Hallo Ralf,
Du hattest etwas von "Moral verkaufen" geschrieben und Sissy (nicht nur sie) hatte das hinterfragt. ...
Das hast Du dann ... erklärt
das ist richtig. Aber es ist ganz offensichtlich von Euch nicht so verstanden worden, wie ich es meinte und meine.
Im Rahmen eines Benefizkonzertes meines Chores habe ich erfahren, daß ein Rind in Nepal (die genaue Rassenbezeichnung habe ich vergessen) eine Familie ernähren kann. Ein solches Rind kostet 60$ (nagel mich nicht auf den genauen Preis fest) für den Durchschnittsmenschen dort, nahezu unerschwinglich.
In einer TV-Dokumentation habe ich erfahren, daß ein Pharmakonzern illegale ‚klinische‘ Studien in Zusammenarbeit mit einigen Ärzten in einem großen asiatischen Land durchführt, bei denen Patienten zudem noch nicht mal über die Risiken anständig aufgeklärt wurden und auch zu Schaden gekommen sind.
Ich bin davon überzeugt, daß sich schon in Ländern, in denen Menschen nicht nur um ihr täglich Brot bangen müssen, und erst recht in solchen, in denen nicht nur wenige täglich verhungern, problemlos Menschen finden lassen würden, die ihr Leben aufs Spiel setzen würden, um genügend Geld für z.B. ein Rind zu bekommen, mit dessen Arbeitskraft und dessen Milch sie Ihre Familie, ihre Kinder ernähren könnten, oder um meinetwegen auch einfach nur attraktiver für eine Familiengründung zu sein. Das Motiv will ich hier gar nicht näher thematisieren, es soll nur ehrenwert sein.
Wir haben nun zwei verschiedene, ich sag‘ mal Träume, beide jeweils nahezu unerfüllbar.
Auf Mars landen,
Ein Rind um die Familie durchzubringen, oder ähnlich ehrenwert.
Wir haben einen vielleicht ausreichend potenten Geldgeber
und einen ausreichend potenten Geldgeber.
Wir haben zumindest auf der Seite der Geldgeber finanzielle und wissenschaftliche Interessen.
Beide Geldgeber wollen und müssen mit ihrem Geld sparsam umgehen.
Du sagst (in vermute nur stellvertretend für Dich, weil Du selber nicht mitfliegen kannst)
vielleicht deswegen, weil ich noch zu Lebzeiten meinen Fuss auf den Mars setzen möchte ?
ein starkes Motiv. Das ist nicht ironisch gemeint, ich habe auch von solchen Abenteuern und Möglichkeiten geträumt, mich aber später auch anders entschieden. (ich bin sicher, daß das keine potentielle Kariere zerstört hat)
Der Bauer in Nepal sagt: Mit einem Rind hätte ich keine Sorgen mehr, daß meine Kinder verhungern, daß ich eine Familie gründen kann. Auch ein starkes Motiv.
MarsOne bietet ‚dir‘ an: Wir fliegen Dich zum Mars, wenn Du einverstanden bist, einmal gestartet, nicht mehr zurück zu können. Wir erklären Dir welche Risiken wir kennen und wir erklären Dir, daß wir nicht alle Risiken kennen. Entscheide Dich!
Der Pharmakonzern bietet dem Bauern an: Wir geben Dir das Geld für ein Rind, wenn Du in Zusammenarbeit mit diesem Arzt - hier, das gebe ich zu, werde ich etwas unrealistisch, denn es gibt in Nepal auf je rund 65000 Menschen nur einen Arzt, die Hälfte davon in der Region um Katmandu, aber wenn der Preis stimmt, dann wird das Unternehmen sicher auch einen Arzt dafür finden – unser auch
vorklinisch noch unerprobtes Medikament regelmäßig nimmst und dich in regelmäßigen Abständen von dem Arzt untersuchen läßt. Wir erklären Dir die Nebenwirkungen die wir für denkbar halten und wir erklären Dir, daß wir nicht alle Nebenwirkungen kennen. Entscheide Dich!
Ich habe das etwas abgekürzt, gehe aber in meinem Beispiel davon aus, daß beide Geldgeber mit größtmöglicher Sorgfalt aufklären.
Beide, ‚du‘ und der Bauer entscheiden sich freiwillig und mündig für das Angebot.
Vorsicht wenn Du jetzt denkst, daß Dein Grad an Freiwilligkeit ein größerer war, als Seiner. Das weißt Du nicht, ohne ihn sehr genau zu kennen und die familiäre Situation die ich hier konstruiert habe ist nicht festgeschrieben für eine solche Entscheidung. Der Pharmakonzern nimmt auch Ledige und Witwen (letzteres ist in Nepal ein erbärmlich anderer gesellschaftlicher Status als bei uns)
In Europa wirst Du eine erhebliche Anzahl von Menschen finden, die bei der Konstellation Bauer/Pharmakonzern der Meinung sind, daß hier ein Unrecht geschieht, daß hier der arme Bauer doch zum Profite des Pharmakonzerns nach Strich und Faden bei Leben und Gesundheit ausgebeutet wird.
