Neutrinos - jenseits vom Standardmodell ?

ralfkannenberg

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Ich habe mich einmal über Neutrinos und den aktuellen Stand der Forschung (z.B. Defizit der Sonnenneutrinos, Oszillationen) informieren wollen und habe dabei bemerkt, dass es zwar zahlreiche Dokumente im Internet gibt, aber auch sehr unterschiedliche Aussagen; zudem bin ich nicht in der Lage, die Seriosizität dieser Dokumente zu beurteilen.

Ich könnte mir also vorstellen, dass hier im Forum Teilnehmer dabei sind, die sich etwas besser auskennen; angeblich sollen aus der Bestimmung der Neutrinomassen auch Rückschlüsse auf die Eigenschaften der WIMP's, aus denen sich die Dunkle Materie zusammensetzen könnte, möglich sein.

Ich denke, das alles ist Grund genug, ein neues Thema zu eröffnen, dennoch ein paar Fragestellungen:

1.) Sind Neutrinos ihre eigenen Anti-Teilchen ?
2.) Wenn Neutrino's ihre eigenen Anti-Teilchen sind, warum zerstrahlen sie nicht sofort wieder, bzw. ist ihre Dichte so gering, dass sie sich einfach nicht zum Zerstrahlen finden ?
3.) Sind die einzelnden Teil-Leptonenzahlen erhalten ? (elektronisch, myonisch, tauonisch)
4.) Ist die Gesamt-Leptonenzahl erhalten ?
5.) Neutrino-Oszillationen und Lepton-Flavors für Neutrinos
6.) Lepton-Flavors und entsprechende Oszillationen auch für Elektronen, Myonen und Tauonen ?
7.) Rückschlüsse auf WIMP-Eigenschaften durch Neutrinoforschung
8.) Erweiterung des Standardmodells auf Neutrino-Ruhemassen > 0 möglich ?
9.) ..........
 

Sky Darmos

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ralfkannenberg schrieb:
1.) Sind Neutrinos ihre eigenen Anti-Teilchen?

Sie haben keine elektrische Ladung und auch keine starke Ladung da es sich um Leptonen handelt. Möglicheweise kann man sagen dass sie soetwas wie eine schwache Ladung haben. Die würde aber auch wegfallen wenn man die Theorie von R. Gleichmann zugrundelegt - mit der ich mich jetzt auch mal intensiv befassen will. Ich würde also sagen dass Neutrinos in der Tat ihre eigenen Antiteilchen sind. Dafür spricht vor allem auch ihre Häufigkeit. Außerdem werden Neutrinos neben Gravitonen und Photonen von der Twistortheorie vorhergesagt. Allerdings als masselose Teilchen. Die entscheidene Frage die ich mir stelle ist daher: Warum haben diese Teilchen Masse und warum gibt es drei von ihnen?
 

ralfkannenberg

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Sky Darmos schrieb:
werden Neutrinos neben Gravitonen und Photonen von der Twistortheorie vorhergesagt. Allerdings als masselose Teilchen.
Das würde so auch aus dem Standardmodell folgen, doch die neuesten Ergebnisse der Sonnenneutrino-Experimente lassen wegen der Neutrino-Oszillation auf Neutrino-Massen schliessen. Fairerweise muss angefügt werden, dass die Entwickler des Standardmodells diesen Aspekt von vornherein mitberücksicht haben ! :)

Sky Darmos schrieb:
Theorie von R. Gleichmann
Auch wenn mich diese Orbitaltheorie auf diese Fragestellung gebracht hat, so möchte ich dieses Thema gerne unabhängig betrachten, d.h. Aspekte der Lehrmeinung sind ebenso willkommen wie Gedanken, die sich aus der Orbitaltheorie oder aus anderen Theorien (GUT's, erweiterte Standardmodelle, neueste Ergebnisse der Sonnenneutrino-Forschung, ...) ergeben.

