Eris: Pluto doch der größte Zwergplanet?

ralfkannenberg

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Diese deine Aussage ist schon hart an der Grenze zur Verschwörungstheorie :rolleyes:
Hallo Frank,

jetzt vermischst Du aber zwei meiner Aussagen: die fehlende systematische Vorgehensweise werfe ich der IAU nur bei den Zwergplaneten vor, wobei es sicherlich nicht einfach ist, aus rund 100 Kandidaten, die alle das Zwergplaneten-Kriterium erfüllen, welche auszuwählen.

Was die Planetendefinition anbelangt, so teile ich sogar die Sorge der IAU, unser Planetensystem könnte inflationär mit KBO's aufgebläht werden, was der allein schon kulturellen Bedeutung der Planeten in keinster Weise gerecht wird, zumal die "Feststellung", dass der Pluto irgendwie kein richtiger Planet ist, ja schon seit Beginn der 1930'iger Jahre bekannt ist. Möglich, dass der enorme auch finanzielle Einsatz vom renommierten Percival Lowell (der mit seiner Ansicht über die Marskanäle allerdings keine glückliche Hand bewies) ein weiteres dazu beitrug, dass die Neuentdeckung gleich als Planet eingestuft wurde, um den enormen Aufwand rechtfertigen zu können.

Wobei diese von Lowell initiierte systematische Himmeldurchmusterung wohl wegweisend war und auch zahlreiche andere Entdeckungen hervorgebracht hat; dies war die eigentliche wissenschaftliche Leistung Lowell's.

Kurz und gut: nachdem man aufgrund der Bahnstörungen des Uranus erfolgreich den Planeten Neptun gefunden hat, glaubte man nun, erneut erfolgreich einen Planeten finden zu können, und als der sich als ein bisschen kleiner als Neptun erwies, wollte man ihm trotzdem den Planetenstatus nicht aberkennen. Ich denke, das ist also durchaus nachvollziehbar.

Und im Laufe der Zeit hat sich das halt eingebürgert, dass der Pluto auch ein Planet ist.

Als dann im Jahre 2002 mit dem Quaoar ein Planetoid entdeckt wurde, der grösser - und das war ja der springende Punkt - grösser als der grösste bis anhin bekannte Planetoid Ceres war, und dann innert kurzer Zeit weitere vergleichbare Entdeckungen gelangen, war natürlich die Sorge - eigentlich Hoffnung - sehr begründet, dass man da auch Planetoiden in Plutogrösse finden würde. Auch ich würde sagen, dass es eher überraschend war, dass man mit der Eris nur einen plutogrossen Planetoiden gefunden hat, wobei sich jenseits der 100 AE-Grenze auch weitere aufhalten könnten, die sich bislang einer Entdeckung entzogen haben.

Was ich sagen will: betreffend Planeten hat die IAU meines Erachtens zu früh reagiert und eine allgemein anerkannte und pragmatische Planetendefinition durch eine systematische Planetendefinition ersetzt.

Unanbhängig von Pluto und Eris möchte ich aber der IAU in diesem Zusammenhang zugute halten, dass die zahlreichen Entdeckungen von Exoplaneten in der Zwischenzeit ebenfalls wünschenswert erscheinen lassen, systematisch und eben nicht nur pragmatisch festzulegen, was denn ein Planet sein soll. Und ja - wenn da alle diese Neuentdeckten Planetensysteme noch irgendwelche Ausnahme-Planeten enthalten sollen, so ist das wirklich der falsche Ansatz, da ist es besser, Pluto und Eris in die allgemeinere Zwergplaneten-Kategorie einzustufen.

Punkt c trifft für den Doppelplaneten Pluto/Charon halt nicht zu!
Jein: meines Wissens ist hier nicht Charon das Problem, denn die Planetendefinition schliesst nicht das Vorhandensein von Doppelplaneten aus, das Problem sind all die anderen KBO's, die eben auch dort sind. Allein schon Plutinos, also solche mit einer 2:3-Resonanz zum Neptun, sind zahlreiche bekannt und mit Orcus ist da sogar einer der >~1000 km-Klasse dabei. Es hat sich also im Laufe der Zeit dort ebenso wie im Planetoiden-Hauptgürtel kein grosser Planet aus den Protoplaneten bilden können.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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FrankSpecht

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Moin Ralf,
vielen Dank für deine genauere Beschreibung!