Der Gesetzgeber, also die Repräsentanten unseres Volkes, läßt die Pharmavariante in seinem Geltungsbereich so nicht zu. Aus gutem Grunde, wie Du selber auch schon bekannt hattest.
Wieso läßt Du bei dem Geldgeber und Produzenten Mars One diese Auffassung nicht ebenso zu? Wieso ist Dein freier, mündiger Entschluß schützenswerter, als der des Bauern? Wieso ist Dein Motiv mitzufliegen unantastbarer, als das Motiv des Bauern, seine Familie zu ernähren, oder attraktiver für eine Familiengründung zu sein?
Und anders herum: Möchtest Du für den Pharmakonzern solche Praktiken legalisieren?
Es geht bei beiden Unternehmungen um sehr viel Geld. Bei Beiden gibt es nicht nur die Geldseite, sondern unterstützenswerte Absichten und Taten, jeder nach seiner Art, zum Wohle der Menschheit. Wieso bestätigst Du dann die Richtigkeit solch unterschiedlicher Maßstäbe?
Oder noch anders, indem Du auf der Freiheit bestehst, hier Deine eigene freie Entscheidung, ohne Mitspracherecht von außen auszuüben, beanspruchst Du entweder zweierlei Maß für Dich und den Bauern, oder Du akzeptierst die gleichen Rechte für beide Geldgeber.
Und genau an der Stelle nehme ich wahr, daß Du Dir hier Deine Moral abkaufen läßt, weil er Dir zu einem billigeren Preise etwas anbietet, was Du sonst nur glaubst, oder tatsächlich nie bekommen würdest. Und dafür nimmst dann billigend in Kauf, daß auch der andere Geldgeber nach eigenem gut Dünken anbieten kann, oder Du beanspruchst zur Wahrung Deiner Interessen zweierlei Maß.
Weder Deine noch die Entscheidung des Bauern sind wirklich frei, oh ja, für Euren jeweiligen individuellen Part schon, aber ohne das Angebot dieser Geldgeber könntet Ihr frei entscheiden bis der Arzt kommt, es gäbe weder Marsflug noch Rind.
Und diese angebliche Mitverantwortung, diese Unfreiheit, ... , das alles teile ich nicht.
Ja, das nehme ich wohl wahr und meine, daß Du dabei einen ganz bestimmten Teilbereich dieser Angelegenheit im Auge hast, Deinen individuellen Part dabei. Wenn ich meine Aufmerksamkeit nur darauf konzentriere, dann stimme ich Dir vollständig zu.
... diesen von Dir konstruierten Gruppendruck, das alles teile ich nicht. Wenn dem so wäre müsste man diese Mission tatsächlich umgehend verbieten
nein, ganz und gar nicht! Da würdest Du das Kind mit dem Bade ausschütten.
Ich bin begeistert von der Idee zu solch einer Unternehmung, aber nicht um jeden Preis. Ich bin ebenso zu Kompromissen bereit, aber nicht zu jedem.
aber es handelt sich nach wie vor um mündige Menschen
Ja natürlich, aber auch Mündigkeit macht dabei nicht immun, sie kann aber beitragen seine positive Seite zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen.
. . Ja ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: bei der Kandidatenauswahl muss darauf geachtet werden, dass man keine Kandidaten hat, die einem solchen Gruppendruck erliegen.
Wenn es dabei ausschließlich und nur ums Erliegen geht, stimme ich Dir zu.
Bei der grossen Anzahl Kandidaten kann jederzeit ein Ersatz-Kandidat ausgewählt werden, ja muss sogar: falls während der doch mehrjährigen Vorbereitung ein Kandidat eine schwerwiegende Krankheit erleidet, kann man ihn sowieso nicht auf den Mars schicken. Bei den Apollo-Missionen war ein solcher "Kandidaten-Austausch" übrigens gang und gäbe.
Oh ja, dieses Verfahren mindert auf Seiten der Kandidaten zumindest die Last der Verantwortung für den einzelnen Kandidaten und die Abhängigkeit des Unternehmens von einem einzigen Kandidaten, das ist alles richtig.
Denkst Du, daß dieses System den Druck entspannt, dazu gehören zu wollen?
Wenn ich es richtig sehe, war Alan Shepard beim Start von Apollo 13 nicht erleichtert, daß er nicht mitfliegen durfte, weil er möglicherweise eine Infektionskrankheit hatte, die er dann tatsächlich wohl doch nicht hatte.
Du hast insofern recht, dass es das Wort "konditioniert" vermutlich nicht richtig trifft, es ist vielmehr ein falsch verstandenes Verantwortungsgefühl und ein falsch verstandener Gruppendruck, dem ich bei Deiner Argumentation nicht zustimme.
und ich bin fast sicher, daß Du hier nur Deiner eigenen Interpretation meiner Argumentation nicht zustimmst.
Bemerkenswerterweise hat die französische Kandidatin, die gestern vorgestellt wurde, sich genau diese Option ebenfalls freigehalten.
alles Andere wäre doch auch sehr befremdlich, oder?
Herzliche Grüße
MAC