Wenn ich die Dokumente, die ich im Internet bisher gefunden habe, richtig deute, so ist die Frage, ob die Neutrinos ihre eigenen Anti-Teilchen sind, völlig offen; indes habe ich noch nicht verstanden, ob sich dann zwei Neutrinos gegenseitig wieder zerstrahlen, wenn sie aufeinandertreffen oder ob der Wirkungsquerschnitt für so ein Aufeinandertreffen einfach so klein ist, dass das "fast nie" passiert. Das ist ja gerade meine Frage (2). :confused:
 
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Flozifan

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Hallo,
ich glaube zumindest ein paar Fragen lassen sich beantworten:

ralfkannenberg schrieb:
1.) Sind Neutrinos ihre eigenen Anti-Teilchen ?
Definitiv nein. Beispiel HOMESTAKE Experiment zum Nachweis Solarer Neutrinos. Dort wird die Reaktion Chlor-37+Elektronneutrino->Argon-37+Elektron verwendet. Wenn man stattdessen Antielektronneutrinos verwendet (z.B. aus einem Kernreaktor) funktioniert das nicht.

2.) Wenn Neutrino's ihre eigenen Anti-Teilchen sind, warum zerstrahlen sie nicht sofort wieder, bzw. ist ihre Dichte so gering, dass sie sich einfach nicht zum Zerstrahlen finden ?
Sind eben nicht ihre eigenen Antiteilchen...

3.) Sind die einzelnden Teil-Leptonenzahlen erhalten ? (elektronisch, myonisch, tauonisch)
Bis zur Entdeckung der Neutrinooszillation ist man davon ausgegangen, muss man jetzt aber modifizieren.

4.) Ist die Gesamt-Leptonenzahl erhalten ?
Bisher gibt es kein Experiment das die Gesamt-Leptonenzahlerhaltung verletzt. Wird aber von Grand Unified Theorys vorhergesagt.

5.) Neutrino-Oszillationen und Lepton-Flavors für Neutrinos
Da man mittlerweile Massendifferenzen zwischen den einzelnen Neutrinoarten gemessen hat (Experiment SNO), steht fest dass Neutrinos eine Ruhemasse haben. Dann muss aber sowas wie Neutrinooszillation stattfinden. Das erklaert dann auch zwanglos das Solare Neutrinoproblem

6.) Lepton-Flavors und entsprechende Oszillationen auch für Elektronen, Myonen und Tauonen ?
Ja sicher. Das ist gesicherter Bestandteil des Standardmodells.

7.) Rückschlüsse auf WIMP-Eigenschaften durch Neutrinoforschung
Zumindest kennt man jetzt mit den Neutrinos einen Teil der WIMPs.

8.) Erweiterung des Standardmodells auf Neutrino-Ruhemassen > 0 möglich ?
Im Prinzip ist das unproblematisch. Wenn man die Massenskala der Neutrinos kennt hat man halt mehr freie Parameter. Das Standardmodell sagt ja leider keine Ruhemassen vorher. Wenn allerdings die Twistortheorie masselose Neutrinos vorhersagt ist diese Theorie damit experimentell widerlegt, oder zumindest muss sie dann modifiziert werden.

Gruss,
Flo
 
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ralfkannenberg

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Zur Frage der Neutrino-Antiteilchen:
Flozifan schrieb:
Definitiv nein. Beispiel HOMESTAKE Experiment zum Nachweis Solarer Neutrinos. Dort wird die Reaktion Chlor-37+Elektronneutrino->Argon-37+Elektron verwendet. Wenn man stattdessen Antielektronneutrinos verwendet (z.B. aus einem Kernreaktor) funktioniert das nicht.
Bist Du Dir da sicher ? Mit google und "Neutrino", "Majorana" (also Majorana-Teilchen sind Teilchen, die mit ihren Anti-Teilchen identisch sind) findet man zahlreiche papers auch jüngeren Datums, bei denen diese Frage offen ist !