Allerdings sehe ich das
Und im Laufe der Zeit hat sich das halt eingebürgert, dass der Pluto auch ein Planet ist.
ein wenig anders. Ceres bspw. war nach seiner Entdeckung auch einige Jahrzehnte lang als Planet gekennzeichnet, bis halt immer mehr Objekte ähnlicher Größe in ähnlicher Entfernung entdeckt wurden.
Daraufhin wurde dann ja ebenfalls systematisch eine neue Objektgruppe eingeführt.

meines Wissens ist hier nicht Charon das Problem, denn die Planetendefinition schliesst nicht das Vorhandensein von Doppelplaneten aus, ...
Hier hast du mich missverstanden ;)
Charon sehe ich natürlich ebenfalls nicht als "Problem", sondern, genau wie du, die weiteren Kuiperbelt-Objekte.
 

ralfkannenberg

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Ceres bspw. war nach seiner Entdeckung auch einige Jahrzehnte lang als Planet gekennzeichnet, bis halt immer mehr Objekte ähnlicher Größe in ähnlicher Entfernung entdeckt wurden.
Daraufhin wurde dann ja ebenfalls systematisch eine neue Objektgruppe eingeführt.
Hallo Frank,

ich denke, hier sprichst Du den wunden Punkt an: jedesmal, wenn es "zu viele" Planeten gab, wurde interveniert.

Deswegen meine zweifelsohne etwas ketzerische Frage: wieviele Planeten darf denn ein Planetensystem maximal haben, ehe es als "zu viele" empfunden wird ?


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Bynaus

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@Ralf: Ziel der IAU war eine verbindliche, wissenschaftlich sinnvolle Definition eines Planeten. Dass man da jemals eine willkürliche (wenn auch "leicht merkbare") Grenze wie 1000 km einführen würde ist komplett illusorisch. Das wird nie geschehen.

Eher noch könnte das schwer quantifizierbare Rundheits-Kriterium fallen, weil jedes Objekt, das seinen Orbit freiräumt, ohnehin rund ist. Das Kriterium ist daher nicht nur schwierig zu überprüfen, sondern auch überflüssig.

Hier ein interessanter neuer Vorschlag zur Definition der Minimalmasse zur Bahnfreiräumung: http://arxiv.org/abs/1507.06300

Auch demnach gäbe es 8 Planeten im Sonnensystem, und die Definition lässt sich einfach auf Exoplanetensysteme anwenden.

Ich persönlich würde für die runden nicht-Planeten wie Pluto und Eris am ehesten den etwas antiquierten Begriff "Planetoiden" verwenden. Das legt nahe, dass sie in gewissen Aspekten planetenähnlich sind, ohne all deren Eigenschaften zu teilen.
 

ralfkannenberg

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@Ralf: Ziel der IAU war eine verbindliche, wissenschaftlich sinnvolle Definition eines Planeten. Dass man da jemals eine willkürliche (wenn auch "leicht merkbare") Grenze wie 1000 km einführen würde ist komplett illusorisch. Das wird nie geschehen.

Eher noch könnte das schwer quantifizierbare Rundheits-Kriterium fallen, weil jedes Objekt, das seinen Orbit freiräumt, ohnehin rund ist. Das Kriterium ist daher nicht nur schwierig zu überprüfen, sondern auch überflüssig.

Hier ein interessanter neuer Vorschlag zur Definition der Minimalmasse zur Bahnfreiräumung: http://arxiv.org/abs/1507.06300

Auch demnach gäbe es 8 Planeten im Sonnensystem, und die Definition lässt sich einfach auf Exoplanetensysteme anwenden.
Hallo Bynaus,

das beantwortet meine Frage aber nicht, ob ein Sonnensystem mit 100 IAU-konformen Planeten akzeptiert würde.

Ich persönlich würde für die runden nicht-Planeten wie Pluto und Eris am ehesten den etwas antiquierten Begriff "Planetoiden" verwenden. Das legt nahe, dass sie in gewissen Aspekten planetenähnlich sind, ohne all deren Eigenschaften zu teilen.
Auch eine Idee; dann kämen sie in dieselbe Klasse wie die Asträa, Juno, Hebe und Iris, nur um einige Beispiele zu nennen. Ich will ja bei meinem Argument nicht mit den grösseren Brocken wie Pallas, Vesta oder Hygeia um mich werfen.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

ralfkannenberg

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Hier ein interessanter neuer Vorschlag zur Definition der Minimalmasse zur Bahnfreiräumung: http://arxiv.org/abs/1507.06300
Hallo Bynaus,

danke für den Link, das kann ich mir in den Ferien übernächste Woche vielleicht mal genauer anschauen. Da die vorgeschlagene Formel die Zentralmasse, die Trabantenmasse und den Trabantenabstand enthält könnte man sie eigentlich auch mal auf die Monde unseres Sonnensystems anwenden und schauen, ob diese ebenfalls das Kriterium erfüllen. Möglicherweise ist hier aber noch ein Korrekturterm erforderlich, da der Planet ja schon Masse "weggeräumt" hat, die der Mond nicht mehr wezuräumen braucht, so dass im Falle der Planeten-/Mondsysteme die Grenzkurve meiner Vermutung nach deutlich tiefer verlaufen wird.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

