Neutrinos: Die Jagd nach theta13

astronews.com Redaktion

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Die lange Zeit rätselhaften Neutrinos geben allmählich ihre Geheimnisse preis. Ein internationales Team von Wissenschaftlern glaubt nun sichere Indizien dafür gefunden zu haben, dass auch der letzte von drei Parametern, die die Oszillation von Neutrinos beschreiben, größer als null ist. Für die Teilchenphysiker würde die Bestätigung dieses Befunds ganz neue Perspektiven eröffnen. (9. September 2011)

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Alex74

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Eine Frage am Rande:

Die Folgerung, daß oszillierende Neutrinos nicht masselos sein können kenne ich.
Aber läßt sich das irgendwie anschaulich begründen?

Das Teilchen-Standardmodell sagt ja eigentlich ruhemasselose Neutrinos vorher; daher wundert mich die Aussage mit der Oszillation im Falle von Masse doch immer wieder; falls das irgendwie anschaulich zu erklären ist wäre ich sehr dankbar.

Gruß Alex
 

MGZ

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Möglicherweise erzähle ich grade Blödsinn, ich habe in meiner Teilchenphysikvorlesung nie so genau zugehört.

Wenn ein Neutrino A sich in ein Neutrino B verwandelt und beide eine unterschiedliche Masse haben, dann ist das im Rahmen der klassischen Physik nicht zu verstehen. Aber mit Basic-Quantenmechanik kann man es begreifen.
Bekanntlich ist E=h*f. Eine Wellenfunktion im Energie-Eigenzustand (ein Zustand, wo das Messergebnis für die Energie exakt vorhergesagt werden kann) hat grundsätzlich eine Phase e^(i/h*E*t). Um das Messergebnis zu berechnen, muss das Betrags-Quadrat der Wellenfunktion gebildet werden, dabei verschwindet die Phase.
Wenn aber das Neutrino eine Wellenfunktion hat, die eine Mischung aus Neutrino A und Neutrino B ist, dann addiert man zwei verschiedene Phasen und man stellt fest, dass das Neutrino mit einer neuen Frequenz zwischen E_A und E_ B zwischen den beiden Ruhe-Energie-Zuständen hin und her oszilliert.
Übrigens ist das mit dem mit dem Energieerhaltungssatz genau dann verträglich, wenn der leichtere Zustand im Ortsraum dem Schwereren Zustand "vorauseilt", sodass der Ort des Neutrinos über Lichtjahre verschmieren kann. Damit kann man aus der Abhängigkeit des Neutrinotyps von der Entfernung zur Quelle auf die Oszillationsfrequenz schließen.
Wären die Massen alle Null, dann gäbe es keine Oszillationen, weil nur eine Ruhemasse erlaubt wäre.
 

TomS

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Das Teilchen-Standardmodell sagt ja eigentlich ruhemasselose Neutrinos vorher
Das SM sagt da - wie auch bei den geladenen Fermionen wie Elektronen, ... und Quarks gar nichts vorher. Es liefert einen möglichen Mechanismus, nämlich die Kopplung der Fermionen an das Higgsfeld, die Stärke dieser Kopplung (d.h. auch die dadurch induzierten Massen) bleiben aber freie Paraneter. Das gilt auch für außerhalb des Standardmodells angesiedelte Erklärungsmuster; eine Vorhersage der Massen von Elementarteilchen existiert nicht.
 

SCHWAR_A

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@MGZ:
Endlich mal einer, der die Oszillation auf die gute alte Schwebung zweier Frequenzen zurückführt! Danke.

Kann man diesen ominösen Mischungswinkel Theta_jk denn auch einfacher verstehen?
Und warum gibt es 3 verschiedene Theta_jk? Sind da 3 verschiedene Frequenzen überlagert?
Wie unterschiedlich sind die Neutrino-Frequenzen dabei? Schwebungen bei f-Verhältnissen ab Faktor 2 sind eigentlich nicht mehr als solche erkennbar...

Vielen Dank im Voraus,
Grüße.
 

Bernhard

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Und warum gibt es 3 verschiedene Theta_jk?
Unter anderem wegen der drei Neutrino-Familien: Elektron-, Myon-, Tau-Neutrino.*

Im Übrigen gab es das grundlegende Thema hier schon mal im Juni http://www.astronews.com/forum/showthread.php?5267-Neutrinos-Die-Wandlungsf%E4higkeit-von-Neutrinos ;) .

