahmen der Physik werden makroskopische Zeitbegriffe im Rahmen der Thermodynamik / irreversibler Prozesse begründet. Wie diese Irreversibilität aus fundamental reversiblen Naturgesetzen entsteht wird im Rahmen der Physik auch diskutiert.
Ich denke also, du kritisierst da einen Punkt, den die Physiker schon selbst als diskussionswürdig erkannt haben …
Der Abschnitt
Zeit als Relation und als Kontinuum gedacht
Ist m.E. eine ziemlich komplizierte Darstellung für die Tatsache, dass Zeit erst dadurch real wird, dass man Prozesse mit unterschiedlichen intrinsischen Zeitverläufen vergleicht.
Wenn wir wissen wollen, was Zeit ist, darf die Methode unserer Wahl nichts verwenden, was die Dimension der Zeit schon voraussetzt, wir wollen die Zeit schließlich von „außen“ betrachten … Kausalität enthält immer die Dimension der Zeit, erstens weil wir uns Kausalität nur so vorstellen können, in dem die Ursache der Wirkung zeitlich vorangeht, zweitens weil Kausalität, insofern Kausalität nicht rein formal sondern inhaltlich gedacht
wird, etwas aussagt, was zu einem bestimmten Zeitpunkt „passiert“ ist.
Es wird dich vielleicht überraschen, aber es gibt eine Forschungsrichtung zur Quantengravitation, die sogenannten Causal Sets, die genau das untersuchen, was du hier in Abrede stellst.
http://en.wikipedia.org/wiki/Causal_sets
Es geht dabei um eine formale mathematische Struktur, die ausschließlich auf einer Kausalrelation gründet, und die in keiner Weise eine temporale Struktur voraussetzt. Im Gegenteil, es geht gerade darum, eine raumzeitliche Struktur als emergente Entität aus einem Causal Set abzuleiten.
Auch Penrose’s Twistor Theorie ist im engeren Sinne keine raumzeitliche sondern eher eine auf Kausalstrukturen (Lichtkegeln) basierende Theorie, wobei sie jedoch nicht so radikal vorgeht wie die Causal Sets.