ralfkannenberg

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Unanbhängig von Pluto und Eris möchte ich aber der IAU in diesem Zusammenhang zugute halten, dass die zahlreichen Entdeckungen von Exoplaneten in der Zwischenzeit ebenfalls wünschenswert erscheinen lassen, systematisch und eben nicht nur pragmatisch festzulegen, was denn ein Planet sein soll. Und ja - wenn da alle diese Neuentdeckten Planetensysteme noch irgendwelche Ausnahme-Planeten enthalten sollen, so ist das wirklich der falsche Ansatz, da ist es besser, Pluto und Eris in die allgemeinere Zwergplaneten-Kategorie einzustufen.
Nur dass die IAU-Definition nicht ausreichend sein dürfte: man hat inzwischen so viele Planetensysteme gefunden, dass die Möglichkeit besteht, eines zu finden, welches ähnlich dem unseren ist, nur dass dort der massereichste Vertreter des Planetoidengürtels mehr Masse als der massereichste IAU-konforme Planet. Dieser wäre dann also kein Planet.

Umgekehrt könnte es in unserem Sonnensystem einen rund 500 km grossen Körper geben, der sich innerhalb der Oort'schen Wolke, aber ausserhalb der Sedna-artigen KBO befindet und der gravitativ dominant ist. Ein solcher Körper wäre ebenfalls ein IAU-konformer Planet.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Bynaus

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ralfkannenberg schrieb:
das beantwortet meine Frage aber nicht, ob ein Sonnensystem mit 100 IAU-konformen Planeten akzeptiert würde.

Ich denke schon - es geht nicht grundsätzlich um die Anzahl. Aber Planeten sollte schon eine wichtige dynamische Rolle im System zukommen. Wenn dieses System gross genug ist, um 100 Planeten zu beinhalten, warum nicht?

danke für den Link, das kann ich mir in den Ferien übernächste Woche vielleicht mal genauer anschauen. Da die vorgeschlagene Formel die Zentralmasse, die Trabantenmasse und den Trabantenabstand enthält könnte man sie eigentlich auch mal auf die Monde unseres Sonnensystems anwenden und schauen, ob diese ebenfalls das Kriterium erfüllen. Möglicherweise ist hier aber noch ein Korrekturterm erforderlich, da der Planet ja schon Masse "weggeräumt" hat, die der Mond nicht mehr wezuräumen braucht, so dass im Falle der Planeten-/Mondsysteme die Grenzkurve meiner Vermutung nach deutlich tiefer verlaufen wird.

Du meinst, die Monde, jeweils als Planeten "alleine" auf der Bahn ihres Planeten? Ich glaube, für den Mond wäre dies erfüllt, vermutlich auch für die vier galileischen Monde sowie Titan.

Beim "freiräumen der Bahn" geht es nicht so sehr um die tatsächliche Situation, sondern darum, ob der Planet realistischerweise seine Bahn in einer charakteristischen Zeit (z.B. proportional zur Hauptreihenverweildauer seines Sterns) von kleineren Trümmern freiräumen könnte. Eine Korrekturterm wäre also nicht erforderlich.

Nur dass die IAU-Definition nicht ausreichend sein dürfte: man hat inzwischen so viele Planetensysteme gefunden, dass die Möglichkeit besteht, eines zu finden, welches ähnlich dem unseren ist, nur dass dort der massereichste Vertreter des Planetoidengürtels mehr Masse als der massereichste IAU-konforme Planet. Dieser wäre dann also kein Planet.

Kaum. Asteroidengürtel enthalten keine Gasriesen.

Umgekehrt könnte es in unserem Sonnensystem einen rund 500 km grossen Körper geben, der sich innerhalb der Oort'schen Wolke, aber ausserhalb der Sedna-artigen KBO befindet und der gravitativ dominant ist. Ein solcher Körper wäre ebenfalls ein IAU-konformer Planet.