Zur Frage der Lepton-Flavors und entsprechenden Oszillationen auch für Elektronen, Myonen und Tauonen:
Flozifan schrieb:
Ja sicher. Das ist gesicherter Bestandteil des Standardmodells.
Aber diese vom Standardmodell vorausgesagten Übergänge sind doch Umwandlungen, bei denen die Teil-Leptonenzahl über entsprechende Neutrinos erhalten wird, also wie z.B. Myon -> myonisches Neutrino + Elektron + elektronisches Anti-Neutrino. Bei den Oszillationen indes ist nach einer gewissen Wegstrecke von den beispielsweise 100% elektronischen Neutrinos nur noch ein Teil nach wie vor in elektronischen Neutrinos, ein Teil aber bereits in myonischen und ein Teil in tauonischen Neutrinos vorhanden. So ein Oszillationsverhalten ist mir beispielsweise für Elektronen nicht bekannt.

Zur Frage der Rückschlüsse auf WIMP-Eigenschaften durch Neutrinoforschung:
Flozifan schrieb:
Zumindest kennt man jetzt mit den Neutrinos einen Teil der WIMPs.
Ich habe auch auch schon von konkreteren Aussagemöglichkeiten "gehört". :confused:
 
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Flozifan

Registriertes Mitglied
ralfkannenberg schrieb:
Zur Frage der Neutrino-Antiteilchen:
Bist Du Dir da sicher ? Mit google und "Neutrino", "Majorana" (also Majorana-Teilchen sind Teilchen, die mit ihren Anti-Teilchen identisch sind) findet man zahlreiche papers auch jüngeren Datums, bei denen diese Frage offen ist!
Da will ich nicht widersprechen, aber das von mir genannte Experiment funktioniert so. Aber du hast recht, das Ergebnis bedeutet nicht notwendigerweise dass Neutrinos Dirac-Teilchen sind (als Gegensatz zu Majorana-Teilchen). Wenn man aber das Neutrino als sein eigenes Antiteilchen betrachtet macht auch das Konzept der Leptonenzahlerhaltung keinen Sinn. Man kann aber mit diesem Konzept Leptonenzahl erstaunlich viele Reaktionen erklaeren. Ein sehr gutes paper ist hier: http://arxiv.org/abs/hep-ph/?0001264.

Zur Frage der Lepton-Flavors und entsprechenden Oszillationen auch für Elektronen, Myonen und Tauonen:
Aber diese vom Standardmodell vorausgesagten Übergänge sind doch Umwandlungen, bei denen die Teil-Leptonenzahl über entsprechende Neutrinos erhalten wird, also wie z.B. Myon -> myonisches Neutrino + Elektron + elektronisches Anti-Neutrino. Bei den Oszillationen indes ist nach einer gewissen Wegstrecke von den beispielsweise 100% elektronischen Neutrinos nur noch ein Teil nach wie vor in elektronischen Neutrinos, ein Teil aber bereits in myonischen und ein Teil in tauonischen Neutrinos vorhanden. So ein Oszillationsverhalten ist mir beispielsweise für Elektronen nicht bekannt.
Mein Fehler, hab dich falsch verstanden. Man kann sich aber so ein Verhalten auch fuer Elektronen usw. vorstellen, es ist dann nur die Frage wo der Gleichgewichtszustand liegt. Das ist allerdings kein Bestandteil des Standardmodells.

Zur Frage der Rückschlüsse auf WIMP-Eigenschaften durch Neutrinoforschung:
Ich habe auch auch schon von konkreteren Aussagemöglichkeiten "gehört". :confused:
Ich hab nicht den Anspruch erhoben diese Frage erschoepfend behandelt zu haben ;) Es ist doch so: Neutrinos unterliegen nur der schwachen Wechselwirkung und haben eine Ruhemasse, also sind sie per Definition Weakly interacting massive particles. Ob es daneben noch andere Arten von WIMPs gibt weiss man nicht, darauf oder auf deren Eigenschaften kann man aber auch nicht durch Neutrinoforschung schliessen.
 