(*) Als weiterführende Kurzlektüre, also:
http://en.wikipedia.org/wiki/Neutrino_oscillation und
http://en.wikipedia.org/wiki/Neutrino_oscillation#Pontecorvo.E2.80.93Maki.E2.80.93Nakagawa.E2.80.93Sakata_matrix
Gruß
 
Zuletzt bearbeitet:

TomS

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@MGZ:Und warum gibt es 3 verschiedene Theta_jk?
Die Neutrino-Oszillation werden durch eine 3*3 Matrix (Pontecorvo–Maki–Nakagawa–Sakata Matrix) analog der CKM Matrix (Cabibbo-Kobayashi-Maskawa-Matrix) beschrieben. Zur Darstellung dieer Matrizen sowie zu ihrer Parametrisierung siehe hier
http://en.wikipedia.org/wiki/Cabibbo%E2%80%93Kobayashi%E2%80%93Maskawa_matrix
http://en.wikipedia.org/wiki/Neutrino_oscillation
Im Falle zweier Neutrinosorten gäbe es tatsächlich nur eine Schwebng, aber bei drei Sorten wird's eben komplizierter.
 

SCHWAR_A

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Zu den drei Neutrinos habe ich noch zwei Fragen:
  1. Wenn die Oszillation immer auftritt, müssen dann nicht zwangsläufig immer gleichviele Neutrinos aller drei Sorten im gleichen "Strahl" auftreten?
  2. Die Energien der drei Neutrino-Sorten unterscheiden sich um mehr als den Faktor 2. Wie ist da eine "Schwebung" mit totaler Auslöschung möglich?
Vielen Dank im Voraus und
herzliche Grüße.
 

Ich

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Wenn die Oszillation immer auftritt, müssen dann nicht zwangsläufig immer gleichviele Neutrinos aller drei Sorten im gleichen "Strahl" auftreten?
Wenn man zufällig an verschiedensten Stellen misst: ja. Wen man immer an derselben Stelle misst, kriegt man (zumindest bei einer halbwegs monochromatischen Quelle) ein Mischungsverhältnis entsprechend dem jeweiligen Schwebungszustand, das von Gleichverteilung abweicht.
Die Energien der drei Neutrino-Sorten unterscheiden sich um mehr als den Faktor 2. Wie ist da eine "Schwebung" mit totaler Auslöschung möglich?
Die Phasengeschwindigkeiten der Massenzustände unterscheiden sich fast gar nicht (alle beinahe c), und auf die kommt's an bei einer Schwebung. Daher kommen die großen Wellenlängen.
Selbst wenn sie sich drastisch unterscheiden würden, gäbe es noch Schwebungen, nur eben auf unbeobachtbar kleinen Wellenlängen.
 

SCHWAR_A

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@Ich:
Danke.
Die Phasengeschwindigkeiten der Massenzustände unterscheiden sich fast gar nicht (alle beinahe c), und auf die kommt's an bei einer Schwebung.
Die Schwebungs-Frequenz ist aber die Differenz der Frequenzen, also der Energien. Wie paßt das zusammen?

...zumindest bei einer halbwegs monochromatischen Quelle...
zB. Sonne: Die ist riesig bzgl. der Wellenlängen, d.h. m.E., alle Phasen überlagern sich immer gleichverteilt. Was ist hier anders?

Herzliche Grüße.
 