Wie gesagt, es geht nicht um die tatsächliche Situation. Ein solcher Planetoide wäre dann über eine komplizierte Kette von Ereignissen in seine Bahn gekommen - das "freiräumen" der Bahn wäre gar nicht nötig, weil es dort draussen gar keine anderen solchen Objekte gibt. Insofern ist das keine wirkliche "gravitative Dominanz". Ein 500 km Körper kann, auch in der Oortschen Wolke, niemals ein Planet sein (nach der Formel im verlinkten Paper oder den ähnlichen Formeln, die von anderen Autoren vorgeschlagen wurden).
 

ralfkannenberg

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Ich denke schon - es geht nicht grundsätzlich um die Anzahl. Aber Planeten sollte schon eine wichtige dynamische Rolle im System zukommen. Wenn dieses System gross genug ist, um 100 Planeten zu beinhalten, warum nicht?
Hallo Bynaus,

weil Planeten etwas Besonderes sind und sich kaum jemand 100 Planeten merken kann (bzw. will).

Kaum. Asteroidengürtel enthalten keine Gasriesen.
Ok, nehmen wir ein Planetensystem, in welchem es keine Gasriesen gibt. Oder gerne auch eines, in dem es 4 Gasplaneten und 4 Felsplaneten gibt, so wie bei uns. Und dann eben noch eine Ceres, die etwas massereicher als der massereichste Felsplanet ist.

Wie sieht es da auch ?

Ein solcher Planetoide wäre dann über eine komplizierte Kette von Ereignissen in seine Bahn gekommen - das "freiräumen" der Bahn wäre gar nicht nötig, weil es dort draussen gar keine anderen solchen Objekte gibt. Insofern ist das keine wirkliche "gravitative Dominanz". Ein 500 km Körper kann, auch in der Oortschen Wolke, niemals ein Planet sein.
Meinetwegen, aber dann sollte man die nicht-wirkliche "gravitative Dominanz" definieren und ausschliessen.

Was nun, wenn sich an dieser Stelle statt eines 500 km grossen Körpers ein Körper mit der Masse der Erde befindet - kann der dann auch niemals ein Planet sein ?


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Bynaus

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weil Planeten etwas Besonderes sind und sich kaum jemand 100 Planeten merken kann (bzw. will).

Naja, bei Monden hat auch niemand ein Problem damit. Es hat bisher noch niemand gefordert, dass man "Monde" von "Zwergmonden" (oder eigentlich: -satelliten) unterscheiden müsse. Das Problem stellt sich aber gar nicht, weil das Sonnensystem ganz einfach nicht 100 Planeten hat und nie haben wird. Vielleicht werden es mal 9 oder 10 sein, aber das scheint mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sehr wahrscheinlich. Aber selbst 10 kann man sich problemlos merken.

Und dann eben noch eine Ceres, die etwas massereicher als der massereichste Felsplanet ist.

Ich nehme an, du meinst, als der massenärmste (!) Felsplanet im System, oder? Wäre Ceres allerdings so massenreich wie Merkur (der masseärmste Felsplanet im Sonnensystem), würde sie eben ihren Orbit gravitativ dominieren bzw. von kleinen Trümmern freiräumen - es gäbe dann keinen Asteroidengürtel. Etwas anders sieht es im äusseren Sonnensystem aus. Mit der Formel im kürzlich verlinkten Artikel ergibt sich in 40 AU Entfernung eine Minimalmasse von 0.38 Erdmassen für gravitative Dominanz. Damit könnte es dort z.B. einen Zwergplaneten geben, der massiver ist als Merkur. Das ist vielleicht nicht so intuitiv, das räume ich ein, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die beiden Welten ganz andere dynamische Rollen in ihren jeweiligen Orbits haben. Der massive Zwergplanet hätte dann z.B. eine ganze Reihe von ähnlich grossen Objekten mit ähnlichen Massen in seiner Nähe, während Merkur immer noch alleine auf seiner Bahn wäre.

Was nun, wenn sich an dieser Stelle statt eines 500 km grossen Körpers ein Körper mit der Masse der Erde befindet - kann der dann auch niemals ein Planet sein ?

Mit der Formel oben ergibt sich etwa ab einer Entfernung von ca. 90 AU, dass ein erdgrosser Planet nicht gravitativ dominant sein kann. Wenn sich nun herausstellen würde, dass es in, sagen wir, 100 AU Entfernung von der Sonne tatsächlich ein einsames, erdgrosses, "dynamisch gestrandetes" Objekt gibt, würde ich dieses intuitiv einen Planeten nennen wollen, gravitative Dominanz hin oder her. Aber das liegt eben auch daran, dass es alleine auf dieser Bahn ist und nicht Teil einer Population (PS: Das ist auch der Grund warum für mich Sedna eher noch ein Kandidat für den Planetenstatus wäre als Eris und Pluto - zumal wir heute, dank Mike Brown, wissen dass es wahrscheinlich keine ähnlich grossen Objekte auf dieser Art von Bahn gibt).

