Sterne in der Galaktischen Habitablen Zone

Exonavigator

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Hallo Leute,

wenn es um Schätzungen in der Frage potenziell lebensfreundlicher Planeten und Monde geht, spielt die Eingrenzung geeigneter Host-Sterne im Ausdehnungsbereich unserer Milchstraße eine große Rolle. Wieviele Sterne zur "Galaktischen Habitablen Zone" gehören, dazu habe ich jedoch aus aktuellen Forschungsbeiträgen (Modellrechnungen, Schätzungen von der Gesamtmasse auf die Zahl) bisher keinen eindeutigen Wert ableiten können. Früher hatte man es sich mit der Angabe: 10 Prozent der Milchstraße, bei ca. 200-300 Mrd. Sternen in der Milchstraße insgesamt, nach meinem Eindruck sehr leicht gemacht. Heute gibt es weit abweichende, komplexe Schätzungen, nur ein Beispiel zum Nachlesen, sogar mit einer Schätzung der Zahl habitabler Planeten in der Milchstraße: von Gowanlock et al. (2011), hier: http://arxiv.org/pdf/1107.1286.pdf
Meine Frage klingt simpel, ist aber vermutlich sehr schwer zu kalkulieren. Da ich aber annehme, dass es zu dieser Frage durchaus direkte Antworten gibt, bin ich vielleicht einfach noch nicht auf sie gestoßen, hier die Frage:

Wieviele Sterne (Hauptreihensterne, ggf. noch inklusive Weißer Zwerge) gehören zu der "Galaktischen habitablen Zone", wenn wir folgende Kriterien für diese Zone anlegen (nach Lineweaver/Chopra (2012): "The Habitability of Our Earth and Other Earths", S. 615):
- die Rate sterilisierender Supernovae in diesem Bereich ist hinreichend klein, um potenzielles Leben auf umlaufenden Planeten in einer Zeitspanne von ca. 4 Mrd. Jahren nicht komplett auszulöschen,
- in diesem Bereich zählt nur der Anteil von (Hauptreihen-) Sternen, die mindestens 3-4 Mrd. Jahre alt sind.
Weitere eingrenzende Bedingungen wie Metallizität über -0,6 Fe/H oder C/O-Verhältnis unter 0,8 lasse ich mal weg, um es nicht noch mehr zu verkomplizieren (obwohl es mich natürlich sehr interessieren würde, auch das noch zu integrieren).

Kennt jemand eine Zahl dazu, aus einer neueren, gut begründeten Schätzung?

Beste Grüße
 

mac

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Hallo Exonavigator,

das sind, wenn man näher hinschaut, ziemlich komplizierte Fragen. In der Wikipedia wird ein Radius von 50 Lichtjahren um eine SN herum angegeben, der gravierende Folgen für das Leben auf einem Planeten haben soll. Ob diese Schätzung gut ist, kann ich kaum beurteilen. Pflanzensamen z.B. könnten auch eine für längere Zeit giftige Atmosphäre überdauern und auch auf die chemischen Verbindungen die durch die Gammastrahlung in der Atmosphäre produziert werden, kann sich Leben sicher so weit anpassen, daß es wesentlich unempfindlicher darauf reagiert, als das in unserer Biosphäre der Fall wäre.

Wo in einer Galaxis werden viele SN entstehen? Schau Dir die sichtbare Struktur von Galaxien an! Das was wir als Spiralarme sehen, ist nicht deshalb sichtbar, weil es dort mehr Sterne gibt, sondern weil es dort einige junge, sehr massereiche und damit extrem leuchtkräftige, aber auch sehr kurzlebige Sterne gibt, die ihr Dasein als SN abschließen. Diese Dichteschwankungen rotieren nicht im selben Maße mit den Sternen einer Galaxis. Sie ‚wandern‘ durch das Gas ihrer Galaxis hindurch, was ja auch einleuchtet, denn sobald sich aus dem Gas Sterne bilden wird das Gas durch die (extreme) Leuchtkraft der schweren jungen Sterne ‚vertrieben‘ und durch die Kondensation zu Sternen vorher schon konzentriert und damit weiteren Sternbildungsprozessen entzogen.

Es gibt daher in einer Galaxis zwar einen inneren Bereich in dem es durch die dort häufiger vorkommende höhere Gaskonzentration vermehrt zur Sternbildung kommt, aber dieser Vorgang ist eben nicht auf den Zentralbereich unserer oder vergleichbarer Galaxien beschränkt. Das Ganze ist daher sowohl biologisch als auch physikalisch nur schwierig auf einen Radius um das galaktische Zentrum herum einzugrenzen.

Nun noch etwas zur Altersverteilung. Ich hatte in einer Diskussion mit UMa (der mit großem Abstand der kompetentere von uns beiden ist) aus den Daten einer Durchmusterung http://cdsarc.u-strasbg.fr/cats/cats.html aus dem (inzwischen als Obsolet markierten) Katalog V/117A versucht eine Abschätzung der Sternproduktionsrate (und damit für Deine Abschätzung auch die Zahl der SN beeinflußt) zu errechnen. Dabei kam ich zu ganz anderen Zahlen, als sie z.B. von Pavel Kroupa angegeben werden. Im neueren Katalog V130 ergab sich dann aber wieder ein ganz anderes Bild.*

Aus dieser Sicht (bei einer solch unsicheren Datenlage) ist es meiner Meinung nach zwar interessant mit besseren Daten auf bessere Abschätzungen zu kommen, aber man sollte bei dieser Entscheidung auch im Auge haben, daß sich die Datenbasis ziemlich dynamisch verändert. Jüngstes Beispiel, die auf wahrscheinlich eher 10 M0 angehobene Grenzmasse für Vorläufersterne einer SN. Das reduziert entweder die Zahl der potentiellen SN um weit mehr als einen Faktor 10/8 oder es verändert die Massenverteilung der neu gebildeten Sterne deutlich (wesentlich mehr in die Richtung, die ich aus den diversen Katalogen auf ganz anderen Wegen als den dafür verwendeten Beobachtungen, die mir nicht so einfach zugänglich sind, ermittelt habe. Das ging jetzt auch an UMa ;) oder eben irgendwas dazwischen)

Herzliche Grüße

MAC

*Meine Überlegung dazu war, daß ich über die Altersverteilung und über die Massenverteilung bei der Neubildung an die Anzahl pro Zeit und Gesamtmasse, von SN-Ereignissen kommen müßte. Dazu muß man aber eigentlich einen repräsentativen Querschnitt bei den Sternen haben, deren Alter bestimmt wurde. Das ist sehr schwierig, weil ihr Abstand nur bis zu eingen 30 Parsec einigermaßen genau ist und wenn (wie das der Fall ist) auch weiter entfernte Sterne herangezogen werden, man die Verteilung verfälscht, weil die leuchtärmeren entfernungsabhängig diskriminiert werden.
Daher hatte ich die Katalogdaten nach Entfernung gefiltert und nur die Sterne herangezogen, die etwas leichter als M0 waren, weil deren Zahl nicht durch zwischenzeitliches ‚Ableben‘ verfälscht werden kann.

Die Datenbasis dafür war aber (wußte ich schon damals) sehr dürftig, weil es eben kein repräsentativer Querschnitt war. Ob V130, der mein damaliges Ergebnis wieder stark verwässerte, da wirklich besser ist, weiß ich nicht, denn das einzig vielleicht brauchbare Indiz, das ich für die bessere Qualität meiner damaligen Rechnung habe, ist die Heraufsetzung der SN-Grenzgröße auf 10 M0.
 
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