Ich

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Die Schwebungs-Frequenz ist aber die Differenz der Frequenzen, also der Energien. Wie paßt das zusammen?
Nein, es gibt da keine Energiedifferenzen. Es interferieren nicht verschiedene Neutrinos miteinander.
Wir haben ein Neutrino, sagen wir Elektronneutrino mit einer genau definierten Energie von sagen wir 17.6 MeV. Dieses eine Neutrino ist eine Überlagerung von drei verschiedenen Massezuständen, und diese drei Zustände interferieren miteinander. Bei gegebener Energie unterscheiden sie sich in ihrer Ruhemasse und damit ihrer Geschwindigkeit, deswegen laufen die Phasen der drei Massenzustände mit der Zeit auseinander. Wenn die Phasen nicht mehr passen, entsprechen diese drei Zustände nicht mehr dem einen <Elektron> - Zustand, sondern einer Überlagerung der drei Zustände <Elektron>, <Mü> und <Tau>. Was wiederum heißt, dass bei einer Messung jeder dieser Zustände auftreten kann.
Auf die Mathematik dahinter hat Bernhard schon verlinkt.
zB. Sonne: Die ist riesig bzgl. der Wellenlängen, d.h. m.E., alle Phasen überlagern sich immer gleichverteilt. Was ist hier anders?
Da misst man auch keine Schwebungen, sondern nur ein Defizit an Elektronneutrinos, das durch Mü- und Tauneutrinos ausgeglichen wird, die in der Sonne gar nicht erzeugt werden. Eher ein Rauschen also.
Da die Interferenz aber nich von Energiedifferenzen verschiedener Neutrinos erzeugt wird, ist sie in der Tat relativ unempfindlich gegenüber Energieänderung. Terrestrische Experimente mit künstlichen Quellen funktionieren als auch, wenn die Energien etwas verschmiert und nicht gänzlich monochromatisch sind.
 

SCHWAR_A

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@Ich:
Vielen Dank. Da hab' ich wohl auch ein Defizit ;.)
Der englische wiki-Link gibt diesbzgl. vielmehr her als der deutsche!!
Mathematisch scheint das als Folge eines mir noch unbegreiflichen Mechanismus zu funktionieren.
Dieses eine Neutrino ist eine Überlagerung von drei verschiedenen Massezuständen
Genau das verstehe ich anscheinend nicht: Wie kann denn ein Neutrino, das eine Masse besitzt, jetzt eine Überlagerung von 3 Massen sein, außer, dieses Neutrino ist bereits eine Überlagerung von 3 Neutrinos desselben Typs, aber mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, zB. wegen unterschiedlicher Wege im Gravitationsfeld der Sonne?

Warum diese Überlagerung je nach Meßpunkt derart unterschiedlichen Neutrino-Massen/Typen zugeordnet werden können, ist mir auch nach wie vor schleierhaft...

Vielen Dank im Voraus für Dein Bemühen, mich (und wahrscheinlich viele andere auch) zu erhellen!
Herzliche Grüße.
 

Ich

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Wie kann denn ein Neutrino, das eine Masse besitzt, jetzt eine Überlagerung von 3 Massen sein
Das hat nicht eine Masse. Wenn man sagt, dass das Elektronneutrino eine Überlagerung von drei Massenzuständen ist, dann heißt das, dass eine Messung dem Neutrino genau eine der drei Massen zuordnen würde, mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten. Nach dieser Messung wäre das Neutrino in einem anderen Zustand, jetzt hätte es ja nachgewiesenermaßen genau diese Masse. Dieser andere Zustand wäre wiederum eine Überlagerung von drei "Flavour"-Zuständen <e>,<mü>,<tau>.
Man kann also nicht Masse und Flavour gleichzeitig genau festlegen, eins von beiden muß immer ein Überlagerungszustand sein, wo das Ergebnis einer Messung nicht vorhersagbar ist. Das ist Quantenmechanik, eine ziemlich berüchtigte Disziplin. Ich weiß nicht, wie ich das mal eben erklären könnte - zumal meine Kentnisse auch deutlich eingerostet sind.

<Metapher>
Man kann sich das Neutrino vielleicht als aus drei "Schattenteilchen" (oder so) mit unterschiedlichen Massen zusammengesetzt denken. Die drei entwickeln sich eben wegen ihrer unterschiedlichen Massen mit der Zeit unterschiedlich, und wenn man sie dann (durch Messung) wieder zu einem Neutrino zusammenbaut, dann kann ein anderer Neutrinotyp herauskommen als der, mit dem man angefangen hat. Welche Überlagerungen von "Schattenteilchen" mit welcher Wahrscheinlichkeit welchen Neutrinotyp ergeben, das steht eben in der Matrix, um die es hier geht.
</Metapher>
 

Bernhard

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SCHWAR_A

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Hallo Ich,

demnach gibt es eigentlich nur genau ein Neutrino, und das ist eigentlich eine Welle aus 3 (leicht?) verschiedenen DeBroglie-Wellenlängen, und je nachdem, mit welcher Phase zueinander gestartet wird, nennen wir es <e>, <µ> oder <tau>, korrekt?