Insofern stimme ich dir zu: gravitative Dominanz ist vielleicht nicht nötig, aber es kann ein Weg sein, wie man zu dem kommt, was man intuitiv als "Planeten" bezeichnen würde: ein Objekt auf einer Bahn, die es nicht mit vielen anderen, ähnlich grossen Körpern teilt. Ich denke aber auch, dass dies ein Problem ist, das man erst dann lösen muss, wenn man es hat. Es ist nichts Schlimmes dabei, die Definition gelegentlich anzupassen, wenn neue Erkenntnisse und Objekte auftauchen. Heute jedoch ist eine Definition über die gravitative Dominanz ausreichend, insbesondere auch, wenn sie so einfach ist, dass sie sich auf viele Exoplanetensysteme (in denen kleine Körper gar nicht erst entdeckt werden können) anwenden lässt.
 
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Alex74

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Das ist auch der Grund warum für mich Sedna eher noch ein Kandidat für den Planetenstatus wäre als Eris und Pluto - zumal wir heute, dank Mike Brown, wissen dass es wahrscheinlich keine ähnlich grossen Objekte auf dieser Art von Bahn gibt
Dabei hat Sedna ja nichtmal Zwergplanetenstatus - nur Kandidat, und das seit vielen Jahren.
Allerdings stellt sich sehr wohl die Frage ob Sedna nur Teil einer Population ist; man konnte sie nur entdecken weil sie gerade nahe des Perihels ihrer Bahn ist. Da ist sie aber am kürzesten; es stellt sich die Frage ob es dann nicht noch weitere Sednas gibt, die nur gerade nicht so nahe sind - das wäre schlicht wahrscheinlich.

Ferner, welche Ideen gibt es denn bisher wie Sedna auf diese Bahn gekommen sein kann? Sie ist ja sicher auch ein Ex-KBO, das vermutlich irgendwo nahe des Aphels gravitativ gestört worden sein muss. Wie massiv muss der Störkörper gewesen sein? Und wenn er massiver ist als ein anderes KBO, dann ist Sedna sehr wahrscheinlich nur Teil einer Population oder es gibt noch mindestens diesen Störkörper. Oder nicht?
 

Bynaus

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Allerdings stellt sich sehr wohl die Frage ob Sedna nur Teil einer Population ist; man konnte sie nur entdecken weil sie gerade nahe des Perihels ihrer Bahn ist. Da ist sie aber am kürzesten; es stellt sich die Frage ob es dann nicht noch weitere Sednas gibt, die nur gerade nicht so nahe sind - das wäre schlicht wahrscheinlich.

Naja, Mike Brown hat nach anderen Sedna-artigen Körpern gesucht (wobei diese nicht so hell wie Sedna selbst sein mussten) und keinen einzigen gefunden. Das könnte schon darauf hindeuten, dass es keine weiteren solchen Körper gibt.

Nur um das klarzustellen: ich denke nicht, dass Sedna ein Planet sein sollte. Ich sage bloss, dass Sedna ein besserer Kandidat wäre als Eris und Pluto, weil sie von den Bahnparametern her eher dem entspricht, was man von einem Planeten erwartet.

Ferner, welche Ideen gibt es denn bisher wie Sedna auf diese Bahn gekommen sein kann? Sie ist ja sicher auch ein Ex-KBO, das vermutlich irgendwo nahe des Aphels gravitativ gestört worden sein muss. Wie massiv muss der Störkörper gewesen sein? Und wenn er massiver ist als ein anderes KBO, dann ist Sedna sehr wahrscheinlich nur Teil einer Population oder es gibt noch mindestens diesen Störkörper. Oder nicht?

Der Störkörper könnte auch ein vorbefliegender Stern gewesen sein... h
 

ralfkannenberg

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Naja, bei Monden hat auch niemand ein Problem damit. Es hat bisher noch niemand gefordert, dass man "Monde" von "Zwergmonden" (oder eigentlich: -satelliten) unterscheiden müsse.
Hallo Bynaus,

ich weiss nicht, wie alt Du bist, aber die Monde-Inflation durch die Voyager-Sonden und später durch das HST war in "meiner Generation" schon ein Thema.


Das Problem stellt sich aber gar nicht, weil das Sonnensystem ganz einfach nicht 100 Planeten hat und nie haben wird.
Aber auch nur, wenn man die IAU-Planetendefinition durch Deine Zusatz-Regel der nicht-wirklichen gravitativen Dominanz ergänzt. - Ich kann das momentan nicht beurteilen, finde aber aus einer puristischen Sicht zum jetzigen Zeitpunkt grossen Gefallen an einer solchen Zusatz-Regel.

Vielleicht werden es mal 9 oder 10 sein, aber das scheint mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sehr wahrscheinlich.
Und zwar primär deswegen, weil Du allfällige Kandidaten aufgrund der nicht-wirklichen gravitativen Dominanz ausschliessst.

