Energieversorgung von Raumsonden

hardy

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Hallo,

'galileo' hat mich ermutigt, etwas über die Herstellung von Pu-238, das für Radionuklidbatterien (Radioisotope Thermoelectric Generators, RTG's) benötigt wird, zu berichten.

RTG's werden für die Energieversorgung (Strom, Heizung) von Raumsonden benötigt, die in Bereiche jenseits des Mars vorstossen. Dort hat man zu wenig Sonnenlicht, um aus Solarzellen genügend Energie zu beziehen. Deshalb setzt man RTG's ein, welche über den radioaktiven Zerfall von Isotopen Wärme erzeugen, die über thermoelektrische Prozesse in Strom umgewandelt wird.

Warum man gerade das Isotop Pu-238 ausgewählt hat, das kann man bei Wikipedia nachlesen. Wesentlich dafür waren die relativ lange Halbwertszeit (87,7 Jahre), die spezifische Wärmeproduktion (ca. 0,5 W/g) und die Emission von alpha-Strahlung, die wenig Anforderungen an die Strahlenabschirmung stellt.

Wie bei den meisten Elementen, so besteht auch das Element Pu aus Isotopen. Die Trennung von Isotopen eines Elements ist keine leichte Sache. Das hat man speziell bei der Separation der Uran-Isotope U-235 und U-238 gemerkt (-> Atombombenbau).

Pu-238 ist kein natürlich vorkommendes Isotop. Es wird in Kernspaltungsreaktoren erst bei hohem Abbrand des Kernbrennstoffs erzeugt, jedoch in einem Gemisch der Isotope Pu-238, Pu-239, Pu-240, Pu-241 und Pu-242. Es wäre sehr aufwändig, aus diesem Isotopen-Gemisch das Isotop Pu-238 physikalisch zu extrahieren.

Stattdessen hat man folgenden Weg eingeschlagen.

In jedem Kernreaktor mit dem Spaltmaterial U-235 entsteht notwendigerweise auch das Isotop U-236. Durch Neutroneneinfang bildet sich daraus U-237, das mit einer Halbwertszeit von 6,75 Tagen zu Np-237 zerfällt. Np-237 ist sehr langlebig (2,1*10^6 Jahre). Neptunium kann von Uran und Plutonium chemisch abgetrennt werden.

Aus dem Np-237 werden Brennstäbe gefertigt und im Kernreaktor bestrahlt. Daraus entsteht durch Neutroneneinfang das gewünschte Pu-238.

Gruss
hardy
 

galileo2609

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Hallo hardy,

danke für deine Ausführungen. Ich habe mich zwischenzeitlich auch noch schlau gemacht. Zu den Details der RTGs und auch zu den Protesten gegen deren Einsätze in Planetensonden habe ich die beste Zusammenfassung bei Bernd Leitenberger gefunden: Die Radioisotopenelemente an Bord von Raumsonden

Übrigens habe ich auf dieser ausgezeichneten site noch ein Detail gefunden, das mich auf den Ursprung dieses Threads zurückwirft:
Bernd Leitenberger schrieb:
Seit dem Ende des Kalten Kriegs haben die USA ihr Plutonium von Russland bezogen. In gewisser Sonne entsorgen die USA also die Atomabfälle der UdSSR im Weltraum. Sowohl Cassinis wie auch New Horizons RTG verwenden russisches Plutonium. Im Jahre 2005 verfügten die USA noch über 8 kg Pu-238 und könnten von Russland weitere 30 kg kaufen (ein RTG enthält 9.7 kg Plutonium, davon 7.5 kg Pu-238). Bis zum Jahr 2011 sollten die USA 23 kg benötigen. Um nicht von Russland abhängig zu sein hat man schon im Jahre 2001 beschlossen in den Reaktoren Idaho Falls und Oak Ridge die Produktion wieder aufzunehmen. Sie produzieren zusammen 3-5 kg pro Jahr. Die Produktion soll offiziell im Jahre 2011 beginnen. Über 30 Jahre sollen so 150 kg Pu-238 erzeugt werden.
So wie ich das interpretiere, sind die RTG damit doch ein Bestandteil der Konversion. Wenn auch nicht im Sinne von 'Megatonnen zu Megawatt'.

Grüsse galileo2609
 

Martin

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galileo2609

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Hallo Martin,
Vom Oktober 2009:
Praesident Obamas Antrag auf 30 mio USD zur Wiederaufnahme der 238Pu Produktion fuer die NASA wurde abgelehnt. So sind keine Gelder in der vom Repraesentantenhaus beschlossenen Energy-Water Appropriations bill diesbezueglich enthalten.
danke für die Information. Ich habe mich inzwischen weiter in das Thema eingelesen. Die Versorgung von deep space Missionen mit RTGs auf Basis von Pu-238 entwickelt sich offenbar zu einer trivialen Achilles-Sehne, die in keinem Verhältnis zu den sonstigen Budget-Problemen steht. Da die USA Ende der 1980er Jahre aus der eigenen Produktion von Pu-238 ausgestiegen sind, haben sie das benötigte Material vor allem aus Russland importiert. Diese Abhängigkeit hat ihren Preis. Auch wenn die nächsten Missionen mit RTGs offenbar noch gesichert sind, werden die schwindenden Bestände von Pu-238 zu Randbedingungen für die Langzeitplanungen für Planetenmissionen, die auf RTGs angewiesen sind.