Herzliche Grüße,

SCHWAR_A
 

TomS

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Es gibt drei Neutrinos mit drei Massen, d.h. drei Masseneigenzustände. Stellen wir uns diese als drei orthogonale Einheitsvektoren vor. Nun kann man die Neutrinos über definierte Prozesse gemäß der schwachen Wechselwirkung erzeugen und nachweisen. Diese schwache WW koppelt aber an den Flavor der Neutrinos, und bzgl. dieser Eigenschaft kann man wiederum drei Flavoreigenzustände definieren, die man sich ebenfals als drei orthogonale Einheitsvektoren vorstellen darf.

Nun hat man es mit zwei "Koordinatensystemen" zu tun, eines bezeichnet die Masseneigenzustände, eines die Flavoreigenzustände. Die beiden Koordinatensysteme bzw. die Einheitsvektoren sind aber nicht exakt identisch sondern dessen leicht gegeneinander verdreht. D.h. der Flavoreigenvektor A ist nicht exakt parallel zum Masseneigenvektor a; er hat statt dessen Beimischungen von b und c. Diese Drehung wird durch die sogenannte Pontecorvo–Maki–Nakagawa–Sakata Matrix beschrieben. Dabei handelt es sich um eine sogenannte unitäre Matrix, d.h. es erfolgt eine Drehung in einem komplexen, nicht einem reellen Raum. Letztlich darf man sich aber der Anschaulichkeit halber reelle Koordinatensysteme vorstellen.

Bei der Erzeugung eines Neutrinos entsteht ein Flavoreigenzustand; beim Nachweis wird auch wieder ein solcher gemessen. Aber die Bewegung der Neutrinos (z.B. von der Sonne zur Erde) wird als Schwingung, ebene Welle bzw. deBroglie-Welle beschrieben, und in diese geht die Masse ein, d.h. die "Frequenz" der Schwingung wird durch die Masseneigenzustände festgelegt. Nun ist aber ein Flavoreigenzustand eine Mischung der drei Masseneigenzustände, wobei die Beimischungen sozusagen durch die Projektion des einen ursprünglichen Flavoreigenvektors auf die drei Masseneigenvektoren gegeben ist. Man muss nun eine Bewegung (Schwingung) aller drei beteiligten Masseneigenzustände betrachten. Dabei entsteht letztlich eine Rotation des ursprünglichen Flavoreigenzustandes in seinem Koordinatensystem, wobei in diese Rotation die drei Masseneigenwerte sowie die Zeit (bzw. die Entfernung Sonne - Erde) eingehen. Nach einer gewissen Zeit (z.B. der Flugzeit von der Sonne zur Erde) wird nun wieder ein Flavoreigenzustand gemessen. Da die beiden Koordinatensysteme aber nun gegeneinader gedreht sind, wird der detektierte Zustand (der als Überlagerung von drei Masseneigenzuständen von der Sonne zur Erde gewandert ist) gegenüber dem ursprünglichen (in der Sonne entstandenen) gedreht sein.
 

SCHWAR_A

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Hallo TomS,

vielen Dank, das ist eine gute Erklärung.

Gibt es hier einen Widerspruch zu meiner? Bei mir entsprechen die drei DeBroglie-Wellen eines Neutrinos Deinem Masseneigenzustand, also der Überlagerung dreier Massen, meine unterschiedlichen Startphasen dieser Wellen (bzw. Massen) entsprechen Deinem Flavoreigenzustand bei Generierung des Neutrinos. Sehe ich das richtig?

Herzliche Grüße,

SCHWAR_A
 

TomS

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Gibt es hier einen Widerspruch zu meiner? Bei mir entsprechen die drei DeBroglie-Wellen eines Neutrinos Deinem Masseneigenzustand
Kein direkter Widerspruch. Ich würde nur nicht von einem Neutrino sprechen. Es gibt im Formalismus, egal wie man es dreht und wendet, immer drei Sorten von Neutrinos, man benötigt einen dreidimensionalen Raum zur Darstellung
 

SCHWAR_A

Registriertes Mitglied
Bei der Menge an Neutrinos, die so durch die "Gegend" flitzen:
eigentlich ist doch dann jeder Lichtstrahl/Photon, egal mit welcher Energie, von mindestens einem Neutrino begleitet/überlagert, wahrscheinlich sogar von sehr viel mehr.
Kann man das so sagen?
 
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