Aber selbst 10 kann man sich problemlos merken.
Das gilt für unser Planetensystem ohne Pluto und Eris ebenso wie mit ihnen.

Ich nehme an, du meinst, als der massenärmste (!) Felsplanet im System, oder? Wäre Ceres allerdings so massenreich wie Merkur (der masseärmste Felsplanet im Sonnensystem), würde sie eben ihren Orbit gravitativ dominieren bzw. von kleinen Trümmern freiräumen - es gäbe dann keinen Asteroidengürtel.
My bad, ich hatte noch keine Zeit, das näher anzuschauen. Danke schön, dass Du das für mich schon getan hast.

Etwas anders sieht es im äusseren Sonnensystem aus. Mit der Formel im kürzlich verlinkten Artikel ergibt sich in 40 AU Entfernung eine Minimalmasse von 0.38 Erdmassen für gravitative Dominanz. Damit könnte es dort z.B. einen Zwergplaneten geben, der massiver ist als Merkur. Das ist vielleicht nicht so intuitiv, das räume ich ein
Immerhin :)

, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die beiden Welten ganz andere dynamische Rollen in ihren jeweiligen Orbits haben. Der massive Zwergplanet hätte dann z.B. eine ganze Reihe von ähnlich grossen Objekten mit ähnlichen Massen in seiner Nähe, während Merkur immer noch alleine auf seiner Bahn wäre.
Wie gesagt: unsere Meinungen nähern sich wesentlich an. Grundsätzlich finde ich Deinen Ansatz richtig und auch notwendig.

Mit der Formel oben ergibt sich etwa ab einer Entfernung von ca. 90 AU, dass ein erdgrosser Planet nicht gravitativ dominant sein kann. Wenn sich nun herausstellen würde, dass es in, sagen wir, 100 AU Entfernung von der Sonne tatsächlich ein einsames, erdgrosses, "dynamisch gestrandetes" Objekt gibt, würde ich dieses intuitiv einen Planeten nennen wollen, gravitative Dominanz hin oder her. Aber das liegt eben auch daran, dass es alleine auf dieser Bahn ist und nicht Teil einer Population
Aber "alleine" wäre der doch gar nicht, weil dem jede Menge KBO's um die Ohren fliegen, u.a. mit Eris, Sedna und "Snow White" (225088) 2007 OR10 auch drei der über 1000km-Klasse. Und die kleine Sedna, also "Biden" 2012 VP113, bringt es ja auch auf ~500km Durchmesser.

Insofern stimme ich dir zu: gravitative Dominanz ist vielleicht nicht nötig, aber es kann ein Weg sein, wie man zu dem kommt, was man intuitiv als "Planeten" bezeichnen würde: ein Objekt auf einer Bahn, die es nicht mit vielen anderen, ähnlich grossen Körpern teilt.
Der Vorteil der gravitativen Dominanz ist natürlich der, dass er quantifizierbar ist; insofern finde ich das schon gerechtfertigt. Und in unserem Sonnensystem ist es ja auch tatsächlich so, dass beim Teilen derselben Bahn bei den Planeten das zweitgrösste/zweitmassivste Objekt eine um mehrere Grössenordnungen kleinere Masse aufweist, bei Ceres und Eris oder vorher Pluto indes nahe von 1 ist. In unserem Sonnensystem ist also bei den bekannten Himmelskörpern die Trennlinie völlig klar und ohne jede Zweifel gezogen.

Ich denke aber auch, dass dies ein Problem ist, das man erst dann lösen muss, wenn man es hat. Es ist nichts Schlimmes dabei, die Definition gelegentlich anzupassen, wenn neue Erkenntnisse und Objekte auftauchen.
Mit identisch diesem Argument hätte ich aber den Pluto als Planeten belassen und die Eris als 10.Planeten ergänzt ;)

Betreffend Sedna hätte ich zugewartet, bis weitere Erkenntnisse über diesen Teil unseres Sonnensystems vorliegen; kommt hinzu, dass mir die Sedna "gefühlsmässig" eher als "Superplanetoid" mit ungewöhnlicher Umlaufbahn vorkommt. Mag sein, dass unser Gefühl von der Quadratwurzel(2) gelenkt wird - das ist ja auch der Faktor, mit dem bei Umorganisationen und Optimierungen Personal entlassen wird. Ebenso ist die Sedna nur um < sqrt(2) grösser als die Ceres bzw. Quaoar, spielt keine Rolle, auf wen der beiden man sich refernzieren möchte. Pluto und Eris sind aber grosser.