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Sky Darmos

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Hey Leute,

Ich kann mich erinnern dass ich vor ner Weile jemanden gefragt hab, wie denn Neutrinos Antiteilchen haben können, wenn sie dazu doch eine Ladung haben müssten. Leider hab ich seine Antwort nicht ganz verstanden. Offenbar haben sie keine elektromagnetische und auch keine starke Ladung. Die Frage ob sie eine schwache Ladung haben, wurde mir auch nicht direkt beantwortet.
Vielleicht kann mir jemand von euch etwas dazu sagen.
 

Flozifan

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Sky Darmos schrieb:
Hey Leute,

Ich kann mich erinnern dass ich vor ner Weile jemanden gefragt hab, wie denn Neutrinos Antiteilchen haben können, wenn sie dazu doch eine Ladung haben müssten. Leider hab ich seine Antwort nicht ganz verstanden. Offenbar haben sie keine elektromagnetische und auch keine starke Ladung. Die Frage ob sie eine schwache Ladung haben, wurde mir auch nicht direkt beantwortet.
Vielleicht kann mir jemand von euch etwas dazu sagen.

Ich denke die Frage nach der Ladung läßt sich sehr einfach beantworten, wenn auch vielleicht etwas unbefriedigend: Neutrinos unterliegen der schwachen Wechselwirkung also müssen sie eine schwache Ladung tragen. Interessant ist vielleicht noch folgendes: Neutrinos sind immer linkshändig, Antineutrinos rechtshändig. Linkshändig bedeutet hier daß Impuls und Spin antiparallel sind, im rechtshändigen Fall sind sie parallel. Das heißt (Anti-)Neutrinos sind keine Eigenzustände des Ladungskonjugationsoperators C oder des Paritätsoperators P, aber wohl welche der Kombination CP. Das ist aber ein Problem wenn Neutrinos eine Ruhemasse haben. Dann können sie sich nämlich nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, d.h. man kann für ein linkshändiges Neutrino ein Bezugssystem finden in dem Spin und Impuls parralel werden. Man hätte dann abhängig vom Bezugssystem ein rechtshändiges Neutrino, das aber in der Natur nie beobachtet wurde. Eine Lösung dieses Problems steht noch aus, soweit ich weiß.

Gruß,
Flo
 

prim_ass

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MINOS Resultate belegen sehr deutlich Neutrinomasse

Hier der Beleg, dass die Neutrinomasse größer Null sein muss:

Minos Page mit aktuellen Resultaten


Meine Deutung, nicht nur aus diesen Resultaten, sondern aus verschiedenen Ergebnissen und eigenen Modellierungen:

Bislang wurde in der Energiebilanz des Universums ein Neutrinoanteil von ca. 0,1% angegeben. M.E. haben wir es hier aber mit einem größeren Anteil zu tun und damit mit einem großen Beitrag zur DM. Nun weiß ich aber nicht, welche Höchstgrenze bezüglich der Neutrinogesamtmasse fürs Universum gilt.

Der andere Hälfte der DM wären dann die Spartikel der SUSY .

(Dann hätten wir noch 75% DE und halt ca. 4% baryonische Materie.)
 
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prim_ass

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Um den Thread-Titel treu zu bleiben, hier noch einen Artikel der Spiegel-Wissenschaftsredaktion (und daher mit gebotener Vorsicht zu genießen) zum möglichen Widerspruch von Standardmodell und Neutrinomassenresultate:

Link
 

gchrisf1

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Neutrinos unterliegen nur der schwachen Wechselwirkung und haben eine Ruhemasse, also sind sie per Definition Weakly interacting massive particles.

Das stimmt allerdings nicht. WIMPs sind Teilchen mit hoher Ruhemasse (einige 100 GeV) die der schwachen WW unterliegen. Neutrinos zählt man heute nicht mehr zu den WIMPs, da sie zu leicht sind.
 
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