Eine eigenständige Produktion kann auch nicht ad hoc aufgenommen werden, sondern braucht nach der Entscheidung über die Finanzierung nach meinen gesammelten Informationen 6 bis 9 Jahre um einen realistischen Ausstoss zu gewährleisten. Immerhin soll das Budget im Haushaltsjahr 2011 wohl erneut beantragt werden. Noch rechtzeitig genug um die Missionen ab 2020 mit der benötigten Energieversorgung ausstatten zu können. Ein spannendes Thema.

Grüsse galileo2609
 

hardy

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Zu den Details der RTGs und auch zu den Protesten gegen deren Einsätze in Planetensonden habe ich die beste Zusammenfassung bei Bernd Leitenberger gefunden: Die Radioisotopenelemente an Bord von Raumsonden

Ja, die Zusammenfassung von Bernd Leitenberger zu den RTG's ist ziemlich umfassend und detailliert. Es finden sich allerdings etliche Formulierungen, die auf eine ungenügende Sachkenntnis hinweisen, z. B.:

Bernd Leitenberger:
Die Anforderungen an die Reaktoren sind identisch und so fiel bei der Gewinnung des Pu-239 auch jede Menge Neptunium-237 an, aus dem man Plutonium-238 erzeugte.

Um Pu-239 für Waffenzwecke zu erzeugen, darf der Kernbrennstoff nur kurz bestrahlt werden (wenige Wochen). Sonst würde der Anteil an Pu-240 zu hoch werden.

Dagegen muss man den Kernbrennstoff sehr lange bestrahlen, um etwas Np-237 zu erhalten.

So wie ich das interpretiere, sind die RTG damit doch ein Bestandteil der Konversion. Wenn auch nicht im Sinne von 'Megatonnen zu Megawatt'.

Wenn man aus einem Stoff (Np-237), der in Kernreaktoren anfällt und i. a. als 'Abfall' betrachtet wird, noch etwas Brauchbares herstellen kann, dann ist das sicher begrüssenswert.

Im Übrigen ist Plutonium kein 'Abfallprodukt in Kernreaktoren', wie Leitenberger behauptet, sondern ein wertvoller Kernbrennstoff!

Gruss
hardy
 

hardy

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Die Versorgung von deep space Missionen mit RTGs auf Basis von Pu-238 entwickelt sich offenbar zu einer trivialen Achilles-Sehne, die in keinem Verhältnis zu den sonstigen Budget-Problemen steht.

Da hast du recht, galileo.
Ginge es dagegen um die nationale Sicherheit, dann wäre kaum eine Ausgabe zu hoch!

Da die USA Ende der 1980er Jahre aus der eigenen Produktion von Pu-238 ausgestiegen sind, haben sie das benötigte Material vor allem aus Russland importiert. Diese Abhängigkeit hat ihren Preis.

Die Amis haben bisher das Pu-238 zu einem Schleuderpreis bekommen. Russland lieferte 16 kg Plutonium-238 für einen Preis von 2 Millionen USD pro Kilo (also 0,125 Mill. USD pro Kilo). In den USA liegen die geschätzten Kosten bei etwa 10 Millionen USD pro Kilo (das 40-fache!).

Wenn man nun noch in o. g. Link liest:

“Radioisotope power systems are also used for unspecified national security purposes.”

und in Betracht zieht, dass sich die USA weigern, Angaben über ihr Inventar an Pu-238 zu machen, dann findet man insgesamt genug Gründe für die Weigerung der Russen, den gegenwärtigen Vertrag zur Lieferung von Pu-238 aufrecht zu erhalten.

Eine eigenständige Produktion kann auch nicht ad hoc aufgenommen werden, sondern braucht nach der Entscheidung über die Finanzierung nach meinen gesammelten Informationen 6 bis 9 Jahre um einen realistischen Ausstoss zu gewährleisten. Immerhin soll das Budget im Haushaltsjahr 2011 wohl erneut beantragt werden. Noch rechtzeitig genug um die Missionen ab 2020 mit der benötigten Energieversorgung ausstatten zu können. Ein spannendes Thema.

Die USA verfügen gegenwärtig noch über die notwendige Expertise, um Pu-238 selbst herzustellen. Fragt sich, wie wichtig es ihnen ist.

Gruss
hardy
 
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