Heute jedoch ist eine Definition über die gravitative Dominanz ausreichend, insbesondere auch, wenn sie so einfach ist, dass sie sich auf viele Exoplanetensysteme (in denen kleine Körper gar nicht erst entdeckt werden können) anwenden lässt.
Einverstanden :)


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Alex74

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Der Störkörper könnte auch ein vorbefliegender Stern gewesen sein...
Das ist doch sehr unwahrscheinlich weil dann mehrere, wenn nicht die Mehrzahl dieser (und vielleicht größerer) Körper ähnlich stark elliptische Orbits haben sollten.

Mike Brown hat nach anderen Sedna-artigen Körpern gesucht (wobei diese nicht so hell wie Sedna selbst sein mussten) und keinen einzigen gefunden.
Ist ein Fund eines Sedna-artigen Objekts das sich gerade nicht nahe seines Perihel befindet überhaupt möglich? Oder anders gefragt: hätte man Sedna z.B. in 5.000 oder vor 5.000 Jahren überhaupt entdecken können? Bei einem Abstand von 500 bis zu 1000 AE?
 
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ralfkannenberg

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Ist ein Fund eines Sedna-artigen Objekts das sich gerade nicht nahe seines Perihel befindet überhaupt möglich? Oder anders gefragt: hätte man Sedna z.B. in 5.000 oder vor 5.000 Jahren überhaupt entdecken können? Bei einem Abstand von 500 bis zu 1000 AE?
Hallo Alex,

da wird man fündig: PUBLICATIONS of Michael E. Brown


Ich vermute, Bynaus bezieht sich auf folgende beiden Arbeiten:
A serendipitous all sky survey for bright objects in the outer solar system (M.E. Brown et al.), Astron. J., 149, 69, 2015.

Properties of the distant Kuiper belt: results from the Palomar distant solar system survey (M.E. Schwamb, M.E. Brown, D.L. Rabinowitz, and D. Ragozzine), Astrophys. J., 720, 1691-1707, 2010.


Hier noch eine frühere Arbeit, bei der "Snow White" ( (225088) 2007 OR10) entdeckt wurde:
A search for distant solar system bodies in the region of Sedna (M.E. Schwamb, M.E. Brown, D.L. Rabinowitz), ApJL, 694, L45-48, 2009.


Und hier der Vollständigkeit halber auch das Entdeckungspaper der kleinen Sedna "Biden" (2012 VP113):
A Sedna-like body with a perihelion of 80 astronomical units (Chadwick A. Trujillo & Scott S. Sheppard)



Freundliche Grüsse, Ralf


P.S.: Mike Brown hat übrigens Mühe, einzuräumen, dass seine Eris kleiner als der Pluto ist; in seiner neuesten Liste führt er die Eris noch 1 km (!!) grösser als Pluto
 
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frosch411

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Die Wissenschaftler haben schon manchmal Definitionen definiert, bei denen manchmal für Laien schwer nachvollziehbare und eigentlich dem gesunden Menschenverstand widersprechende Grenzfälle entstehen.
So ist die Fledermaus kein Vogel sondern ein Säugetier, ebenso wie der Walfisch eben kein Fisch ist. Wegen der Fortpflanzung kann man das ja noch verstehen. Aber es geht noch weiter. Die Erdbeere ist kein Obst sondern eine Nuss, während die Erdnuss eben keine Nuss sondern eine Hülsenfrucht ist.
 

Alex74

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Danke für die Links, Ralf; tatsächlich wird erwähnt dass solche Körper bis 1000 AE entdeckt werden konnten.
Imho beisst sich doch das aber auch mit anderen Aussagen, wonach trotz der WISE-Daten größere Brocken weiter draussen noch möglich wären? (Habe leider gerade keinen Link, irgendwo hatte ich da was bzgl. der WISE Daten und der möglichkeit eines planetengroßen Körpers jenseits des KB neulich gelesen)
 

Bynaus

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ralfkannenberg schrieb:
Aber auch nur, wenn man die IAU-Planetendefinition durch Deine Zusatz-Regel der nicht-wirklichen gravitativen Dominanz ergänzt.

Die "nicht-wirkliche gravitative Dominanz" ist nicht meine Erfindung. Die IAU Regel spricht von "clearing the neighborhood", also dem "Ausräumen der Nachbarschaft", konkret das erfolgreich erfolgte Freiräumen der Bahn von kleineren Trümmern. Die Definition lässt sich nicht direkt auf Monde anwenden, weil die das gar nie machen mussten, das ist dann eher ein Gedankenspiel. Ein 1 Erdmasse-Objekt in 100 AU Entfernung wäre nach der IAU kein Planet, weil es seine Bahn nicht von Trümmern freigeräumt hat (ganz einfach weil da nie irgendwelche Trümmer waren...).

Das gilt für unser Planetensystem ohne Pluto und Eris ebenso wie mit ihnen.

Bloss dass das willkürlich ist. Spätestens mit der Entdeckung des ersten KBOs (1992 QB1) und erst Recht nach der Entdeckung von Quaoar war klar, dass Pluto Teil einer Population ist. Man kann nicht Pluto und Eris als Planeten zählen, aber Makemake, Haumea und wie sie alle heissen ausschliessen.

Aber "alleine" wäre der doch gar nicht, weil dem jede Menge KBO's um die Ohren fliegen, u.a. mit Eris, Sedna und "Snow White" (225088) 2007 OR10 auch drei der über 1000km-Klasse. Und die kleine Sedna, also "Biden" 2012 VP113, bringt es ja auch auf ~500km Durchmesser.

Es stellt sich halt die Frage, wie viele Grössenordnungen in Masse man zum nächstkleineren Objekt noch als "alleine" gelten lassen will. Vielleicht könnte man sagen: ein kugelförmiges Objekt, dass seine Bahn nicht mit anderen kugelförmigen Objekten teilt, ist ein Planet. Allerdings stellt sich auch dann das Problem, dass Neptun seine Bahn, gewissermassen, mit anderen kugelförmigen Objekten teilt und demnach kein Planet wäre. Irgendwo muss da die Grössenordnung zwischen den Kugeln (oder nicht-Kugeln) reinkommen.

In unserem Sonnensystem ist also bei den bekannten Himmelskörpern die Trennlinie völlig klar und ohne jede Zweifel gezogen.

Und genau diese intuitiv verständliche Trennlinie versucht die IAU Definition zu umschreiben - wobei man das sicher besser machen könnte.

Alex74 schrieb:
Das ist doch sehr unwahrscheinlich weil dann mehrere, wenn nicht die Mehrzahl dieser (und vielleicht größerer) Körper ähnlich stark elliptische Orbits haben sollten.

Aber genau das ist der Fall. Die Perihels dieser extremen Objekte befinden sich alle bei einer ähnlichen Elongation.

Imho beisst sich doch das aber auch mit anderen Aussagen, wonach trotz der WISE-Daten größere Brocken weiter draussen noch möglich wären? (Habe leider gerade keinen Link, irgendwo hatte ich da was bzgl. der WISE Daten und der möglichkeit eines planetengroßen Körpers jenseits des KB neulich gelesen)

WISE kann aus instrumentellen Gründen in dieser Distanz (= weit jenseits des KB) nur Objekte finden, die aktiv Wärme abgeben (also mehr, als sie von der Sonne erhalten). Deshalb sind Felsige/Eisige Objekte mit WISE nicht zu finden bzw. nicht auszuschliessen. Das ganz grundsätzlich.

Aber natürlich gilt: wenn ein Instrument die Existenz eines Objektes nicht ausschliessen kann, aber ein anderes kann es ausschliessen, dann gibt es das Objekt natürlich nicht. Schliesslich wurde es vom einen der beiden Instrumente ausgeschlossen...

EDIT/PS: Vielen Dank Ralf für das Raussuchen der Links!
 
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Bynaus

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Noch eine Anmerkung: Zwar sagt Brown, dass er bis auf eine Entfernung von 10'000 AU Objekte von ca. V = 19 ausschliessen kann. ABER: das heisst natürlich nicht zwingend, dass es deswegen bis dort draussen keine weiteren, grossen Objekte geben kann: ihre gemessene Helligkeit könnte einfach weniger stark als V = 19 sein. Wie weiter oben erklärt fällt die Helligkeit ja mit der Vierten Potenz der Entfernung, das heisst, ein V = 19 Objekt mag in der gegenwärtigen Entfernung von Sedna in etwa der Grösse von Sedna entsprechen, aber bei der doppelten Entfernung muss ein Objekt schon 2^4 = 16 mal heller sein (dh, den vierfachen Durchmesser haben), um immer noch V = 19 zu erreichen. In der dreifachen Sedna-Entfernung ist es bereits der neunfache Sedna-Durchmesser etc. Insofern kann Brown zwar Objekte von V = 19 bis 10'000 AU ausschliessen (weil bis in diese Entfernung der Algorithmus immer noch die Bewegung des Objektes hätte feststellen können), aber die dieser Helligkeit entsprechende Grösse steigt sehr schnell an, so dass man die Objekte bald nur schon wegen ihrer Masse entdecken müsste. Insofern gibt es noch viel Spielraum für die Entdeckung weiterer Objekte am Rand des Sonnensystems.
 
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